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Akteneinsicht und gegebenenfalls kostenlose Übersendung der Steuerakte des Finanzamtes aufgrund DSGVO?

Das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil v. 28. Januar 2020 - 12 K 213/19) äußert sich zum Auskunftsrecht in Steuersachen auf Grundlage der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Im Bereich des Steuerrechts erstrecke sich der sachliche Anwendungsbereich nur auf die im Unionsrecht harmonisierten Steuern, wie die Umsatzsteuer, und nicht auf rein national reglementierte Steuern, wie beispielsweise die Einkommensteuer. Das Urteil steht im Widerspruch zum Beschluss des FG Saarland vom 3. April 2019 (2 K 1002/16, EFG 2019, 1217). Die Revision wurde zugelassen.

24.04.2020

Sachverhalt

Die Kläger begehrten Einsicht in ihre Einkommensteuerakte beim beklagten Finanzamt (FA). Hintergrund der Informationsauskunft war der wechselseitige Schriftverkehr zwischen dem Finanzamt und deren steuerlichem Berater. Die Kläger stützten ihren Antrag auf Art. 15 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 2 DSGVO. Sie betonten, dass die Anwendung der DSGVO nicht nach Art. 2 Abs. 2 DSGVO ausgeschlossen sei. Die Anwendung derselben sei in Bezug auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zwar zweifelhaft, die Finanzverwaltung hätte jedoch mit BMF-Schreiben vom 12. Januar 2018 (BStBl I 2018, 185; ersetzt durch BMF-Schreiben vom 13. Januar 2020, IV A 3-S 0130/19/10017:004, 2019/1129406) eine Anwendung auf alle Steuerarten vorgesehen.

Das FA führte an, dass die Kläger schon deswegen keinen Anspruch auf Auskunft gegen das FA hätten, da die entsprechenden Steuerbescheide bereits Bestandskraft erlangt hätten und somit die Aufbewahrung nur aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erfolgen würde (Ausnahmetatbestand Art. 32c Abs. 1 Nr. 3a AO). Zudem sah das Finanzamt das Steuergeheimnis gefährdet, da die Auskunft über den vorliegenden Schriftverkehr letztlich auch die Daten eines Dritten, nämlich des steuerlichen Beraters, betreffen würde. Der steuerliche Berater würde hier zu einem schützenswerten Dritten im Sinne des § 30 AO, da die Kläger gegen ihn eine Schadensersatzklage anstreben.

Entscheidungsgründe des FG

Die Klage wurde vom FG abgewiesen. Das FG begründet seine Rechtsauffassung damit, dass sich der Anwendungsbereich der DSGVO gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a DSGVO nur auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit bezieht, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Dementsprechend sind die Vorschriften der DSGVO im Bereich des Steuerrechts nur auf harmonisierte Steuern, wie etwa die der Umsatzsteuer, anwendbar, nicht dagegen auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung natürlicher Personen. Diese Frage des sachlichen Anwendungsbereiches der DSGVO hatte das FG Saarland (Beschluss vom 3. April 2019, 2 K 1002/16, EFG 2019, 1217) seinerzeit noch nicht thematisiert.

Zudem schließt das FG Niedersachsen eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der DSGVO durch das BMF-Schreiben vom 12. Januar 2018 (ersetzt durch BMF-Schreiben vom 13. Januar 2020, IV A 3-S 0130/19/10017:004, 2019/1129406) aus, da die Finanzverwaltung nicht befugt sei, von den gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen. Dies sei auch nicht zugunsten des Steuerpflichtigen möglich, sondern nur dem Gesetzgeber vorbehalten. Daher ist eine etwaige Selbstbindung der Finanzverwaltung in dem entsprechenden Schreiben nicht gegeben.

Im Übrigen schließt das FG eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der DSGVO durch eine analoge Anwendung des § 2a Abs. 5 AO aus, da sich der dortigen Regelung nicht entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich in Bezug auf die nicht harmonisierten Steuern, wie der Einkommensteuer, hat ausdehnen wollen.

Ausblick

Die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH die Rechtssache dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorlegen wird. Spannend wird es, wenn der BFH auf der Grundlage von § 2a Abs. 5 AO eine analoge Anwendung der Vorschriften der DSGVO auf die nicht harmonisierten Steuern, wie z. B. der Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer, für möglich erachtet oder den Begriff der „Tätigkeit“ in Art. 2 Abs. 2 lit. a) DSGVO anders definiert als das FG.

Über den weiteren Fortgang werden wir Sie selbstverständlich informieren. Sollten Sie Fragen zum Thema haben, sprechen Sie uns gern an.

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