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Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise

Die staatlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung sowie die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Produktion, das Gewerbe und den Handel haben schwerwiegende Folgen für die Betriebe und Unternehmen in Deutschland. Zielsetzung der Bundesregierung ist es, diesen Folgen mit finanziellen Hilfen und begrenzten Gesetzesänderungen entgegen zu wirken. Das Corona-Gesetz soll den Unternehmen die Gelegenheit geben, die drohende oder eingetretene Insolvenz, insbesondere unter Inanspruchnahme der angekündigten staatlichen Hilfen, gegebenenfalls aber auch im Zuge von Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarungen zu beseitigen.

31.03.2020

Vor diesem Hintergrund erscheint es sachdienlich, die in der Insolvenzordnung bezogen auf bestimmte Personenkreise niedergelegte Pflicht, bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds einen Insolvenzantrag zu stellen, zu modifizieren. Der Gesetzgeber hat dementsprechend die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15 a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB bis zum 30. September 2020 unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll ausweislich der Gesetzesbegründung allerdings nicht gelten, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Diese einschränkenden Voraussetzungen werden allerdings durch eine gesetzliche Vermutung relativiert: War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zudem sollen umfangreiche staatliche Hilfsprogramme die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen stützen, sodass auch die zweite Voraussetzung unter den besonderen Bedingungen der Corona-Krise zu prüfen sein wird.

Die aufgezeigte Vermutungsregelung soll nichts an der grundsätzlich bestehenden Beweislast ändern. Auch dies soll sich letztlich zugunsten des Antragspflichtigen auswirken: Selbst wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig war, soll es nach Ansicht des Gesetzgebers dabei bleiben, dass das Nichtberuhen der Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie oder das Fehlen von Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit von demjenigen zu beweisen ist, der sich darauf beruft, dass eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht vorliegt. In der Gesetzesbegründung wird dies unterstrichen, indem darauf verwiesen wird, dass mit der gesetzlichen Vermutung gewährleistet werden soll, dass die bestehenden Unsicherheiten und Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises der Kausalität und der Prognostizierbarkeit der weiteren Entwicklungen in keiner Weise zulasten des Antragspflichtigen geht. Zwar sei die Vermutung widerleglich, allerdings könne angesichts des Zwecks der Vermutung, den Antragspflichtigen von den Nachweis- und Prognoseschwierigkeiten effektiv zu entlasten, eine Widerlegung nur in solchen Fällen in Betracht kommen, bei denen kein Zweifel daran bestehen kann, dass die COVID-19-Pandemie nicht ursächlich für die Insolvenzreife ist oder, dass die Beseitigung einer eingetretenen Insolvenzreife nicht gelingen kann.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt rückwirkend ab dem 1. März 2020 und gilt zunächst bis zum 30. September 2020. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll zudem im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden können.

Die Sanktionen, die eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht ansonsten zivilrechtlich bzw. strafrechtlich nach sich ziehen (siehe dazu insbesondere §§ 15 a und 26 InsO), greifen durch diese Neuregelung für den festgelegten Zeitraum nicht.

Soweit die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegt, sollen auch die gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote trotz eingetretener Insolvenzreife grundsätzlich keine Wirkung entfalten (§ 64 S. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 92 Abs. 2 S. 1 des Aktiengesetzes, § 130a Abs. 1 S. 1, auch in Verbindung mit § 177a S. 1, des Handelsgesetzbuchs und § 99 S. 1 des Genossenschaftsgesetzes). Die Ausnahme von den Zahlungsverboten kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn die Insolvenzantragspflicht gemäß Art. 1 § 1 ausgesetzt ist und die Zahlung „im ordnungsgemäßen Geschäftsgang“ erfolgte. Als Zahlung dürfte dabei jeder Vorgang anzusehen sein, der im Rahmen der Zahlungsverbote als „Zahlung“ anzuerkennen ist. Die Einschränkung, dass nur Zahlungen, „die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang“ erfolgen, nicht dem Zahlungsverbot unterliegen, wird in der Begründung des Gesetzes nicht konkret erläutert. Dort wird allerdings darauf verwiesen, dass Geschäftsleiter bei der Fortführung des Unternehmens nicht durch die engen Grenzen der genannten Vorschriften beschränkt werden sollen. Sie sollen vielmehr die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, um das Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang fortzuführen. Das schließe nicht nur Maßnahmen der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ein, sondern auch Maßnahmen im Zuge der Neuausrichtung des Geschäfts im Rahmen einer Sanierung. Vor diesem Hintergrund dürfte festzuhalten sein, dass nicht nur übliche Geschäfte bei der Fortführung des Unternehmens, sondern auch nachvollziehbare Maßnahmen beim Wiederaufbau bzw. bei der Sanierung des Unternehmens privilegiert sind, also vom Zahlungsverbot ausgenommen werden.

Allerdings sind dabei beide Voraussetzungen zu fordern: Sowohl die „Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“ als auch die Zahlung „im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr“.

Für sanierungswillige Unternehmen bedeutet dies, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und damit das Vorliegen der Zahlungsfähigkeit bezogen auf den 31. Dezember 2019 später ausschlaggebende Bedeutung erlangen kann. Vor diesem Hintergrund ist anzuraten, bereits jetzt eine Prüfung der Zahlungsfähigkeit bezogen auf den 31. Dezember 2019 vorzunehmen und schriftlich niederzulegen. Zudem empfiehlt es sich, eine Sanierungsplanung einschließlich Definition der beabsichtigten Maßnahmen aufzustellen und schriftlich zu fixieren. Umfang und Komplexität dieser Planung sollten dabei auf die Unternehmensgröße angepasst werden. Wir beraten Sie gern.

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