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Organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 7. März 2013 (BStBl. 2013 I S. 333) zur organisatorischen Eingliederung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft Stellung genommen. Dem waren mehrere Urteile des Bundesfinanzhofes (u.a. Urteil vom 5. Dezember 2007, BStBl. 2008 II S. 451, Urteil vom 20. August 2009, BStBl. 2010 II S. 863 und zuletzt Urteil vom 7. Juli 2011, BStBl. 2013 II S. 218) vorausgegangen, die die Finanzverwaltung in dem vorliegenden Schreiben aus ihrer Sicht systematsiert und kommentiert hat.

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person (z.B. GmbH oder AG) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. In diesem Fall bilden Organträger und Organgesellschaft ein einheitliches Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuerrechts mit der Folge, dass Umsätze innerhalb dieses Unternehmens nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

Bedeutend ist dies insbesondere dann, wenn auf Grund steuerfreier Ausgangsumsätze z.B. im Gesundheits-, Finanz- und Versicherungsbereich Einschränkungen hinsichtlich des Vorsteuerabzugs bestehen und die Umsatzsteuer auf bezogene Leistungen kostenerhöhend wirkt. Weiterhin kann die Implementierung einer umsatzsteuerlichen Organschaft zu einer Erhöhung der Vorsteuerquote und somit der abziehbaren Vorsteuer führen.

Für die Anerkennung einer umsatzsteuerlichen Organschaft müssen alle drei Eingliederungsmerkmale vorliegen. Dabei ist eine Organschaft aber auch dann anzuerkennen, wenn eines der drei Merkmale nicht vollständig ausgeprägt ist, dafür die anderen Merkmale umso eindeutiger vorliegen (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 1 UStAE).

Durch die Präzisierung und weitere Verschärfung der Voraussetzungen für die organisatorische Eingliederung durch den BFH kann es nun sein, dass dieses Eingliederungsmerkmal nicht mehr gegeben ist und die Organschaft von der Finanzverwaltung nicht anerkannt wird. Daher sollten alle bestehenden Organschaften bis spätestens zum Ablauf der Übergangsregelung am 31. Dezember 2013 auf das Vorliegen der drei Eingliederungsmerkmale überprüft werden, damit es nicht zu einer ungewollten Beendigung der Organschaft und damit möglicherweise verbundenen Steuernachforderungen kommt.

2. Organisatorische Eingliederung

Die organisatorische Eingliederung setzt nach dem vorliegenden BMF-Schreiben vom 7. März 2013 voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet. Die organisatorische Eingliederung kann sich dabei aus folgenden Gestaltungen ergeben:

2.1 Personelle Verflechtung der Geschäftsführungen

Bei Personenidentität der Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft kann grundsätzlich von einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden. Ausreichend ist dabei, wenn einzelne Geschäftsführer des Organträgers gleichzeitig die (alleinige) Geschäftsführung der Organgesellschaft übernehmen, d.h. es muss Personalunion aus Sicht der Organgesellschaft bestehen. Die Personalunion wird von der Verwaltung als Regelfall der organisatorischen Eingliederung angenommen. In der Praxis wird dies wohl – gerade bei komplexen Unternehmensstrukturen – eher die Ausnahme sein, da eine gewissenhafte Ausübung der Geschäftsführungsfunktion schon allein aus Zeitgründen nicht bei allen Organgesellschaften möglich sein wird.

Sind in der Organgesellschaft neben einem Geschäftsführer des Organträgers ein oder mehrere Fremdgeschäftsführer eingesetzt, so ist für das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung die Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnisse im Innenverhältnis der Organgesellschaft entscheidend. Grundsätzlich sollten die Fremdgeschäftsführer keine Einzelvertretungsberechtigung haben. Anderenfalls muss durch schriftlich fixierte Maßnahmen sichergestellt sein, dass ohne Zustimmung des Geschäftsführers des Organträgers keine Handlungen gegen den Willen des Organträgers vorgenommen werden dürfen.

2.2 Eingliederung durch Entsendung leitender Mitarbeiter

Neben der Personalunion der Geschäftsführer kann sich die organisatorische Eingliederung auch durch die Entsendung leitender Mitarbeiter des Organträgers in die Geschäftsführung der Organgesellschaft ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009). Die Rechtsprechung ging hier von der Annahme aus, dass der leitende Mitarbeiter auf Grund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit die Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft befolgen wird und er bei weisungswidrigen Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden kann.

Nicht ausreichend ist, wenn ein leitender Mitarbeiter des Organträgers nur Prokurist bei der Organgesellschaft ist und deren einziger Geschäftsführer ein Fremdgeschäftsführer ist.

Der Begriff des leitenden Mitarbeiters wurde aber weder vom BFH noch von der Finanzverwaltung genauer definiert, so dass hier weiterhin Unsicherheiten bei der Auslegung bestehen bleiben. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist ein zum Organträger bestehendes Arbeitsverhältnis, aus dem sich eine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit ergibt. Dies ist aber nicht nur bei leitenden Mitarbeitern der Fall, sondern bei allen Arbeitnehmern. Eine pauschale Beurteilung, in welchen Fällen die Entsendung eines (leitenden) Mitarbeiters in die Geschäftsführung der Organgesellschaft eine organisatorische Eingliederung begründet, wird u.E. auch weiterhin nicht möglich sein. Vielmehr wird auf Grund der von diesem Mitarbeiter ausgeübten Rolle und Funktion beim Organträger und seiner Anbindung an die Geschäftsführung zu entscheiden sein, ob die Voraussetzungen für eine organisatorische Eingliederung vorliegen oder nicht. Da die Ausübung des Weisungsrechts durch den Organträger ggf. gegen das Interesse eines ordentlichen Geschäftsführers der Organgesellschaft verstößt, sind im Arbeitsvertrag des leitenden Angestellten besondere Regelungen zu treffen. Sofern Sie es wünschen, sind wir Ihnen dabei gern behilflich.

