Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2022 (I R 55/19) entschieden, dass der Steueranspruch für die Wegzugsbesteuerung bei nur „lediglich vorübergehender Abwesenheit“ im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG ohne Rücksicht auf die Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs entfällt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren (§ 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F.) nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird.
Prinzipien der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG
Aufgrund der sogenannten Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG erfolgt die Besteuerung der in Anteilen an (in- und ausländischen) Kapitalgesellschaften enthaltenen stillen Reserven nicht erst bei einer tatsächlichen Veräußerung (§ 16 bzw. § 17 EStG), sondern allein aufgrund des Wegzugs des Steuerpflichtigen (und der regelmäßig damit verbundenen Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht). Hintergrund ist, dass der Fiskus die in den Anteilen aufgebauten stillen Reserven final der deutschen Besteuerung unterwerfen möchte. So soll vermieden werden, dass die Besteuerung allein durch den Zuzugsstaat erfolgt. Voraussetzung dafür ist, dass der Steuerpflichtige vor seinem Wegzug in einem Zeitraum von zwölf Jahren mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war (§ 6 Abs. 2 S. 1 AStG).
Die Bemessungsgrundlage der Steuer ergibt sich mangels des Vorliegens eines Veräußerungspreises aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Wegzugs und den Anschaffungskosten der Anteile. Da kein tatsächlicher Verkaufsvorgang und somit auch kein Geldzufluss erfolgt, kann der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer auf Antrag in sieben gleichen unverzinslichen Jahresraten entrichten (§ 6 Abs. 4 AStG).
Die Norm wurde grundsätzlich neu gefasst. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F. entfiel der Steueranspruch, sofern die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf vorübergehender Abwesenheit beruhte und der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig wurde. Es wurde demnach eine Rückkehrabsicht vorausgesetzt. Die Frist wurde mittlerweile auf sieben Jahre angehoben (§ 6 Abs. 3 AStG n.F.).
Urteil des BFH
Sachverhalt
Im vorliegenden Streitfall war der Kläger an mehreren inländischen Kapitalgesellschaften beteiligt und hatte im Laufe des Jahres 2014 seinen Wohnsitz (und gewöhnlichen Aufenthalt) in Deutschland aufgegeben. Zwei Jahre später hatte er wieder einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet. Das Finanzamt hatte für das Jahr des Wegzugs die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung als erfüllt angesehen und die fiktiven Veräußerungsgewinne unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Buchstabe c und § 17 Abs. 3 EStG besteuert. Der Kläger hatte gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt, da aufgrund seiner tatsächlichen Rückkehr nach Deutschland die Wegzugsbesteuerung entsprechend der gesetzlich normierten Rückkehroption (§ 6 Abs. 3 AStG a.F.) rückwirkend entfallen müsse. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, dass der Ansatz der Veräußerungsgewinne teilweise herabgesetzt wurde.
Entscheidung des BFH
Der BFH war der Auffassung, dass aufgrund der „lediglich vorübergehenden Abwesenheit“ des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F. die Voraussetzungen für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung erfüllt seien. In der Urteilsbegründung hat der BFH klar festgestellt, dass eine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs (sog. subjektive Theorie) nicht bestehen müsse und als gesetzgeberisches Motiv für den Wegfall der Wegzugsbesteuerung allein das Merkmal der „vorübergehenden Abwesenheit“ heranzuziehen sei (sog. objektive Theorie). Aus dem Gesetzeswortlaut könne zwar grundsätzlich ein Wille zur Rückkehr als Erfordernis abgeleitet werden, allerdings sei aus Praktikabilitätserwägungen und den Schwierigkeiten bei der Feststellung der Absichten des Steuerpflichtigen eine „fristgemäße Rückkehr“ des Steuerpflichtigen für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung ausreichend. Eine tatsächliche Rückkehr innerhalb der Fünfjahresfirst indiziere eine bereits im Zeitpunkt des Wegzugs bestehende Rückkehrabsicht.
Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen. Das Urteil schafft Rechtklarheit und bedeutende Erleichterungen für die Steuerpflichtige, die auf Basis dieses Urteils keinen Nachweis einer subjektiven Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs glaubhaft machen müssen. Zwar betrifft die Entscheidung die alte Fassung des AStG, jedoch ist anzunehmen, dass diese Grundsätze auch für die neue Fassung Anwendung finden. Es verbleibt damit einzig beim objektiven Tatbestandsmerkmal der fristgemäßen Rückkehr.
In entsprechenden Fällen sollte daher mit Verweis auf das vorstehende Urteil unbedingt Einspruch eingelegt werden. Gern unterstützen wir Sie bei entsprechenden Verfahren.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.