Die Freude über den am 22. Juni 2017 von den Finanzministern der Bundesländer erfolgten Beschluss, dass auch nach der Neuregelung-§ 2b UStG auf Entgelte für Abwasser und Abfall keine Umsatzsteuer erhoben wird, wird durch das fast zeitgleich ergangene Schreiben vom 21. Juni 2017 des BMF in gewisser Hinsicht überschattet.
Umsatzbesteuerung der Abwasser- und Abfallentsorgung
Die Finanzminister der Bundesländer haben am 22. Juni 2017 mehrheitlich entschieden, dass auch weiterhin auf Entgelte für Abwasser und Abfall keine Umsatzsteuer erhoben wird (PM Nr. 17-011 der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin zu § 2b UStG vom 22. Juni 2017). Die seit mehreren Monaten energischen Bemühungen der Kommunalen Spitzenverbände in dieser Richtung haben sich nunmehr ausgezahlt.
Hintergrund
Das BMF beabsichtigte in seinem Schreiben vom 16. Dezember 2016 zur Neuregelung des § 2b UStG, die bislang nicht umsatzsteuerbaren Entgelte für Abwasser und Abfall ab dem Jahre 2021 der Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn die leistungsausführende Einrichtung der Kommune „zivilrechtliche Preise“ in Rechnung stellt, anstatt per Gebührenbescheid „öffentlich-rechtliche Gebühren“ zu erheben. Hierzu verweisen wir auf die Anmerkungen in unserem Newsbeitrag vom 21. Dezember 2016.
Begründung
Auf Antrag der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin haben sich die Finanzminister der Bundesländer beraten. Die Entscheidung zur Nichtumsatzsteuerbelastung der Entgelte für Abwasser und Abfall wurde wie folgt begründet:
- Im Mittelpunkt der rechtlichen Einordnung der Entgelte steht der Anschluss- und Benutzungszwang. Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Anbietern bzw. Wettbewerbsverzerrungen sind daher ausgeschlossen.
- Wäre man dem Ansatz des BMF gefolgt, hätte es zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen können, da durch die Umsatzsteuerpflicht die Abwasser- und Müllentsorgungsunternehmen aufgrund eines möglichen Vorsteuerabzugs geringfügig entlastet worden wären. Das hätte wiederum einen gewissen Druck zur Umstellung auf privatrechtliche Entgelte bedeutet, wodurch die privaten Endverbraucher durch die 19% Umsatzsteuer zusätzlich belastet worden wären.
- Die Kommunen in den meisten Bundesländern entscheiden allein, ob öffentlich-rechtliche Gebühren erhoben oder zivilrechtliche Preise berechnet werden. Nachteile für die Kunden sollten sich dadurch nicht ergeben.
Die Entscheidung zur Nichtsteuerbarkeit fiel wohl sehr knapp aus. Die Vermutung liegt somit nahe, dass uns dieses Thema in Zukunft nochmals beschäftigen könnte.
Gemeinsame Aufgabenerfüllung durch mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts (BMF-Schreiben vom 21. Juni 2017, IV C 2 – S 2706/14/10001)
Inhalt
Das BMF hat aufgrund des BFH-Urteils vom 25. März 2015 (I R 52/13) und nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder am 21. Juni 2017 ein Ergänzungsschreiben zur Frage der Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an Personengesellschaften (GbR) verfasst.
Es wird klargestellt, dass die Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPöR) an einer Mitunternehmerschaft zu einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) bei der jPöR führt, wenn die Tätigkeiten der Mitunternehmerschaft mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Dies gilt unabhängig davon, dass die Tätigkeit der Mitunternehmerschaft – würde sie von der jPöR unmittelbar selbst ausgeübt – nach § 4 Abs. 5 KStG hoheitlich (bspw. Entsorgung von Abfällen und Abwasser) wäre und folglich zu keinem BgA führen würde (vgl. Rz. 2). Die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht leitet das BMF aus dem Umstand ab, dass die jeweiligen Kommunalabgabengesetze der Länder eine Verzinsung des Anlagekapitals vorsehen. Außerdem sind bestimmte kalkulatorische Kosten gebührenfähig.