2.3 Eingliederung durch andere organisatorische Maßnahmen

In Ausnahmefällen kann auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien eine organisatorische Eingliederung gegeben sein. Voraussetzung für diese schwächste Form der organisatorischen Eingliederung ist, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind.

Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages nach § 291 AktG oder bei einer Eingliederung nach §§ 319, 320 AktG kann von einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden. Zu beachten ist, dass nach Abschn. 2.8 Abs. 10 UStAE Teilbeherrschungsverträge nicht ausreichend sind. Außerdem muss die Beherrschung auch tatsächlich gelebt werden. Zum Nachweis dieser Voraussetzung empfiehlt es sich, gerade in grenzwertigen Fällen zu dokumentieren, dass erteilte Weisungen tatsächlich durchgeführt wurden.

Zudem ist mit dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages untrennbar die Pflicht verbunden, Bilanzverluste des beherrschten Unternehmens auszugleichen, § 302 Abs. 1 AktG. Soweit der Organträger eine gemeinnützige Körperschaft ist, ist dabei besonders darauf zu achten, dass sich hieraus keine nachteiligen Folgen auf die bestehende Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft ergeben. Soweit möglich, sollte eine andere Form der organisatorischen Eingliederung gewählt werden. Gleiches gilt, wenn das operative Geschäft der Organgesellschaft mit möglicherweise existenzgefährdenden Risiken verbunden ist und die Tochterkapitalgesellschaft gerade zur Risikoabtrennung errichtet worden ist.

Die organisatorische Eingliederung kann sich weiterhin durch schriftliche Vereinbarungen wie z.B. einer Geschäftsführerordnung oder einer Konzernrichtlinie ergeben. Der Organträger muss hierdurch in der Lage sein, seine Entscheidungsbefugnis gegenüber Dritten nachzuweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschaft bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar zu machen.

Nicht ausreichend für das Begründen einer organisatorischen Eingliederung sind für sich genommen u.a.:

  • dass sich aus der finanziellen Eingliederung ergebende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss
  • die vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung über die Geschäftsführung
  • Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung, z.B. auf Grund einer Geschäftsführerordnung
  • Zustimmungserfordernisse bei außergewöhnlichen Geschäften
  • das bloße Recht zur Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern ohne weitergehende personelle Verflechtung des Geschäftsführungsorgans.

Gleichwohl kann aber beim Hinzutreten weiterer Maßnahmen wie z.B. schriftliche Vereinbarungen über Entscheidungsbefugnisse eine organisatorische Eingliederung durch diese Maßnahmen erreicht werden. Entscheidend sind auch hier die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.

Die organisatorische Eingliederung im Wege vom sonstigen schriftlichen Vereinbarungen (Vereinbarungspaket) ist die mit Abstand schwächste Form der Eingliederung. Sie wird in der Praxis durch die Finanzverwaltung am häufigsten in Frage gestellt. Idealerweise sollte diese Form im Wege einer verbindlichen Auskunft abgesichert werden, wenn die umsatzsteuerliche Organschaft unverzichtbar ist und durch keine andere Form der organisatorischen Eingliederung erreicht werden kann.

3. Anwendungszeitraum und abschließende

Empfehlungen

Das BMF-Schreiben ist rückwirkend ab dem 1. Januar 2013 in allen offenen Fällen anzuwenden. Eine bis einschließlich 31. Dezember 2013 geltende Übergangsregelung sieht folgendes vor:

Soweit die am Organkreis beteiligten Unternehmer vor dem 1. Januar 2013 unter Berufung auf die bisher geltenden Grundsätze in Abschnitt 2.8 Abs. 7 UStAE übereinstimmend von einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen sind, wird es für vor dem 1. Januar 2014 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet, wenn insoweit weiterhin eine umsatzsteuerliche Organschaft angenommen wird.

Das bedeutet, dass bei allen bestehenden Organschaften geprüft werden sollte, ob die Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung nach den neuen Grundsätzen der Finanzverwaltung weiterhin gegeben sind. Soweit dies fraglich ist, sollten entsprechende gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Anderenfalls besteht das Risiko, dass im Rahmen einer steuerlichen Prüfung die umsatzsteuerliche Organschaft nicht anerkannt wird und (rückwirkend) Umsatzsteuer auf die im vermeintlichen Organkreis erbrachten Leistungen festgesetzt wird.

Selbst wenn beide betroffenen Gesellschaften zu einem vollumfänglichen Vorsteuerabzug berechtigt sind, führt die rückwirkende Aberkennung der umsatzsteuerlichen Organschaft zu einem Liquiditätsnachteil und bei Verzinsung der Steuernachforderungen zu einer Liquiditätsbelastung, da zum Vorsteuerabzug ordnungsgemäße Rechnungen einschließlich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer vorliegen müssen .

Erlauben Sie uns abschließend noch den Hinweis, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft zu einem Haftungsverbund führt. So haftet beispielsweise die Organgesellschaft für die Umsatzsteuer­ver­bind­lich­keiten des Organträgers.

Gern sind wir bereit, Sie bei der Überprüfung der Eingliederungsvoraussetzungen zu unterstützen. Für Rückfragen und weitergehende Informationen stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.

Ansprechpartner:

Sören Münch, Steuerberater

Doreen Adam, Steuerberaterin

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Doreen Adam
Doreen Adam

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für das Gesundheitswesen (DStV e. V.)

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