Die Finanzverwaltung hat mit einem seit langen erwarteten Schreiben vom 20. März 2013 (BStBl. I S. 444) zu der Frage Stellung genommen, in welchen Fällen Umsätze aus der Abgabe von Speisen und Getränken dem Regelsteuersatz bzw. dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dem waren das Urteil des EuGH vom 10. März 2011 und mehrere BFH-Urteile aus dem Jahr 2011 vorausgegangen. Gleichzeitig ergaben sich zum 1. Juli 2011 Änderungen im europäischen Rechtsrahmen (Art. 6 MwStVO), die ebenfalls Berücksichtigung fanden.
Eine sonstige Leistung, die die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausschließt, ist dann anzunehmen, wenn die Abgabe von Speisen mit weiteren unterstützenden Dienstleistungen verbunden ist, die den Verzehr an Ort und Stelle ermöglichen. Diese Dienstleistungselemente müssen dabei qualitativ überwiegen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Auf die Art und die Zubereitung der Speisen kommt es entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung nicht mehr an.
Unschädlich sind Dienstleistungen, die notwendig mit der Vermarktung von verzehrfertigen Speisen verbunden sind. Diese sind bei der Gesamtbetrachtung nicht mit zu berücksichtigen.
Dazu zählen u.a.
- die Zubereitung der Speisen
- der Transport der Speisen und Getränke zum Ort des Verzehrs einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Leistungen wie Kühlen oder Wärmen
- übliche Nebenleistungen (z. B. Verpacken, Beigabe von Einweggeschirr oder -besteck)
- die Bereitstellung von Papierservietten
- die Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise, Apfelmus oder ähnlicher Beigaben
- die Bereitstellung von Einrichtungen und Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf von Waren dienen (z. B. Verkaufstheken und -tresen sowie Ablagebretter an Kiosken, Verkaufsständen usw.)
- der Einzug des Entgelts für Schulverpflegung von den Konten der Erziehungsberechtigten.
Schädliche Dienstleistungselemente sind solche, die nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden sind.
Als Beispiele hierfür führt das BMF-Schreiben u.a. an:
- die Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur, z.B. Räume, Tische und Stühle, Bierzeltgarnituren (siehe dazu auch nachfolgend)
- das Servieren der Speisen und Getränke
- die Gestellung von Bedienungs-, Koch- oder Reinigungspersonal;
- die Durchführung von Service-, Bedien- oder Spülleistungen
- die Nutzungsüberlassung von Geschirr oder Besteck
- die Überlassung von Mobiliar (z. B. Tischen und Stühlen) zur Nutzung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers
- die Reinigung bzw. Entsorgung von Gegenständen. Erfüllen die überlassenen Gegenstände vornehmlich Verpackungsfunktionen (z.B. Platten, Geschirr), ist die Überlassung, Reinigung und Entsorgung unschädlich.
- die individuelle Beratung bei der Auswahl der Speisen und Getränke
- die Beratung der Kunden hinsichtlich der Zusammenstellung und Menge von Mahlzeiten für einen bestimmten Anlass.
Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist insbesondere die Bereitstellung einer Infrastruktur schädlich, die die Bewirtung fördert. Hierbei handelt es sich um Vorrichtungen, die den Verzehr von Speisen und Getränken an Ort und Stelle unterstützen (z.B. Tische und Stühle bzw. Bänke, Bierzeltgarnituren etc.). Ausreichend ist dabei schon eine Abstellmöglichkeit für Speisen und Getränke mit Sitzgelegenheit.
Unschädlich hingegen sind behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen wie z.B. Stehtische, Verzehrtheken oder Ablagebretter an Verkaufswagen ohne Sitzgelegenheiten. Gleiches gilt für Vorrichtungen, die nicht in erster Linie dazu dienen, den Verzehr von Speisen und Getränken zu erleichtern (z.B. Stehtische und Sitzgelegenheiten in Kinofoyers, Bestuhlung in Kinos und Stadien, Parkbänke im öffentlichen Raum oder Nachttische in Kranken- und Pflegezimmern).
Es kommt nicht darauf an, dass der Kunde die bereitgestellten Einrichtungen tatsächlich zum Verzehr der erworbenen Speisen nutzt. Lediglich in dem Fall, in dem der Kunde bereits beim Kauf erklärt, dass er die Speisen zum Mitnehmen erwirbt, können bereitgestellte Tische und Stühle unberücksichtigt bleiben. Daher sollten auch weiterhin die Verkäufe außer Haus separat erfasst werden, da hier der ermäßigte Steuersatz angewendet werden kann.
