Am 22. Juli 2016 wurde das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens im Bundesgesetzblatt verkündet. Bereits zum 1. Januar 2017 sind große Teile in Kraft getreten.
Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes ist die verstärkte Nutzung von modernen Informationstechnologien zur Bearbeitung von Steuererklärungen. Zukünftig sollen geeignete Steuererklärungen ausschließlich maschinell durch Risikomanagementsysteme bearbeitet werden. Lediglich prüfungsbedürftige Fälle sollen durch Amtsträger bearbeitet werden. Ein solcher Prüfungsanlass besteht insbesondere, wenn der Steuerpflichtige im neuen „qualifizierten Freitextfeld“ (§ 150 Abs. 7 AO) Angaben macht. Sobald eine Eintragung im „qualifizierten Freitextfeld“ vorgenommen worden ist, muss eine personelle Bearbeitung des Steuerfalls vorgenommen werden und der Fall darf nicht vollmaschinell bearbeitet werden.
I. Einzelheiten in Kürze
Das neue Feld befindet sich z. B. im Umsatzsteuer-Voranmeldungsformular in Zeile 75 (Kz. 23) und im Vordruck zur Anmeldung von Sondervorauszahlungen in Zeile 31 (Kz. 23). Inhaltlich kann das Feld z. B. genutzt werden, um
- bestimmte Sachverhalte oder Rechtsfragen seitens der Finanzverwaltung prüfen zu lassen,
- einen Antrag auf eine Ermessensentscheidung zu stellen oder um
- darauf hinweisen, dass bei der Erstellung der Steuererklärung von der Verwaltungsauffassung abgewichen ist.
Falls der Platz im Freitextfeld nicht ausreicht, können die Angaben in einem gesonderten Schreiben ausführlich dargestellt werden.
II. Auswirkungen auf die Praxis
Auswirkungen ergeben sich unter Umständen im Hinblick auf die strafrechtliche Relevanz unterlassener Angaben. Sollte der Steuerpflichtige die Kz. 23 etwa ganz bewusst nicht ausfüllen, obwohl dies notwendig wäre, könnte er sich damit dem Vorwurf einer Steuerstraftat aussetzen. Im Allgemeinen können Angaben dann als notwendig angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige
- von der Rechtsprechung,
- den Verwaltungsanweisen oder
- der regelmäßigen Verwaltungspraxis
abweicht. Stets von einer derartigen „Offenlegungspflicht“ ist zumindest dann auszugehen, wenn der Steuerpflichtige von einer Regelung zu ganz konkreten Fallgestaltungen abweicht, die in den Verwaltungsanweisungen geregelt sind.
Dies ist allerdings nicht neu. Bisher musste der Steuerpflichtige, wenn er eine von der Finanzverwaltung abweichende Rechtsauffassung vertrat, dies z. B. in einem Begleitschreiben offenlegen.
Neu ist hingegen das „qualifizierte Freitextfeld“ in den Vordruckmustern und die Wertung des Gesetzgebers, der „insbesondere“ Anlass zur Bearbeitung durch einen Amtsträger sieht, soweit der Steuerpflichtige im dafür vorgesehenen Feld der Steuererklärung Angaben macht (§ 155 Abs. 4 S. 3 AO).
Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Nichtangabe von abweichenden Rechtsauffassungen im „qualifizierten Freitextfeld“ trotz der ausdrücklichen Abfrage zumindest als Anzeichen für bedingten Vorsatz heranziehen wird. Dies dürfte nicht der Fall sein, wenn das Finanzamt z. B. in einem Schreiben extra auf diesen Umstand hingewiesen wird. Gleichwohl ist es empfehlenswert, eine von konkreten Verwaltungsanweisungen abweichende Rechtsauffassung neben dem bisher schon üblichen „Begleitschreiben“ auch im neuen Freitextfeld mitzuteilen.
Insofern bietet das neue Freitextfeld auch die Chance, steuerstrafrechtliche Vorwürfe zu vermeiden, wenn vorsorglich bestimmte Sachverhalte angegeben werden und damit zwingend eine personelle Veranlagung erreicht wird.
Auf Grund der beschriebenen Auswirkungen sollte zukünftig ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, ob Angaben im neuen Feld zu machen sind.
Gern beraten wir Sie hierzu persönlich.
Ihre Ansprechpartner:
Sören Münch, Steuerberater
Dr. Kerstin Bohne, Rechtsanwältin