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BFH: Rechtsprechungsänderung – Organschaft mit Tochterpersonengesellschaften

Mit seinem heute veröffentlichten Urteil vom 2. Dezember 2015 (V R 25/13) hat der BFH zu der lange umstrittenen Frage Stellung genommen, ob auch eine Personengesellschaft Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein kann.

I. Das Urteil in Kürze

Bislang musste es sich bei der Organgesellschaft um eine juristische Person handeln. Entgegen des Gesetzeswortlauts, seiner bisherigen Rechtsprechung und der Auffassung der Finanzverwaltung lässt der BFH nunmehr eine umsatzsteuerliche Organschaft auch mit Tochterpersonengesellschaften zu und folgt damit der Rechtsprechung des EuGH. Voraussetzung ist jedoch, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind.

Zwar stellt der BFH in einem ersten Schritt fest, dass die im deutschen Recht verankerte Einschränkung der Organschaft auf abhängige juristische Personen dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt ist, weil nur so einfach und rechtssicher über die Beherrschungsvoraussetzungen der Organschaft entschieden werden kann. Bei der juristischen Person ist dies durch das dort geltende Mehrheitsprinzip und die rechtliche Ausgestaltung von Gesellschaftsgründung und Anteilsübertragung gewährleistet. Demgegenüber gilt bei Personengesellschaften grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Zudem lassen sich Personengesellschaften im Grundsatz ohne Formzwang gründen, wobei Gesellschaftsanteile ebenso formfrei übertragen werden können.

Nach dem Urteil des BFH rechtfertigen diese Unterschiede aber nicht den Ausschluss auch von solchen Tochterpersonengesellschaften, an denen nur der Organträger und andere von ihm finanziell beherrschte Gesellschaften beteiligt sind. Dann ist die für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderliche Durchgriffsmöglichkeit des Organträgers selbst bei der – stets möglichen – Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet. Ist neben dem Organträger z.B. eine Personengesellschaft Mitgesellschafter, kommt es dementsprechend darauf an, dass auch in Bezug auf deren Gesellschafter eine finanzielle Eingliederung ausnahmslos – in einer bis zum Organträger reichenden Organkette – zu bejahen ist.

II. Auswirkungen auf die Praxis

Die Organschaft führt zu einer Zusammenfassung von herrschendem Organträger und abhängiger Organgesellschaft. Der Organträger ist allein für den gesamten Organkreis steuerpflichtig. Infolge der geänderten Rechtsprechung des BFH erweitert sich der Kreis der in die Organschaft einzubeziehenden Tochtergesellschaften.

Dies bietet insbesondere in Konzernstrukturen den Vorteil, dass es sich bei den im Organkreis erbrachten Leistungen um sog. nicht steuerbare Innenumsätze handelt. Die Umsätze und Aufwendungen aus den Geschäftsbeziehungen zu anderen Gesellschaften des umsatzsteuerlichen Organkreises können damit einheitlich ohne Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer gebucht und erklärt werden.

 Von großer Bedeutung ist die Organschaft daher auch für Unternehmensgruppen ohne Recht auf Vorsteuerabzug, wie etwa im Bank-, Versicherungs-, Krankenhaus- oder Pflegebereich. Aufgrund der Organschaft ist es Unternehmen in diesen Bereichen künftig möglich, die Umsatzsteuer(definitiv)belastung bei Intercompany-Leistungen zu reduzieren.

Sofern in der Satzung vom Einstimmigkeitsprinzip abgewichen wird, sollte es für das Vorliegen einer Organschaft ausreichend sein, wenn neben dem Organträger auch ein außenstehender Dritter an der Personengesellschaft beteiligt ist, der über die erforderliche Mehrheit der Stimmrechte verfügt.

Aus haftungsrechtlicher Sicht führt eine umsatzsteuerliche Organschaft hingegen dazu, dass die Organgesellschaft nach § 73 AO beispielsweise für die Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Organträgers haftet.

In jedem Fall sollten Unternehmen prüfen, ob etwa bisher auf Einzelbasis veranlagte Personengesellschaften durch die geänderte Rechtsprechung des BFH als Organgesellschaft Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Organschaft mangels Wahlrechts „automatisch“ und unabhängig davon entsteht, ob sie unternehmensseitig gewünscht ist oder nicht. Abzuwarten bleibt, wie die Finanzverwaltung mit dem Urteil umgeht.

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