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Zur Zulässigkeit der Verlustverrechnung im Rahmen des Querverbundes: Das Urteil des FG Köln, Urteil vom 9. März 2010, 13 K 3181/05, n.rkr.

Die öffentliche Hand darf nur unter engen Voraussetzungen Gewinne und Verluste aus unterschiedlichen Tätigkeiten steuerlich miteinander verrechnen.

Die öffentliche Hand darf nur unter engen Voraussetzungen Gewinne und Verluste aus unterschiedlichen Tätigkeiten steuerlich miteinander verrechnen. Dies gilt für alle Tätigkeiten der öffentlichen Hand (Versorgung, Entsorgung, ÖPNV, Bäder, Stadthallen etc.) unabhängig von der Rechtsform, in der sich die öffentliche Hand betätigt, unabhängig davon, ob die Gewinne und Verluste vor oder nach der Neuregelung im Jahressteuergesetz 2009 entstanden sind und wie die Verrechnung im Einzelfall herbeigeführt wird.

Für Veranlagungszeiträume bis 2008 ist in der Praxis die Frage umstritten, welche Folgen die rückwirkende Geltung des neuen § 8 Abs. 7 KStG n.F. hat. Die Vorschrift bestimmt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit, mit der die öffentliche Hand oder ein von ihr mehrheitlich beherrschtes Unternehmen Dauerverluste erzielt, u.a. dann nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung und damit zur Eliminierung der Verluste im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung führen soll, wenn die Verluste auf verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen beruhen. Die Vorschrift ist rückwirkend auf alle offenen Veranlagungen anzuwenden, § 34 Abs. 6 Satz 8 KStG.

In dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Urteil des FG Köln vom 9. März 2010 hatte eine kommunale Gesellschaft unter anderem eine Ver- und Entsorgungssparte und zwei Parkhäuser betrieben, die sie von der Kommune gepachtet hatte. Die Dauerverluste aus dem Betrieb der Parkhäuser wurden mit den Gewinnen aus der Versorgungssparte verrechnet.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, eine Verlustverrechnung zwischen beiden Tätigkeiten komme nicht in Betracht, weil die Parkraumbewirtschaftung durch die Gesellschaft kein Verkehrsbetrieb sei. Diesen unterhalte wegen der bestehenden Betriebsaufspaltung bereits die Kommune; folglich könne ihn nicht auch die Gesellschaft unterhalten. Mithin sei eine Verlustverrechnung zwischen den beiden Betätigungen ausgeschlossen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, es liege selbstverständlich ein Verkehrsbetrieb vor. Im Übrigen sei das Finanzamt auch wegen § 8 Abs. 7 i. V. m. § 34 Abs. 6 Satz 8 KStG gehindert, eine vGA anzunehmen, weil für die Verluste der Parkhäuser verkehrspolitische Gründe maßgebend seien. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes handele es sich bei der Vorschrift nicht um eine neue Beihilferegelung im Sinne von Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (Art. 108 Abs. 3 AEUV), die solange nicht angewandt werden darf, wie die EU-Kommission nicht hierüber entschieden hat.

Das Finanzgericht Köln wandte auf den Sachverhalt, der die Veranlagungszeiträume 1999 und 2001 betraf, die damals geltende Rechtslage ergänzt um § 8 Abs. 7 KStG n.F. an. Grundsätzlich hätte das Finanzgericht nach der bisherigen Rechtsprechung (insbesondere BFH, Urteil vom 22. August 2007, I R 32/06, BStBl. II 2007, 961) eine vGA in Höhe der Verluste aus der Parkraumbewirtschaftung annehmen müssen. Hieran sah sich das FG jedoch wegen der nunmehr rückwirkenden Anwendbarkeit des § 8 Abs. 7 KStG n.F. gehindert. Eine vGA scheide danach aus. Im Übrigen sei die Vorschrift auch aus EU-rechtlicher Sicht anwendbar, denn es liege keine neue Beihilfe vor. Vielmehr werde die alte Praxis der Finanzverwaltung lediglich fortgeschrieben. Letztlich ergebe sich im Streitfall auch keine Ausweitung der Verrechnungsmöglichkeiten im Querverbund, weil die Verluste auch nach alter Verwaltungsauffassung verrechenbar gewesen wären: Die Parkraumbewirtschaftung sei ein Verkehrsbetrieb und folglich mit Gewinnen aus der Versorgungssparte verrechenbar.

Die Bedeutung des Urteils liegt in der rückwirkenden, uneingeschränkten Anwendung des § 8 Abs. 7 KStG n.F. für Mehrspartengesellschaften. Verallgemeinert man die Grundsätze des Urteils, so muss man wohl zu dem Ergebnis gelangen, dass Verluste aus einem Dauerverlustgeschäft rückwirkend voll mit Gewinnen aus anderen

Tätigkeiten der öffentlichen Hand verrechenbar sind, allerdings nur sofern dies nicht im Einzelfall zu einer neuen Beihilfe im Sinne von Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (Art. 108 Abs. 3 AEUV) führt.

Ab die Finanzverwaltung gegen das Urteil Revision eingelegt hat, konnte unsererseits noch nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls ist sie noch nicht beim BFH anhängig. Der Ausgang eines eventuellen Revisionsverfahrens erscheint weitgehend offen. Der Ausgang muss vor allem deswegen als offen bezeichnet werden, weil sich der Senat nicht mit der Auffassung der Finanzverwaltung befasst hat, wonach § 8

Abs. 7 KStG im Ergebnis einer systematischen und historischen Auslegung nur auf Einspartengesellschaften anwendbar ist, weil ansonsten auch die Spartenrechnung hätte rückwirkend eingeführt werden müssen. Daneben dürfte sich in vielen Fällen – bei einer Anwendung der Urteilsgrundsätze über den Streitfall hinaus – durchaus eine Erweiterung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten im Querverbund ergeben, denn mit der vom FG gewählten Begründung müssten nunmehr grundsätzlich auch Verluste aus anderen Tätigkeiten als einem Verkehrsbetrieb (etwa aus Bädern) mit Gewinnen aus einem Versorgungsbetrieb verrechenbar sein.

Allerdings muss dann möglicherweise die Antwort auf die Frage, ob eine neue Beihilfe vorliegt, anders ausfallen, denn Verluste aus Bädern waren nach alter Rechtslage grundsätzlich nicht (Ausnahme: wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht) mit Gewinnen einer Versorgungssparte verrechenbar. Entscheidet die EU-Kommission deswegen später, dass eine unzulässige Beihilfe vorliege, müsste das Finanzamt die durch die Verrechnung gewährten Steuervorteile zurückfordern. Letztlich erscheint der Ausgang des Revisionsverfahrens auch deswegen als offen, weil er dem BFH Anlass dazu bieten könnte, beispielsweise über die EU-Rechtskonformität der Neuregelung grundsätzlich nachzudenken.

Betroffene Unternehmen der öffentlichen Hand, denen seitens der Finanzverwaltung die steuerliche Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus unterschiedlichen Tätigkeiten verwehrt wird, sollten die Veranlagungen bis zur Entscheidung des BFH im o.g. Revisionsverfahren offen halten. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH zu beantragen.

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Dr. Ralph Bartmuß, Rechtsanwalt, Steuerberater

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