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Anerkennung einer ausländischen Stiftung – Die Versagung kann einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten begründen

Grundsätzlich ist für die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus ausländischen Rechts das (innerstaatliche) deutsche Recht maßgebend. Die Nichtanerkennung einer ausländischen Satzung, nur aus dem Grund, diese entspreche nicht dem Wortlaut der steuerlichen Mustersatzung (§ 60 Abs. 1 S. 1 AO), während sie materiell jedoch vergleichbare Feststellungen enthält, stellt eine (mittelbare) Diskriminierung dar und somit einen Eingriff in die unionsrechtlichen Grundfreiheiten.

26.04.2021
Sachverhalt

Der 6. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat sich in seinem Beschluss vom 4. Mai 2020, Az. 6 K 53/18 mit den Anforderungen an den deutschen Gemeinnützigkeitsstatus einer Stiftung ausländischen Rechts befasst. Er nimmt Bezug auf die Thematik vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Grundfreiheiten:

Eine rechtsfähige Stiftung österreichischen Rechts verfügt über Vermögen in Österreich und Deutschland. Unter Bezugnahme des Typenvergleichs unterliegt die Stiftung der (deutschen) Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG. Hierbei kam es ebenso zu einer Prüfung des österreichischen Gemeinnützigkeitsstatus. Stiftungszweck ist die Förderung von Kunst und Kultur, gemäß der Satzung werden mildtätige und gemeinnützige Ziele im Sinne der österreichischen Bundesabgabenordnung verfolgt. Die Satzung entspricht nicht vollständig der Mustersatzung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AO.

Feststellungen des Finanzgerichts (FG)

Das FG kam zu dem Ergebnis, dass das beklagte Finanzamt verpflichtet ist, einen Bescheid nach § 60a AO (Satzungsfeststellungsbescheid) zu erlassen und somit die Gemeinnützigkeit der Stiftung anzuerkennen. Ausgangspunkt und Maßstab der Gemeinnützigkeitsprüfung ist grundsätzlich das (innerstaatliche) deutsche Recht, unabhängig davon, ob die betroffene Körperschaft im Inland oder Ausland ansässig ist.

Die unionsrechtlichen Grundfreiheiten verpflichten zunächst nicht zur pauschalen Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus basierend auf ausländischem Recht. Demnach müsste die Satzung einer ausländischen Körperschaft unter anderem die in der Anlage 1 zu § 60 Abs. 1 Satz 2 AO bezeichneten Festlegungen enthalten (sog. steuerliche Mustersatzung). Die Finanzverwaltung lässt jedoch bei der Gemeinnützigkeitsprüfung einer inländischen Körperschaft kaum Abweichungen von der Mustersatzung zu (auch wenn feststeht, dass eine wörtliche Übernahme nicht geschuldet ist).

Nach Auffassung des FGs muss hier jedoch eine Beurteilung, d. h. eine einschränkende Auslegung des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO, im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten dahingehend erfolgen, dass ausländische Körperschaften typischerweise keine den Vorgaben des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO entsprechende Satzungsgestaltung aufweisen. Die Pflicht zur Vorlage einer solchen Satzung durch eine ausländische Körperschaft würde eine (mittelbare) Diskriminierung der ausländischen Körperschaften beinhalten, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung bestünde.

Für eine nicht in deutscher Sprache abgefasste Satzung muss daher genügen, wenn diese materiell vergleichbare Festlegungen enthält. In grenzüberschreitenden Sachverhalten muss dies, so der erkennende Senat, auch dann gelten, wenn die Satzung zwar in deutscher Sprache abgefasst, aber von der Mustersatzung abweichende Formulierungen enthält. Das FG prüft sodann die erforderlichen Vorgaben im Einzelnen ab.

Die Frage des Zusammenwirkens der Vorschriften anderer Staaten mit denen des deutschen steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts bei im Inland beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Stiftungen ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Der Senat hat daher die Revision zugelassen, das Verfahren ist nun unter dem Az.: V R 15/20 beim BFH anhängig. Über den weiteren Verfahrensgang werden wir Sie gern informieren.

Praxistipp

Selbst bei der Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus` inländischer Körperschaften müssen in der Praxis immer wieder sprachliche Hürden genommen werden. Nicht von ungefähr wird stets empfohlen, vor einer Beschlussfassung über die Satzung und vor der Beantragung des § 60a AO-Bescheides die steuerlichen Berater sowie insbesondere das Finanzamt zu konsultieren – und abzuwarten, ob das Finanzamt Anregungen zur Satzungsformulierung äußert. Umso schwieriger, geradezu unmöglich, erscheint die „Satzungshürde“ daher für ausländische Körperschaften mit Aktivitäten in Deutschland. Vor dem Hintergrund der Förderung der Gemeinnützigkeit (auch grenzüberschreitend) ist der Beschluss des FGs zu begrüßen. Zu beachten ist umgekehrt natürlich auch, dass in Deutschland ansässige Körperschaften grundsätzlich in anderen Mitgliedsstaaten wiederum nach deren innerstaatlichem Gemeinnützigkeitsrecht beurteilt werden müssen.

Den Volltext des Beschlusses finden Sie hier.

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