Eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts betrifft die Rückzahlung einer bereits geleisteten Sonderzahlung – wie etwa Weihnachtsgeld – durch den Arbeitnehmer, wenn dieser innerhalb eines bestimmten Zeitraums das Unternehmen verlässt.
Sachverhalt und Hintergrund
Im Streitfall stand der Arbeitnehmer, ein Busfahrer, auf der Beklagtenseite. Die Klägerin war seine ehemalige Arbeitgeberin, die ihn auf Rückzahlung eines tariflichen 13. Gehalts bzw. einer „Sonderzuwendung“ in Höhe von EUR 1.540,29 netto verklagt hat, die im November 2015 gezahlt wurde. Auf das Arbeitsverhältnis war ein Tarifvertrag anwendbar, der in § 1 folgendes regelte:
„(1) Die Bediensteten erhalten in jedem Kalenderjahr anstelle einer Weihnachtszuwendung eine Sonderzuwendung, wenn sie
- am 1. Dezember seit dem 1. Oktober ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis stehen und
- nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Jahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis ausscheiden.
Da der Beklagte zum 14.01.2016 wirksam gekündigt hatte, war die zusammen mit dem Novemberlohn gezahlte Sonderzuwendung aus Sicht der Klägerin zurückzuzahlen. Das sah der Beklagte anders. Er meinte, die tarifliche Bestands- bzw. Rückzahlungsklausel sei unwirksam, weil sie als unverhältnismäßige Kündigungsbeschränkung gegen sein Grundrecht auf Berufsfreiheit verstoße.
Das Arbeitsgericht Freiburg entschied zugunsten des klagenden Busunternehmens (Urteil vom 30.11.2016, 10 Ca 143/16), wie auch das in der Berufung zuständige Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 09.05.2017, 9a Sa 12/17). Dabei bewertete das LAG die streitige Sonderzahlung als Leistung mit Mischcharakter. Dies ist dann der Fall, wenn die Zahlung einerseits die erwartete Betriebstreue belohnen soll und andererseits sich ihre Höhe nach der Leistung des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum im laufenden bzw. vorangegangenen Kalenderjahr bemessen soll.
Auch in der Revision vor dem BAG blieben die Einwände des beklagten Busfahrers ohne Erfolg.
Entscheidungsinhalt
Die Rückzahlungsregelung ist nach dem Urteil des BAG wirksam. Sie verstoße insbesondere auch nicht gegen höherrangiges Recht. Das Gericht schätzte nach Abwägung der Interessen der Beteiligten ein, dass die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum, der ihnen im Rahmen der Tarifautonomie zusteht, eingehalten haben und die Regelung vor diesem Hintergrund den Arbeitnehmer nicht über Gebühr in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 GG einschränke. Der Eingriff in dieses Grundrecht sei daher auch verhältnismäßig.
Die Rückzahlungsregelung wäre allerdings unwirksam, wenn sie unmittelbar als arbeitsvertragliche Bestimmung vereinbart worden wäre. Dann wäre sie als Allgemeine Geschäftsbedingung einer Klauselkontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Arbeitsvertraglich in ihrer Gesamtheit einbezogene Tarifverträge unterlägen jedoch keiner solchen Inhaltskontrolle, weil sie nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfinde. Tarifverträge stünden nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften im diesem Sinne gleich.
Folgen der Entscheidung
Arbeitgeber, die an einen Tarifvertrag gebunden sind, der den Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses im Folgejahr knüpft, können sich dem Arbeitnehmer gegenüber auf diese Klausel berufen. Die Tarifbindung kann auch durch Bezugnahme auf den jeweiligen Tarifvertrag herbeigeführt werden, wenn das Unternehmen in dessen Geltungsbereich fällt.
Oftmals werden Sonderzahlungen jedoch ohne tarifliche Grundlage gewährt.
Wie Arbeitgeber Sonderzuwendungen rechtssicher gewähren und unter welchen Bedingungen sie sich eine Rückzahlung vorbehalten können – dies (und vieles mehr) erfahren Sie zu unserem 9. Mitteldeutschen Arbeitsrechtsstammtisch.