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BFH: Online-Partnervermittlung als elektronische Dienstleistung

Nach dem jüngsten Urteil des BFH vom 1. Juni 2016 (XI R 29/14) handelt es sich beim Betreiben einer Online-Partnervermittlung gegen Entgelt um eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung.

19.09.2016

I. Hintergrund

Die Klägerin mit Sitz in den USA betreibt im Internet Kontaktbörsen. Die entgeltliche Mitgliedschaft berechtigt die Kunden über eine Datenbank zum Zugriff auf persönliche Informationen anderer Mitglieder und ermöglicht eine Kontaktaufnahme mit dem Ziel eines persönlichen Treffens.

Eine elektronische Leistung an einen Nichtunternehmer (B2C-Fall) gilt als dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Bezogen auf die deutschen Kunden liegt der Leistungsort mithin in Deutschland. Demgegenüber ging die Klägerin von einer „normalen“ sonstigen Leistung mit Leistungsort in den USA aus und gab deshalb für die an deutsche Kunden erbrachten Umsätze in Deutschland keine Umsatzsteuerklärungen ab.

II. Die Entscheidung im Einzelnen

Der BFH definiert auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen als Dienstleistungen, die

  • über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden,
  • deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und
  • nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und
  • ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.

Diese Voraussetzungen sieht der BFH vorliegend als erfüllt an. Die Hauptleistung der Klägerin bestehe darin, es dem Kunden mittels automatisierter Such- und Filterfunktion rein elektronisch und ohne menschliches Zutun zu ermöglichen, anhand seiner Suchparameter für ihn interessante Mitglieder herauszufinden und oder sich selbst finden zu lassen. Die durch die Mitarbeiter der Klägerin erbrachten Leistungselemente (z.B. Überprüfung der Mitglieder-Profile) dienten lediglich der Vorbereitung und Sicherung der Hauptleistung.

III. Auswirkungen auf die Praxis

Zu begrüßen ist die Klarstellung des BFH, dass die „menschliche Beteiligung“ den eigentlichen Leistungsvorgang betreffen muss und menschliche Leistungen, die lediglich der Vorbereitung und Sicherung des Zugangs zu den Datenbanken dienen (z.B. ursprüngliche Inbetriebnahme des elektronischen Systems einschließlich Wartung oder Prüfung von Kundenprofilen) keinen Einfluss auf die Einstufung als elektronische Leistung haben.

Schon heute unterliegen Unternehmen, die ihren Privatkunden entgeltlich Online-Datenbanken (z.B. Suchmaschinen, Vergleichs- oder Verkaufsportale wie z.B. ebay) oder Börsen-, Verkehrs-, Wetterdaten, Online-Nachrichten, Online-Spiele, Lotterie- und Wettveranstaltungen zur Verfügung stellen den Vorschriften für die Besteuerung elektronischer Dienstleistungen.

Werden elektronische Dienstleistungen an Privatkunden erbracht, liegt der Leistungsort am Wohnsitz des Privatkunden. Dies gilt für Unternehmer mit Sitz im Drittland bereits seit 2003, für Unternehmer mit Sitz in der EU erst seit 2015. Umsatzsteuerlich ergibt sich dadurch bezogen auf ausländische B2C-Kunden ein erhöhter Deklarationsaufwand. Unternehmer stehen vor der Herausforderung, ihre Kunden zutreffend in B2B- und B2C-Kunden (USt-IdNr.?, Anschrift?, etc.) zu unterscheiden und beispielsweise die Steuersätze und Rechnungslegungsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten ihrer Privatkunden zu beachten. Insofern haben Unternehmer die Wahl zwischen

  • umsatzsteuerlicher Registrierung und Abgabe lokaler Umsatzsteuererklärungen in allen EU-Ländern, in denen ihre Privatkunden ansässig sind, oder der
  • Abgabe einer einheitlichen Umsatzsteuererklärung im eigenen EU-Ansässigkeitsstaat für die in den verschiedenen EU-Staaten zu besteuernden elektronisch erbrachten Dienstleistungen (sog. Mini-One-Stop-Shop). Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie in unserem Newsbeitrag vom 9. September 2014.

Mit dem jüngsten BFH-Urteil steht nunmehr ausdrücklich fest, dass Unternehmer mit der entgeltlichen Bereitstellung von Datenbanken elektronische Dienstleistungen erbringen. Drittlandsunternehmer mit EU-Kunden unterliegen daher – bereits seit 2003 – dem Besteuerungsrecht des jeweiligen EU-Landes. Gleiches gilt für EU-Unternehmer seit 2015. Unternehmer, die sich geschäftlich im Internet bewegen, sollten daher in einem ersten Schritt prüfen, ob sie elektronische Dienstleistungen i.S.d. jüngsten BFH-Rechtsprechung erbringen.

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