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BFH: Finanzielle Eingliederung nunmehr auch ohne Stimmrechtsmehrheit möglich (Änderung der Rechtsprechung)

Eine der Vorlagefragen an den EuGH in Sachen umsatzsteuerliche Organschaft hat der BFH mit Urteil vom 18. Januar 2023 (XI R 29/22) entschieden. Er ändert seine Rechtsprechung dahingehend, dass eine Organgesellschaft – unter engen Voraussetzungen – auch ohne Stimmrechtsmehrheit des Organträgers finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG).

13.04.2023
Gesellschaftsrecht
Hintergrund

Im entschiedenen Verfahren (XI R 29/22) hielt die Muttergesellschaft mit 51 % zwar die Anteilsmehrheit an der Tochtergesellschaft und stellte den einzigen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft, verfügte aber lediglich über 50 % der Stimmen in deren Gesellschafterversammlung. Strittig war die finanzielle Eingliederung, denn hierzu war bisher die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung erforderlich.

Das o. g. Urteil ist die Folgeentscheidung des BFH nach dem EuGH-Urteil vom 1. Dezember 2022 zur Europarechtskonformität der deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft (C-141/20 „Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie“). Der EuGH hatte seinerzeit das Erfordernis einer Stimmrechtsmehrheit neben einer Anteilsmehrheit im Rahmen der finanziellen Eingliederung als zu weitgehend und nicht mit dem EU-Recht übereinstimmend beurteilt.

In Übereinstimmung mit den EuGH-Grundsätzen liegt nach Auffassung des BFH nunmehr – auch ohne Stimmrechtsmehrheit – eine finanzielle Eingliederung vor, wenn die erforderliche Willensdurchsetzung dadurch gesichert ist, dass der Gesellschafter

  • zwar nur über 50 % der Stimmrechte verfügt,
  • aber eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und
  • den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.
Praxishinweise

Die Auswirkungen der Rechtsprechungsänderung dürften eher gering sein. Denn einerseits stimmen die prozentuale Verteilung der Anteile und der Stimmrechte in der Regel überein. Andererseits sind die vom BFH aufgestellten Voraussetzungen, unter denen ohne Stimmrechtsmehrheit von einer finanziellen Eingliederung auszugehen ist, sehr eng. Klar ist lediglich, dass Schwestergesellschaften allein mangels eigener Mehrheitsbeteiligung weiterhin keine Organschaft bilden können. Unklar bleibt dagegen, ob dies auch bei anderen etwa im UStAE genannten Sachverhaltsvarianten im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung gilt und (ab) wann eine die schwächere finanzielle Eingliederung nicht mehr aufwiegende organisatorische Eingliederung gegeben ist (z. B. bei nur teilweise personenidentischen Geschäftsführungsorganen).

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