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eureos erfolgreich vor dem Bundesfinanzhof

Nachträglicher Widerruf der Option zur Umsatzsteuer möglich. Wir freuen uns sehr: Der BFH folgt in seinem kürzlich veröffentlichtem Beschluss (v. 2. Juli 2021, Az. XI R 22/19) einstimmig und unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung unserer Rechtsauffassung und stellt fest: Der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9a UStG kann widerrufen werden, solange die Steuerfestsetzung des Grundstückskäufers für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar oder noch nach §  164 AO änderbar ist. Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung kann somit außerhalb des der Grundstückslieferung zugrundeliegenden Kaufvertrages erklärt werden.

10.11.2021

Nunmehr ist die Finanzverwaltung gehalten, ihre entgegenstehende Auffassung in Abschn. 9 Abs. 9 S. 3 UStAE entsprechend anzupassen.

Dies bietet insbesondere für Forward-Deals (Ankauf einer durch den Verkäufer schlüsselfertig und auf seine Kosten erst noch zu errichtenden Immobilie) neue Möglichkeiten der Vertragsgestaltung. Denn im Bereich der Projektentwicklung liegen zwischen Abschluss des notariellen Kaufvertrags, d. h. dem Zeitpunkt der Ausübung der Option zur Steuerpflicht, und Fertigstellung des Gebäudes bzw. tatsächlicher Verwendung der Immobilie zum Teil mehrere Jahre. Dem Interesse des Verkäufers an einer Volloption zur Umsatzsteuer mit der Möglichkeit, Vorsteuern aus Baukosten etc. geltend zu machen, steht das wirtschaftlich wesentlich höhere Interesse des Käufers gegenüber, eine Vorsteuerberichtigung auf den Kaufpreis bei tatsächlich steuerfreier Verwendung des Grundstücks zu vermeiden. Auch bei einem ungewollten steuerfreien Weiterverkauf des vorher mit Option zur Steuerpflicht erworbenen Grundstücks kann nunmehr eine Steuerbelastung vermieden werden, wenn die beim Ankauf erfolgte Option widerrufen wird.

Durch den nunmehr nachträglich möglichen Widerruf der Option zur Umsatzsteuer verliert – aus Käufersicht – die Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Mieterstruktur oder der umsatzsteuerlichen Behandlung eines Weiterverkaufs und damit die Option im Grundstückskaufvertrag ein wenig an Schrecken. Ob sich der ursprüngliche Verkäufer auf den (nachträglichen) Widerruf seiner Option zur Umsatzsteuer einlässt, ist freilich Verhandlungssache.

Bei der Vertragsgestaltung ist beispielsweise insofern etwa an Preisanpassungsklauseln, die den Vorsteuerschaden des Verkäufers berücksichtigen zu denken. Gern unterstützen wir hier.

Widerlegung der sog. Drei-Tages-Fiktion auch ohne „Briefumschlag“

Darüber hinaus freuen wir uns, dass wir den BFH im streitgegenständlichen Fall – entgegen bisheriger Rechtsprechung und Kommentarliteratur – davon überzeugen konnten, die sog. Drei-Tages-Fiktion auch ohne Vorlage des entsprechenden Briefumschlags als widerlegt anzusehen.

Im Ergebnis stärkt der BFH somit Steuerpflichtige auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Das Bekanntgabedatum von Verwaltungsakten wie Steuerbescheiden ist von entscheidender Bedeutung für die Berechnung von Klage- oder Einspruchsfristen. Nach der Abgabenordnung gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei Übermittlung durch „die Post“ als drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben („Zugangsvermutung“ bzw. „Drei-Tages-Fiktion“, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Sollte der Verwaltungsakt jedoch tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sein, so kann die Zugangsvermutung widerlegt werden. Der Empfänger muss hierzu substantiierte Umstände vortragen, die den Schluss zulassen, dass ein anderer als der typische Geschehensablauf – nämlich der Zugang binnen drei Tagen – ernsthaft in Betracht kommt. Hierzu war nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel erforderlich, dass der dazugehörige Briefumschlag aufbewahrt und im Zweifel vorgelegt werden musste.

Dagegen hat der BFH in seinem o. g. Beschluss auf diesen Briefumschlag verzichtet. Zweifel an der Zugangsvermutung hielt der BFH bereits deshalb für begründet, weil das beklagte Finanzamt einen privaten Postdienstleister zur Übermittlung der Einspruchsentscheidung an einem Freitag und der Weitergabe des Briefes von diesem an die Deutsche Post AG eingeschaltet hatte, ohne dies entsprechend zu dokumentieren. Ausreichend war daher, dass sich die Klägerin auf den Posteingangsstempel, einen Ausdruck aus dem DATEV-Dokumentationserfassungssystem und die eidesstattliche Versicherung einer Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten berufen konnte.

Das Verfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg und das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof führten Rechtsanwältin Liane Niestroj, Steuerberater Sören Münch und Rechtsanwältin/Steuerberaterin Sindy Krumbholz.

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Arell Buchta
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