2. Beispielsfälle
Das BMF-Schreiben zeigt an Hand von 16 Beispielsfällen, u.a. für Imbissstände, die Speiseversorgung in Schulen und Krankenhäusern sowie für Mahlzeitendienste die Anwendung der zuvor genannten Abgrenzungskriterien.
Danach ist z.B. die Abgabe von Speisen auf Mehrweggeschirr zusammen mit Serviette, Besteck und Ketchup, Senf etc., aber ohne weitere Dienstleistungen (insbesondere Sitzgelegenheiten) noch als steuerbegünstigte Lieferung zu werten (vgl. Beispiel 1).
Eine steuerbegünstigte Lieferung liegt auch vor, wenn ein Unternehmer mit eigenem Personal die Mahlzeiten für Patienten eines Krankenhauses zubereitet, portioniert und die Speisen auf die Stationen transportiert und Geschirr und Besteck anschließend reinigt. Die Speisen werden durch das Personal des Krankenhauses an die Patienten ausgegeben. In diesem Fall sieht die Finanzverwaltung die Reinigung von Geschirr und Besteck als nicht zu berücksichtigendes Dienstleistungselement an (vgl. Beispiel 8).
Gleichfalls liegen steuerbegünstigte Lieferungen vor, wenn ein Mahlzeitendienst verzehrfertig zubereitete Speisen auf Geschirr in Warmhaltevorrichtungen liefert und das Geschirr nach Vorreinigung durch den Abnehmer zurücknimmt und reinigt. Auch hier geht das BMF davon aus, dass das Geschirr vornehmlich eine Verpackungsfunktion erfüllt, so dass Überlassung und Reinigung nicht mit zu berücksichtigen sind (vgl. Beispiel 14).
Zur steuerlichen Behandlung der Mittagsversorgung in Schulen durch Schulfördervereine hatte sich das Bundesfinanzministerium bereits in einer Mitteilung vom 28. Januar 2013 positioniert. Je nach tatsächlicher Ausgestaltung der Mittagsversorgung können die Umsätze hieraus nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei sein oder bei Vorliegen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebes bei einem gemeinnützigen Schulförderverein dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterliegen. Im Übrigen gelten die vorstehend beschriebenen allgemeinen Abgrenzungsmerkmale des BMF-Schreibens vom 20. März 2013.
3. Empfehlungen
Mit dem BMF-Schreiben vom 20. März 2013 hat die Finanzverwaltung die Änderungen in Art. 6 MwStVO und die Grundsätze der vorausgegangenen Rechtsprechung übernommen. Die darin dargestellten Abgrenzungsmerkmale bieten Raum für steuerliche Gestaltungen.
Soweit Umsätze aus dem Verkauf von Speisen und Getränken erzielt werden, sollte daher geprüft werden, ob in diesem Zusammenhang schädliche Dienstleistungen erbracht werden und ob durch mögliche organisatorische Änderungen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes herbeigeführt werden kann. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Umsätze außer Hause (Speisen zum Mitnehmen auf Wunsch des Kunden) gesondert zu erfassen, da hier regelmäßig der ermäßigte Steuersatz angewendet werden kann.
Das BMF-Schreiben ist rückwirkend auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 30. Juni 2011 ausgeführt werden. Sofern sich aus den bisher zu dieser Thematik ergangenen BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2008 (BStBl. I S. 949) und 29. März 2010 (BStBl. I S.330) für den Steuerpflichtigen eine günstigere Besteuerung ergibt, wird deren Anwendung für Umsätze, die vor dem 1. Oktober 2013 ausgeführt werden, nicht beanstandet.
Bei gemeinnützigen Körperschaften kann der ermäßigte Steuersatz u.U. auch dann angewendet werden, wenn der Verkauf der Speisen im Rahmen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebes erfolgt. Das kann z.B. bei Mahlzeitendiensten unter den Voraussetzungen von § 68 Nr. 1a AO sein, ebenso bei der Belieferung von Schülern und Studenten mit Speisen durch sog. Mensavereine oder Schulfördervereine. Ebenso kann der ermäßigte Steuersatz bei Umsätzen in sog. Selbstversorgungszweckbetrieben angewendet werden, wenn diese unter den engen Voraussetzungen des § 68 Nr. 2b AO auch nach dem Jahr 2012 noch anzuerkennen sind.
Gern unterstützen wir Sie bei Fragen und Einschätzungen zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Abgabe von Speisen und Getränken.
Ansprechpartner:
Dr. Ralph Bartmuß, Rechtsanwalt, Steuerberater
Anja Richter, Steuerberaterin