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BFH zur wirtschaftlichen Eingliederung bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft: Verflechtung zwischen Organgesellschaften ausreichend

Der BFH hat sich in seinem Urteil vom 11. Mai 2023 (Az. V R 28/20) zur wirtschaftlichen Eingliederung im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft geäußert und festgestellt, dass diese nicht nur über unmittelbare Beziehungen der Organgesellschaft zum Organträger vermittelt werden kann, sondern auch – mittelbar – über die Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften des Organträgers.

19.09.2023
I. Hintergrund zum Bestehen einer Organschaft

Ein Unternehmen führt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG seine gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten nicht selbstständig aus, sofern es nach dem Gesamtbild finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.

Die wirtschaftliche Eingliederung liegt nach aktueller Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung vor, wenn die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft in engem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 6  UStAE). Sie kann schon dann vorliegen, wenn bei deutlicher Ausprägung einer finanziellen und organisatorischen Eingliederung zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft auf Grund von gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen (Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 3 UStAE). Im o.g. Urteil führte der BFH seine Rechtsprechung fort, und bestätigt, dass die wirtschaftliche Eingliederung nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen kann (mittelbare wirtschaftliche Eingliederung).

II. Entscheidung des BFH

Im zugrundeliegenden Fall hat die klagende Organgesellschaft an den Organträger Hausverwaltungsdienste – wie Buchführungs- und Personalverwaltungsleistungen oder Winterdienst – erbracht. Da es sich dabei grundsätzlich um standardisierte Dienstleistungen handelt, für die es zahlreiche, mit relativ geringem Aufwand austauschbare Anbieter gebe, reiche dies allein für die wirtschaftliche Eingliederung zwar nicht aus. Allerdings könne sich laut BFH die wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft aus der Bedeutung der Hausverwaltungsdienste für die Organgesellschaft als Leistende ergeben (etwa Verhältnis der durch die Organgesellschaft verwalteten Wohneinheiten von Dritten zu denen des Organträgers).

Auch durfte sich das vorinstanzliche Sächsische Finanzgericht (Urteil vom 5. September 2019, Az. 6 K 94/16) nach Auffassung des BFH nicht lediglich auf die Berücksichtigung dieser unmittelbaren wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger beschränken. Vielmehr könne eine mittelbare wirtschaftliche Eingliederung auch durch Verflechtungen zwischen einzelnen Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften entstehen. Hierbei spielen dann jedoch die Leistungsbeziehungen der klagenden Organgesellschaft an Dritte keine Rolle. Ebenso wenig reiche es insofern aus, dass der Organträger gegen Zahlung von Provisionen an die übrigen Gesellschaften der Unternehmensgruppe Leistungen erbringe. Dadurch könne lediglich eine Organschaft zwischen dem Organträger und diesen Gesellschaften begründet werden.

III. Bedeutung für die Praxis

Der BFH bestätigt damit seine bisherige Rechtsauffassung zur sogenannten mittelbaren wirtschaftlichen Eingliederung. Da es in Deutschland nach wie vor kein Antragsrecht auf eine umsatzsteuerliche Organschaft gibt, sondern diese bei Vorliegen der gesetzlichen Eingliederungsvoraussetzungen – unabhängig von der konkreten Kenntnis der Steuerpflichtigen – besteht, sollten stets auch die mittelbaren wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen einzelnen Schwestergesellschaften einer Unternehmensgruppe im Fokus bleiben. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die finanzielle Eingliederung (z.B. 100%-Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft) und organisatorische Eingliederung (z.B. personenidentische Geschäftsführer von Organträger und -gesellschaft) stark ausgeprägt sind. Denn dann entscheiden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den potentiellen Organgesellschaften über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.

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