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Schleppendes Zahlungsverhalten und Vorsatzanfechtung

Ob und inwieweit ein schleppendes Zahlungsverhalten eines Kunden Anlass gibt, sich über eine spätere insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Zahlungseingänge Sorgen zu machen, hat der BGH in einer neuen Entscheidung (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – IX ZR 148/19 Urteil des IX. Zivilsenats vom 10.2.2022 - IX ZR 148/19) näher beleuchtet.

16.06.2022
1. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Über das Vermögen einer GmbH wurde am 30.10.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die GmbH stand vor der Eröffnung in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zu einer Spedition. Der Insolvenzverwalter verlangte von dieser 36 Einzelzahlungen, die auf Rechnungen für Transportleistungen der Spedition im Zeitraum 7.4.2014 bis 9.9.2015 zurückzuführen waren, zurück. Er berief sich dabei auf die Vorsatzanfechtung, § 133 Abs. 1 InsO. Der Verwalter verwies darauf, dass die GmbH spätestens Mitte 2013 zahlungsunfähig gewesen sei und bereits im Jahr 2013 Insolvenzanträge gestellt worden waren, die nur aufgrund der Zahlungen von Dritten abgewandt wurden. Zwar sei die Spedition nicht über die Insolvenzanträge aus dem Jahr 2013 und auch nicht über die konkrete finanzielle Situation der GmbH informiert gewesen. Allerdings kannte diese das Zahlungsverhalten der GmbH ihr gegenüber. Dieses Zahlungsverhalten sei durch ein dauerhaftes und im Wesentlichen gleichbleibendes schleppendes Begleichen der Forderungen gekennzeichnet gewesen. Die Spedition habe dementsprechend regelmäßig Mahnungen erteilt. In diesen Zusammenhang wurden auch rechtliche Schritte zur Durchsetzung der jeweiligen Forderung angekündigt. Tatsächlich eingeleitet wurden entsprechende Schritte aber zu keinem Zeitpunkt.

Der Verwalter trug vor, die Zahlungen seien mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners erbracht worden und der Betreiber der Spedition habe den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners aufgrund der schleppenden Zahlungsweise auch gekannt. Nachdem die zunächst angerufenen Gerichte der Argumentation des Verwalters gefolgt waren, wurde der Fall dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

2. Aus den Gründen:

Der BGH trat dem Verwalter entgegen und wies die Klage ab. Er verwies darauf, dass auch eine Anfechtung gemäß § 133 InsO vorliegend ausscheide. Nach § 133 InsO sei zwar eine Rechthandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor der Insolvenzantragstellung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn auch der andere Teil diesen Vorsatz kannte. Die Voraussetzungen seien aber nicht gegeben.

Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz des Schuldners seien innere Tatsachen, die regelmäßig nur mittelbar durch objektive Tatsachen hergeleitet werden können. Vorliegend könne in diesem Zusammenhang zwar die Anfang 2013 erfolgte Zahlungseinstellung herangezogen werden. Die einmal eingetretene Zahlungseinstellung wirke nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich auch fort, bis der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wiederaufnimmt. Die Ausnahme der zwischenzeitlichen allgemeinen Zahlungsaufnahme habe der Anfechtungsgegner darzulegen und zu beweisen. Diese Fortdauervermutung sei jedoch in Fallgestaltungen einzuschränken, in denen der Anfechtungsgegner nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm selbst gegenüber kennt, da dem Anfechtungsgegner nichts Unmögliches auferlegt werden darf. In diesen Fallgestaltungen obliege dem Verwalter eine sekundäre Darlegungslast, da er – im Gegensatz zum Anfechtungsgegner – alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm daher unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dieser sekundären Darlegungslast sei der Verwalter vorliegend nicht nachgekommen, sodass die Fortdauervermutung der Zahlungseinstellung nicht angenommen werden könne.

Zudem verwies der BGH darauf, dass das schleppende Zahlungsverhalten gegenüber dem Anfechtungsgegner selbst nicht reiche, die Annahme einer Zahlungseinstellung zu rechtfertigen. Dies gelte erst recht, wenn sich das schleppende Zahlungsverhalten auch auf Zeiträume erstreckt, in denen der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte. Denn in einem solchen Fall könne aus dem schleppenden Zahlungsverhalten nicht auf eine eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden. Insgesamt sei die Klage mithin abzuweisen.

3. Ausblick

Diese Entscheidung zeigt, dass der BGH seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung weiter neu ausrichtet und alte Pfade verlässt. Bislang konnte sich der Insolvenzverwalter darauf beschränken, die Zahlungseinstellung zu einem frühen Zeitpunkt zu belegen – und der Anfechtungsgegner war dann gehalten, die Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen darzulegen und zu beweisen. Dies war häufig ein aussichtsloses Unterfangen für den Anfechtungsgegner, da dieser regelmäßig weder nähere Kenntnisse zu den maßgeblichen Umständen noch Möglichkeiten zur weiteren Sachaufklärung hat. Indem der BGH nunmehr eine sekundäre Darlegungslast des Verwalters in Fallgestaltungen erkennt, in denen der Anfechtungsgegner nur das Zahlungsverhalten ihm selbst gegenüber kennt, setzt er hier neue Grenzsteine. Dieses Urteil wird mithin in der Praxis zu berücksichtigen sein. Gleiches kann für die Aussage gelten, dass das schleppende Zahlungsverhalten gegenüber dem Anfechtungsgegner allein nicht ausreicht, eine Zahlungseinstellung anzunehmen und eine Vorsatzanfechtung zu begründen – dies erst recht nicht, wenn dieses schleppende Zahlungsverhalten bereits vor dem Eintritt der Krise praktiziert wurde.

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Prof. Dr. Ulf Gundlach
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