Mit dem Schreiben vom 6. Juni 2023 hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) die Verwaltungsgrundsätze für Verrechnungspreise 2023 veröffentlicht.
Der eher grob gefasste Rahmen zur Bestimmung von Verrechnungspreisen wird durch die Regelungen der §§ 1 bis 1a AStG vorgegeben. An dieser Stelle wird jedoch beispielsweise nicht explizit geregelt, welche Methode im Einzelfall bei der Bestimmung des angemessenen Verrechnungspreises anzuwenden ist. Das nunmehr veröffentlichte BMF-Schreiben ermöglicht einen Überblick, wie nach Ansicht der Finanzverwaltung vorzugehen ist.
Hintergrund
Ziel der Regelungen zur Verrechnungspreisbestimmung ist es, einen angemessenen Verrechnungspreis zu ermitteln und somit Gestaltungen zur Steuervermeidung zu verhindern. Besonders international optierende Unternehmen treffen oftmals Vereinbarungen zwischen einzelnen Konzerngesellschaften, um Erträge von einem Land in ein anderes zu verlagern. Dabei soll das Ziel erreicht werden, dass der höchste Gewinn in einem Land mit möglichst geringer Steuerbelastung entsteht. Um derartige Gestaltungen zu verhindern, ist in § 1 AStG die zentrale gesetzliche Regelung zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise nach deutschem Recht sowie in § 1a AStG eine Sonderbestimmung für Preisanpassungsklauseln festgehalten. Eine umfassende Dokumentationspflicht im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen ergibt sich aus § 90 AO.
Zentrale Inhalte des BMF-Schreibens
Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Inhalte des BMF-Schreibens dar:
- Kapitel I (Grundsätze der Einkünftekorrektur)
Im ersten Kapitel wird besonders auf das Konkurrenzverhältnis zwischen § 1 AStG und Einlagen, Entnahmen, verdeckten Gewinnausschüttungen sowie verdeckten Einlagen eingegangen. Die Grundsätze werden durch Beispiele verdeutlicht. Weiterhin wird in Kapitel I die Konkurrenz zur Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7ff. AStG sowie auf die zentralen Begriffe der nahestehenden Person und der Geschäftsbeziehung eingegangen. - Kapitel II (Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien)
Im zweiten Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für die Prüfung der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen. Hintergrund ist, dass durch deren Anwendung eine (grenzüberschreitende) einheitliche Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgt. - Kapitel III (Leitlinien)
Im dritten Kapitel werden die Leitlinien festgehalten, welche die wichtigsten Aspekte der Prüfung der Verrechnungspreise darlegen. Es stellt das zentrale Kapitel des BMF-Schreibens dar.- Abschnitt A
Der erste Abschnitt umfasst den Fremdvergleichsgrundsatz, welcher sowohl in Inbound- als auch Outboundfällen zu beachten ist. Er ist das zentrale Element der Prüfung, da aufgrund dessen ermittelt wird, ob unabhängige Dritte zu ebendiesem Ergebnis gekommen wären. Zur Ermittlung, ob die Verrechnungspreise dem Fremdvergleich standhalten, ist zunächst eine Funktions- und Risikoanalyse für die Beteiligten vorzunehmen. - Abschnitt B
Im zweiten Abschnitt werden die Verrechnungspreismethoden sowie die Bewertungstechniken dargestellt. Die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufsmethode, die Kostenaufschlagsmethode, die Nettomargenmethode und die Gewinnaufteilungsmethode sind dabei die fünf wichtigsten Methoden, jedoch handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Grundsätzlich kommt jede Methode in Betracht, welche zu einem zutreffenden Ergebnis führt. Eine bevorzugte Methode der Finanzverwaltung bzw. eine Rangordnung gibt es nicht mehr. - Abschnitt C
Dieser Abschnitt bildet die Einzelheiten der Vergleichbarkeitsanalyse ab. Vertragliche Bedingungen sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld der Geschäftsvorgänge können demnach nur miteinander verglichen werden, sofern sie im Wesentlichen vergleichbar sind. Weiterhin wird auf die Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen, den Vorteilsausgleich, Bandbreitenbetrachtungen, die Berücksichtigung von Verlusten sowie den Zeitpunkt des Fremdvergleichs eingegangen. - Abschnitte D und E
