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Anspruch eines Vereinsmitglieds auf Herausgabe der Mitgliederliste samt E-Mail-Adressen

Das OLG Hamm entschied mit Urteil vom 26. April 2023 - 8 U 94/22, dass ein Vereinsmitglied gegen den Verein Anspruch auf Übermittlung einer Mitgliederliste samt E-Mail-Adressen der Mitglieder hat. Dem stünde auch der Datenschutz nicht entgegen.

04.10.2023
Stiftungs- und Verbandsrecht
1. Hintergrund

Um das aus der Mitgliedschaft erwachsende Recht auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein wirksam auszuüben, kann es erforderlich sein, mit anderen Vereinsmitgliedern außerhalb der Mitgliederversammlung in Kontakt zu treten und sich zu organisieren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Minderheit das erforderliche Quorum nach der Satzung oder gemäß § 37 Abs. 1 BGB erreichen will, um die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu verlangen. Aber auch die Bildung einer Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung setzt die Möglichkeit der gemeinsamen Organisation außerhalb der Mitgliederversammlung voraus.

Bereits mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 – II ZR 219/09 – entschied der BGH, dass ein Vereinsmitglied in den genannten Fällen ein berechtigtes Interesse und daher einen Anspruch auf Übermittlung der Namen und Anschriften der Mitglieder des Vereins an einen Treuhänder hat. In den Urteilsgründen führte der BGH zudem aus, dass ein Vereinsmitglied auch selbst Einsicht in die Mitgliederliste nehmen und die Übermittlung der darin enthaltenen Informationen in elektronischer Form an sich selbst verlangen kann, ohne, dass dem datenschutzrechtliche Gründe entgegenstünden.

Vor dem OLG Hamm war nun die Frage zu klären, ob der Herausgabeanspruch zum Zwecke der Kontaktaufnahme auch die E-Mail-Adressen der anderen Vereinsmitglieder umfasst.

2. Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm hielt zunächst fest, dass die Satzung selbst keine Einschränkung hinsichtlich der Herausgabe von E-Mail-Adressen beinhaltete. Es ließ dabei allerdings offen, ob eine solche Einschränkung überhaupt rechtlich zulässig wäre.

Das Vereinsmitglied hatte laut dem OLG Hamm ein berechtigtes Interesse an der Herausgabe der E-Mail-Adressen und musste sich nicht auf andere Kommunikationswege, wie etwa ein vom Verein bereitgestelltes Internetforum oder einen Beitrag in der Vereinszeitschrift, verweisen lassen. Diese Mittel seien nicht in gleicher Weise für eine individuelle Kommunikation geeignet, wie ein Kontakt via E-Mail. Auch ein Anschreiben per Fax oder Brief sei einerseits nicht gleichgeeignet wie eine Kommunikation per E-Mail und anderseits heutzutage auch weitestgehend unüblich.

Der Herausgabe der Mitgliederliste samt E-Mail-Adressen stünden weder Interessen des Vereins noch der anderen Vereinsmitglieder entgegen. Die anderen Vereinsmitglieder hätten die Möglichkeit, sich gegen unerwünschte E-Mails anderer Vereinsmitglieder zu schützen. So könnten sie einerseits dem Verein keine E-Mail-Adresse mitteilen, wenn hierzu keine Pflicht besteht. Andererseits könnten sie die Mitteilung der E-Mail-Adresse an den Verein mit einem Weitergabeverbot verbinden oder eigens für die Tätigkeit im Verein eine separate E-Mail-Adresse einrichten. Schließlich könnten sie Absender von E-Mails als „Spam“ definieren oder blockieren.

Das OLG Hamm hielt die Übermittlung der Mitgliederliste mit den begehrten Daten auch mit den Vorgaben der DS-GVO für vereinbar. Die DS-GVO sei zwar auf den Vorgang anwendbar, weil die herausverlangte Mitgliederliste personenbezogene Daten i. S. v. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO beinhalte. Die Übermittlung der Mitgliederliste sei aber vom Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO (Datenverarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags) gedeckt. Die Vereinsgründung bzw. der Vereinsbeitritt begründe zwischen den Mitgliedern ein entsprechendes Vertragsverhältnis. Die Übermittlung einer Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen sei auch erforderlich, um die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zu erfüllen, die aus dem Mitgliedschaftsverhältnis resultieren.

Den Volltext des Urteils vom 26. April 2023 finden Sie hier

3. Praxishinweis

Aus der Entscheidung des OLG Hamm folgt nicht, dass einzelne Vereinsmitglieder generell einen Anspruch auf Einsicht in die Mitgliederliste oder deren Übermittlung haben. Ein solcher Anspruch setzt ein berechtigtes Interesse voraus. Wann ein berechtigtes Interesse besteht, Kenntnis von Namen, Anschriften und/oder E-Mailadressen etc. der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt-generellen Klärung zugänglich, sondern auf Grund der konkreten Umstände des einzelnen Falls zu beurteilen.

Sofern das Vereinsmitglied danach zivilrechtlich gegenüber dem Verein einen Anspruch auf Einsicht oder Herausgabe entsprechender Daten hat, stellt die Weitergabe grundsätzlich keinen Verstoß gegen die Vorgaben der DS-GVO dar.

Gern unterstützen wir Sie bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines entsprechenden Einsichts- oder Herausgabeverlangens hinsichtlich der Daten von Vereinsmitgliedern.

Auch für weitere Fragen rund um das Vereinsrecht sowie den Datenschutz im Verein stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Wir beraten persönlich.

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Heike Nikolov
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Rechtsanwältin, Fachanwältin für IT-Recht, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht

esb Rechtsanwälte Strewe, Hänsel & Partner mbB

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