In seinem jüngsten Urteil setzt der BFH (V R 16/21) seine Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen fort: Demnach scheidet der Vorsteuerabzug aus, sofern die (umsatzsteuerliche) Freigrenze in Höhe von EUR 110 überschritten wird. Bei der Ermittlung dieser Freigrenze sind auch die Kosten für den „äußeren Rahmen“ der Betriebsveranstaltung zu berücksichtigen, wenn es sich umsatzsteuerlich um eine einheitliche Leistung handelt.
I. Hintergrund
Wer sich um die steuerliche Behandlung von Betriebsveranstaltungen kümmert, hat einiges zu beachten. Bis 2014 war es einfach(er): Umsatzsteuer und Lohnsteuer wurden gleich behandelt: Lag lohnsteuerlich kein Arbeitslohn vor, lag auch umsatzsteuerlich keine unentgeltliche Wertabgabe vor. Der Arbeitgeber war daher zum Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen berechtigt. Seit den Änderungen im Lohnsteuerrecht ab 2015 fallen lohn- und umsatzsteuerliche Beurteilung jedoch zum Teil auseinander.
II. Sachverhalt
Der Kläger veranstaltete im Dezember 2015 eine Weihnachtsfeier für seine Arbeitnehmer aus den Bereichen Vorstand sowie Steuer- und Rechtsabteilung und Innendienst der Prüfungsabteilung (jeweils einschließlich der Leitungen). Von den 32 angemeldeten Arbeitnehmern, nahmen tatsächlich 31 an der Weihnachtsfeier teil.
Die Weihnachtsfeier bestand aus einem Kochevent. Die Teilnehmer bereiteten unter Anleitung von zwei Köchen gemeinsam das Abendessen zu, das sie im Anschluss gemeinsamen verzehrten. Dividierte man die Rechnung des Veranstalters durch die Zahl der Teilnehmenden, ergaben sich pro Person Kosten von über EUR 110. Für den Mitarbeiter, der sich angemeldet, dann aber nicht teilgenommen hatte, war ein „No-Show“-Entgelt zu entrichten.
Der Kläger begehrte den Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Weihnachtsfeier, was sowohl Finanzamt als auch Finanzgericht und schließlich BFH ablehnten.
III. Urteil des BFH
Bezieht ein Unternehmer Leistungen für sogenannte Betriebsveranstaltungen, so ist er nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn diese nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern vielmehr durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt sind. Voraussetzung ist, dass der erlangte persönliche Vorteil des Arbeitnehmers gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich erscheint.
1. Weihnachtsfeier ist unentgeltliche Wertabgabe
Letzteres sei vorliegend nicht der Fall. Zwar sollte die Weihnachtsfeier auch das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung verbessern und derartige Teambuilding-Events könnten auch die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit steigern, dennoch trete dabei das Interesse der Mitarbeiter nicht hinter einem vorrangigen Unternehmensinteresse zurück. Eine Weihnachtsfeier sei nicht mit Fällen vergleichbar, in denen der Arbeitgeber z. B. seine Mitarbeitenden während eines Termins beköstige, damit dieser ohne Zeitverluste durchgeführt werden könne.
Demnach liege bei dem Kochevent eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtige.
2. Vorsteuerabzug nur, wenn Aufmerksamkeit vorliegt (< EUR 110)
Etwas anderes gälte nur, wenn eine Aufmerksamkeit vorläge. Da dieser Begriff weder im UStG noch in der MwStSystRL definiert ist, haben sich BFH und Finanzverwaltung im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung dabei bislang an den lohnsteuerlichen Grundsätzen orientiert: Was lohnsteuerlich keinen Arbeitslohn darstellt, ist umsatzsteuerrechtlich eine Aufmerksamkeit, die nicht zu einer unentgeltlichen Wertabgabe führt und damit zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Durch die gesetzliche Änderung im Lohnsteuerrecht ab 2015 wurde die Freigrenze zu einem Freibetrag; d. h., der EUR 110 übersteigende Betrag muss der Lohnsteuer unterworfen werden. Umsatzsteuerlich bleibt es dagegen wegen des Wortlauts „sofern“ (und nicht „soweit“) bei einer Freigrenze. Übersteigen die Aufwendungen den Betrag von EUR 110, liegt damit umsatzsteuerlich in voller Höhe eine Entnahme vor, sodass der Vorsteuerabzug ausscheidet.
3. „äußerer Rahmen“ bei einheitlicher Leistung
Während nach der älteren Rechtsprechung des BFH die Kosten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen waren, sind die Kosten des gesamten Kochevents nach dem BFH hier einzubeziehen, da es um eine einheitliche Leistung handelte. Denn das Kochevent stelle ein marktfähiges Gesamtpaket dar, das vom Zusammenspiel der besonderen Örtlichkeit in gehobenem Ambiente und dem gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken geprägt worden sei.
Zudem sind nach Auffassung des BFH die Gesamtkosten einschließlich „No-Show“-Anteil (fehlender Mitarbeiter) auf alle anwesenden Teilnehmer zu verteilen, sodass auf den nicht anwesenden Teilnehmer keinerlei Aufwendungen entfallen, für die ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen könnte.
IV. Praxishinweis
Die Auffassung des BFH zur Freigrenze deckt sich mit der Auffassung der Finanzverwaltung. Die Kosten des äußeren Rahmens sind umsatzsteuerlich somit nur bei einheitlicher Leistung einzubeziehen, während sie lohnsteuerlich stets zu berücksichtigen sind. Hier kann es somit zum Auseinanderfallen von lohn- und umsatzsteuerlicher Behandlung kommen, was den Aufwand für Unternehmen erhöht.
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