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EuGH erweitert Vorsteuerabzug bei hoheitlich-wirtschaftlicher Mischverwendung

Erwirbt ein Unternehmer Gegenstände oder Dienstleistungen, die er zu mehr als 90 % für nichtwirtschaftliche – nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende – Tätigkeiten nutzt (z.B. für hoheitliche Zwecke), ist ein Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen. Oder anders gesagt: auch bei einer lediglich geringfügigen Nutzung hoheitlichen Vermögens für unternehmerische Zwecke (im Urteilsfall 2,65%) besteht ein Recht auf Vorsteuerabzug.

28.09.2016

I. Hintergrund

Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ist ein Vorsteuerabzug für bezogene Leistungen ausgeschlossen, sofern diese Leistungen zu weniger als 10 % für das Unternehmen genutzt werden. Grundlage dieser Regelung war im Urteilsfall eine Ermächtigung des Rats der Europäischen Union, wonach Deutschland abweichend von der europäischen Regelung in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) den Vorsteuerabzug für Leistungen ausschließen kann, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen bzw. seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden.

Hierbei stellte sich die Frage, ob eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke auch eine Nutzung für sogenannte nichtwirtschaftliche Tätigkeiten, z.B. im hoheitlichen Bereich oder im ideellen Bereich einer gemeinnützigen Körperschaft, umfasst. Der BFH hatte diese Frage mit Beschluss vom 16. Juni 2015 (Az.: XI R 15/13) dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

II. Entscheidung des EuGH

Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 15. September 2016 (Az.: C-400/15 „Landkreis Potsdam-Mittelmark) entschieden, dass Deutschland ermächtigt war, eine von den Vorschriften der MwStSystRL abweichende Regelung anzuwenden. Diese Ratsermächtigung zur 10%-Regelung in Deutschland galt jedoch nur für Fälle von typisch gemischten Verwendungen, also teils unternehmerisch (wirtschaftlich) und teils unternehmensfremd (private Nutzung). Der Begriff „unternehmensfremd“ umfasst dabei nicht die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne (z.B. hoheitliche Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts).

Dies bedeutet, dass in allen Fällen, in denen Leistungsbezüge im hoheitlichen bzw. ideellen Bereich auch geringfügig für umsatzsteuerpflichtige Umsätze mitgenutzt wurden, nach diesem Urteil ein Recht auf anteiligen Vorsteuerabzug besteht.

Zu beachten ist jedoch, dass mit Beschluss 2015/2428 des Rates der EU vom 10. Dezember 2015 eine erneute Verlängerung der Ausnahmeregelung erfolgte. Die ab dem 1. Januar 2016 geltende Fassung schließt nicht nur eine Nutzung für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke vom Vorsteuerabzug aus. Auch eine Nutzung für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten wurde hier erstmals explizit als vorsteuerschädliche Nutzung aufgeführt. Inwieweit dies dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität genügt, auf den der EuGH im seinem Urteil ausdrücklich verwiesen hat, mag bezweifelt werden . Abzuwarten bleibt daher auch, wie der BFH auf das Urteil und die Diskrepanz zur verlängerten Ratsermächtigung reagieren wird.

Soweit Leistungsbezüge für den hoheitlichen oder ideellen Bereich in der Vergangenheit teilweise auch für umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze genutzt wurden und bislang auf Grund der geforderten unternehmerischen Mindestnutzung hierfür kein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, empfehlen wir zu prüfen, ob eine Nachholung noch möglich ist und entsprechende Veranlagungen offen zu halten. Bei Fragen hierzu zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen.

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