In diesen beiden kürzeren Abschnitten wird vorwiegend auf andere Verlautbarungen der Verwaltung zu Verständigungs- und Schiedsverfahren sowie die Dokumentation von Verrechnungspreisen verwiesen. - Abschnitt F
Dieser Abschnitt setzt sich mit immateriellen Werten (z.B. Markenrechte, Patentrechte, Lizenzrechte etc.) auseinander. Diesen kommt im Hinblick auf die Verrechnungspreise eine besondere Bedeutung zu, da insbesondere durch Lizenzzahlungen im Rahmen international operierender Unternehmen Erträge zwischen verschiedenen Ländern zugeteilt werden. Von Bedeutung ist auch hier, ob die Zahlungen im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Funktionen und Risiken und des resultierenden Nutzens bei den Beteiligten angemessen sind. - Abschnitte G
Der Abschnitt umfasst Warenlieferungen und Dienstleistungen. Ein gesonderter Unterabschnitt betrifft dabei Konzernumlagen, welche ebenfalls nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen sind und somit dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen müssen. - Abschnitt H
In diesem Abschnitt wird die Thematik der Kostenumlagen eingegangen, wobei in verschiedenen Punkten auf die OECD-Richtlinien verwiesen wird. - Abschnitt I
Fälle, in denen eine gesamte Funktion eines Unternehmens ins Ausland verlagert wird (sogenannte Funktionsverlagerung), werden in Abschnitt I betrachtet. Den rechtlichen Rahmen bilden dabei § 1 Abs. 3b AStG sowie die FunktionsverlagerungsVO. Im Hinblick auf Arbeitnehmerentsendungen wird gesondert auf das BMF-Schreiben vom 9. November 2001 verwiesen, welches weiterhin Gültigkeit behält. - Abschnitt J
Dieser Abschnitt setzt sich mit Finanzierungsbeziehungen auseinander. Die zentrale Überlegung ist dabei stets, ob Darlehen oder ähnlichen Gestaltungen im Konzernverbund steuerlich überhaupt als Fremdkapital zu würdigen sind. Die Fremdüblichkeit der Darlehensverhältnisse, insbesondere der vereinbarten Zinsen, ist dabei gesondert zu prüfen. - Abschnitt K
Dieser Abschnitt beschäftigt sich ebenfalls mit Finanzierungsbeziehungen, allerdings geht er lediglich auf das Cash-Pooling ein. Hierbei handelt es sich um ein Konstrukt, welches es erlaubt, Gruppenunternehmen mit hoher Liquidität Gruppenunternehmen mit geringer Liquidität kurzfristig finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, ohne jeweils gesonderte Darlehensverträge abzuschließen. Das Cash-Pooling weist daher ebenfalls Finanzierungscharakter auf.Abschnitt L - Der letzte Abschnitt betrifft die Anwendung des § 1a AStG im Hinblick auf die Preisanpassungsklauseln.
- Abschnitt A
- Kapitel IV
Dieses Kapitel umfasst weitere allgemeine Grundsätze zu Erstkorrektur, der Behandlung von Ausgleichszahlungen, Gegenberichtigung sowie zum Zoll. - Kapitel V
In diesem Kapitel wird ausschließlich auf das Glossar der OECD-Richtlinien verwiesen. - Kapital VI
Die Aufhebung der alten BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2014 sowie vom 14. Juli 2021 wird im abschließenden Kapitel geregelt. Mit Ausnahme der Ausführungen zu Funktionsverlagerungen ist das neue BMF-Schreiben auf alle offenen Fälle anzuwenden. - Anlage
Als Anlage beigefügt sind die OECD-Richtlinien.
Ausblick und Einschätzung
Es ist zu konstatieren, dass die Thematik der Verrechnungspreise noch weiter in den Fokus der deutschen Finanzbehörden und damit wohl auch der Betriebsprüfungen rückt. Angesichts der hohen Komplexität der Thematik der Verrechnungspreise ist der Umfang des BMF-Schreibens mit etwa 50 Seiten vertretbar. Dem Schreiben beigefügt sind jedoch über 700 Seiten der OECD-Richtlinien, auf welche im neuen BMF-Schreiben häufig verwiesen wird. Dieser ausufernde Umfang erschwert die Handhabbarkeit maßgeblich. Aufgrund dieser Komplexität dürften den OECD-Richtlinien für viele Unternehmen in der Praxis somit eine hemmende Wirkung zuzuschreiben sein; einfache, praxisnahe Verfahrensweisen können so nicht erreicht werden. Auch Betriebsprüfungen werden durch dieses umfangreiche und detaillierte Regelwerk für die Steuerpflichtigen nicht leichter.