Mithin führen Zusammenschlüsse von zwei oder mehr juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur gemeinsamen Ausübung von hoheitlichen Tätigkeiten nunmehr zu Mitunternehmerschaften und damit zu einem steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art bei der Kommune etc. Diese Fälle der Mitunternehmerschaft hatten bisher keinen BgA begründet (vgl. R 6 Abs. 25 Satz 5 KStR 2004).
Es bleibt festzuhalten, dass jedoch generell kein BgA begründet wird, für
- einzelne Tätigkeiten der Mitunternehmerschaft, die ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden (vgl. Rz. 8)
- Personengesellschaften, die mit fehlender Gewinnerzielungsabsicht tätig sind, da hierdurch keine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG begründet werden kann (vgl. Rz. 10)
- eine Mitunternehmerschaft, die eine Tätigkeit i.S.d. § 13 EStG (Land- und Forstwirtschaft) ausübt (vgl. Rz. 4)
oder
- eine Mitunternehmerschaft, die als selbständige Tätigkeit vermögensverwaltend (Halten von Beteiligungen) tätig wird (vgl. Rz. 6)
Anwendungsregelung
Das BMF-Schreiben vom 21. Juni 2017 ist in allen noch offenen Fällen ab dem Veranlagungs-/Erhebungszeitraum 2009 anzuwenden. Für noch bis 2008 offene Fälle gilt des BMF-Schreiben vom 8. Februar 2016 (BMF IV C 2 – S 2706/14/10001) entsprechend.
Ist bisher die Auffassung vertreten worden, dass kein BgA vorliegt, sind die Grundsätze der Rz. 2 Satz 2 und der Rz. 1 Satz 4 erstmals ab dem Veranlagungs-/Erhebungszeitraum 2018 anzuwenden (vgl. Rz. 13).
Zusammenspiel zwischen dem Inhalt der Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin zu § 2b UStG vom 22. Juni 2017 und dem BMF-Schreiben vom 21. Juni 2017
Bisher führte der Zusammenschluss von zwei Gemeinden (Mitunternehmerschaft) mit dem Ziel der gemeinsamen Durchführung einer Abfall- bzw. Abwasserentsorgung in den beiden Gemeindegebieten zu keiner Begründung eines BgA. Diese hoheitliche Tätigkeit unterlag weder der Körperschaft-/Gewerbesteuer (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG; § 2 GewStG), noch der Umsatzsteuer (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 UStG a.F. / § 2b UStG – Optionserklärung).
Aufgrund des BMF-Schreibens vom 21. Juni 2017 wird in unserem o.g. Beispielsfall ein BgA begründet, welcher nunmehr in allen offenen Fällen bzw. spätestens ab dem Kalenderjahr 2018 der Umsatzbesteuerung unterliegt. Mangels vorliegender Steuerbefreiungsregelungen ist der Umsatz des BgAs steuerpflichtig mit 19 % Umsatzsteuer.
Durch die Reformierung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand im § 2b UStG wird für umsatzsteuerliche Zwecke spätestens ab dem Jahre 2021 nicht mehr auf das Vorliegen eines BgA bei jPöR abgestellt. Für die Umsatzsteuererhebung ist nunmehr u.a. von entscheidender Bedeutung, ob die jPöR ihre Tätigkeiten im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Gewalt ausübt (vgl. § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG). Aufgrund des neuen BMF-Schreibens vom 21. Juni 2017 ist in unserem o.g. Beispiel nunmehr die GbR der Leistungserbringer. Vor dem Hintergrund, dass eine GbR nach aktueller Auffassung der Finanzverwaltung auch für steuerliche Zwecke nicht als Hoheits-/Aufgabenträger behandelt werden kann, ist keine hoheitliche Aufgabenerfüllung durch eine GbR gegeben. Dies hat zur Folge, dass für die Gemeinden bei der gemeinsamen Durchführung einer Abfall- bzw. Abwasserentsorgung in unserem o.g. Fall – trotz Übereinkunft der Finanzminister der Bundesländer vom 22. Juni 2017 – eine Umsatzbesteuerung der erzielten Entgelte vorzunehmen ist.
Sofern Sie Unterstützung bei der Prüfung des § 2b UStG bzw. Fragen zur Begründung oder zum Vorliegen eines BgA haben, zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen.
Ihre Ansprechpartner:
Dr. Ralph Bartmuß, Rechtsanwalt, Steuerberater
Cindy Budnick, Steuerberaterin