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08.06.2022
Das BMF verzichtet in seinen neuen Erlassen auf die Nennung und Anwendung der sogenannten Ewigkeitsklausel. Damit gibt es künftig einen einheitlichen zehnjahres-Zeitraum durchgängig auf allen Ebenen (kein Kaskadeneffekt). Das ist grundsätzlich zu begrüßen.
Weiterhin stellt das BMF klar: § 1 Abs. 2b GrEStG hat Vorrang vor der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG, sodass beim Signing (Kaufvertrag, schuldrechtliche Verpflichtung zur Anteilsübertragung) grundsätzlich keine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfolgen muss, wenn das Closing (Abtretung, dinglicher Anteilsübergang) innerhalb eines Jahres stattfindet. Erfolgt dieses jedoch später, beträgt der Zeitraum also mehr als ein Jahr, dann sieht das BMF für den im Zeitpunkt des Signings ausgelösten Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG eine Änderung bzw. Aufhebung der Steuerfestsetzung vor.
Auch das ist im Ergebnis grundsätzlich zu begrüßen, führt jedoch zu erhöhtem Anzeigeaufwand. Selbst im einfachsten Fall des Erwerbs einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft sind zwingend bereits zwei Anzeigen zu erstellen:
Je komplizierter die Fälle werden (z.B. Erwerb von mehreren Schwestergesellschaften), desto mehr Anzeigen sind erforderlich. Betroffene Unternehmer sollten – neben dem Closing – stets bereits das Signing rechtzeitig, d.h. innerhalb von zwei Wochen, anzeigen.
Anderenfalls schlummern hier gerade bei Forward-Deals Risiken in Form von Verspätungszuschlägen bis hin zu Vorwürfen der leichtfertigen Steuerverkürzung. Denn häufig vergeht in diesen Fällen zwischen Signing und Closing mehr als ein Jahr, sodass nach Auffassung des BMF dann zunächst auch ein „Signing-Bescheid“ (§ 1 Abs. 3 GrEStG) ergeht.
In Bezug auf Doppelstockstrukturen ergibt sich grundsätzlich das Risiko einer grunderwerbsteuerlichen Doppelbelastung. Ein Beispiel: eine Muttergesellschaft ist zu 90% an einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft beteiligt. Nunmehr werden die Anteile an der Muttergesellschaft übertragen. Nach weit überwiegender Auffassung gehört grunderwerbsteuerlich das Tochtergrundstück auch zum Vermögen der Muttergesellschaft, wenn das Grundstück schon „da“ war. Dann wird zweimal Grunderwerbsteuer ausgelöst: in Bezug auf die Mutter nach § 1 Abs. 3 GrEStG und in Bezug auf die Tochter nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG. Zudem werden hier drei Anzeigepflichten ausgelöst: eine beim Signing (Erwerber), und zwei beim Closing, nämlich einmal bei der Tochter als tatsächlich grundbesitzende Gesellschaft und einmal bei der Mutter als fiktiv grundbesitzende Gesellschaft. Nur, wenn die Tochter erst später das Grundstück erwirbt, fällt nur einmal Grunderwerbsteuer an.
Weitergedacht weisen Mehrfachstrukturen demzufolge grundsätzlich das Risiko der Mehrfachbelastung mit Grunderwerbsteuer auf. Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden und klarstellen, dass die grunderwerbsteuerliche Zurechnung zu anderen, als den zivilrechtlichen Grundstückseigentümern aufgehoben wird.
Streitanfällig sind die Aussagen zu Fällen des Rechtsformwechsels, insbesondere in Bezug auf vermittelnde Gesellschaften.
Das BMF versucht die Fälle zu verhindern, in denen ein nicht grunderwerbsteuerbarer Formwechsel (z.B. aus einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft oder umgekehrt) dazwischengeschaltet wird, in dem es folgende Aussagen trifft:
Zu begrüßen ist grundsätzlich, die Abkehr von der sogenannten Ewigkeitsklausel und auch die Aussage, dass bei zeitlichem Versatz zwischen Signing und Closing (Grundstücksgleichheit vorausgesetzt) grundsätzlich nur einmal Grunderwerbsteuer anfällt.
Nachteilig ist der nunmehr erhöhte Anzeigeaufwand. In jedem Fall sollten betroffene Unternehmer stets auch bereits das Signing rechtzeitig anzeigen, um etwaige Verspätungszuschläge oder die Einleitung von Bußgeld- und Strafverfahren zu vermeiden. Sollte ein „Signing-Steuerbescheid“ (§ 1 Abs. 3 GrEStG) ergehen, sollte dieser unter Vorbehalts- bzw. Nachprüfungsvermerk stehen (§§ 164, 165 AO). Da bisher keine Einigkeit darüber besteht, ob es sich verfahrensrechtlich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 75 AO handelt, sollten betroffene Unternehmer bei „Signing-Steuerbescheiden“ aus Sicherheitsgründen Einspruch einlegen.
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