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Personengesellschaft als umsatzsteuerliche Organgesellschaft: EuGH erteilt Ansicht des BFH (V. Senat) und des BMF eine Absage

Seit dem Urteil des EuGH vom 16. Juli 2015 (C-108/14 und C-109/14) ist klar, dass auch eine Personengesellschaft als Organgesellschaft Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann (Newsbeitrag vom 28. Januar 2016 und 10. Juli 2017). Unklar war bisher nur, unter welchen Voraussetzungen dies konkret der Fall ist. Während der XI. Senat des BFH eine großzügigere Auffassung vertritt, schränken der V. Senat des BFH sowie die deutsche Finanzverwaltung den Anwendungsbereich bisher erheblich ein. Dieser einschränkenden Sicht erteilt der EuGH mit seinem Urteil vom 15. April 2021 (C-868/19) nun eine Absage.

1. Bisher: Personengesellschaft als Organgesellschaft nur unter engen Voraussetzungen

Nach bisheriger Auffassung des V. Senats des BFH, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat (Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE), können Personengesellschaften nur dann Organgesellschaften sein, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur finanziell in den Organträger eingegliederte Personen sind.

2. Neu: EuGH Entscheidung vom 15. April 2021 

Nach Auffassung des EuGH ist die enge Auslegung des V. Senats des BFH nicht unionsrechtskonform. Nach dem EuGH ist es nicht notwendig, dass alle Gesellschafter einer Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Das Unionsrecht verlangt „nur“ eine enge finanzielle Verbundenheit. Im EuGH-Fall war die mögliche Organträgerin (eine GmbH) Kommanditistin einer GmbH & Co. KG und hatte in der Gesellschafterversammlung der KG als mögliche Organgesellschaft die Mehrheit der Stimmen inne. Dadurch konnte sie ihren Willen in der KG durchsetzen. Dies genügt nach Auffassung des EuGH für eine enge finanzielle Verbundenheit zwischen Organträger und Organgesellschaft.

Weiter führt der EuGH aus, dass allein die theoretische Möglichkeit, den Gesellschaftsvertrag der KG mündlich dahingehend zu ändern, dass Beschlüsse einstimmig zu fassen sind, nicht genüge, um die finanzielle Verbundenheit abzulehnen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit – den der V. Senat des BFH noch betont hatte – stelle dieses Ergebnis nicht in Frage.

Auch zur Vermeidung von Steuerumgehungen sei die in Deutschland vorgesehene Regelung nicht gerechtfertigt. Es müsse vielmehr eine Reihe konkreter objektiver Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Praxis geben. Allein Beweisschwierigkeiten oder eine rein theoretische Gefahr genügen zur Rechtfertigung der deutschen Regelung nicht. Als mildere Mittel kommen nach Auffassung des EuGH vielmehr die Einführung eines Urkundenbeweises oder die Bewilligung der Organschaft durch die Finanzverwaltung in Betracht.

3. Praxishinweis

Das Urteil des EuGH widerspricht der gegenwärtigen Auffassung der Finanzverwaltung. Die Rechtsprechung des EuGH eröffnet somit ein größeres Anwendungsfeld für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Bis zur Umsetzung des Urteils durch die Finanzverwaltung haben Steuerpflichtige faktisch ein Wahlrecht, welcher Rechtsauffassung sie folgen wollen.

Ist eine Organschaft im konkreten Fall vorteilhaft, kann sich der Steuerpflichtige auf das vorliegende EuGH-Urteil berufen, trägt jedoch die Feststellungslast hinsichtlich der engen finanziellen Verbundenheit/Eingliederung. In einer entsprechenden Steuererklärung ist dann auf das Abweichen vom UStAE hinzuweisen. Die Finanzverwaltung wird dies zunächst nicht anerkennen.

Besteht kein Interesse an der Organschaft, kann sich der Steuerpflichtige weiterhin auf den UStAE berufen, da die Finanzämter daran gebunden sind. Unter den Voraussetzungen des § 176 AO dürfte zudem Vertrauensschutz bestehen.

Abzuwarten bleibt auch, wie der BFH in einem weiteren derzeit anhängigen Verfahren (V R 45/19) mit der neuen EuGH-Rechtsprechung umgehen wird. Wünschenswert wäre dann auch mehr Klarheit, wie mit anderen KGs, OHGs oder GbRs umzugehen ist.

Zudem sind inzwischen die von Bayern und NRW initiierten Reformbestrebungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft auf Antrag, die 2019 in einem Eckpunktepapier des BMF mündeten, derzeit wieder aufgegriffen worden (Ausgang offen). Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein Antragsverfahren mit der gesamten Mehrwertsteuergruppe als dann einzigem Steuerpflichtigen sehr zu begrüßen. Einziger Wermutstropfen hierbei: Die Reformbestrebungen sehen dann eine umfängliche gemeinsame Haftung aller Gruppenmitglieder gegenüber dem Fiskus für die Umsatzsteuer der Gruppe vor. Gern halten wir Sie über den Fortgang der Diskussion informiert.

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