Mit Entscheidung vom 7. März 2018 (Az. I R 12/16, veröffentlicht am 18. Juli 2018) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Minderungen der Anschaffungskosten des Einbringenden nach § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum zu einem negativen Wert führen können.
1. Sachverhalt
Der Geschäftsführer und alleiniger Anteilseigner einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hatte beschlossen, das Stammkapital der Gesellschaft durch Einbringung einer Einzelpraxis (Sacheinlage) von EUR 25.000 auf EUR 26.000 zu erhöhen. Das Vermögen ging wirtschaftlich am 31. August des Streitjahres auf die Gesellschaft über (steuerlicher Übertragungsstichtag 2. Januar des Streitjahres). Aufgrund des negativen Buchwertes des einzubringenden Betriebsvermögens in Höhe von EUR 56.750,70 verpflichtete sich der Geschäftsführer, eventuelle Kapitaldifferenzen auszugleichen. Im Rückwirkungszeitraum (2. Januar bis 30. August) ergab sich auf Ebene eingebrachten Einzelunternehmens ein negativer Saldo aus Einlagen und Entnahmen in Höhe von EUR 458.365,97. Das Finanzamt war der Auffassung, dass aufgrund des negativen Buchwertes des eingebrachten Betriebsvermögens nach § 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 7 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 der negative Saldo das Betriebsvermögen unter Berücksichtigung der Einlageverpflichtung nicht mindern dürfe und somit ein Aufstockungsgewinn in Höhe von EUR 458.365 (= Höhe des negativen Saldos der Entnahmen) entsprechend höhere Anschaffungskosten zu berücksichtigen wären. Das Hessische Finanzgericht stimmte dieser Sichtweise zu.
2. Urteil des BFH
Der BFH führte hingegen aus, dass der Saldo aus Einlagen und Entnahmen im Rückwirkungszeitraum dem (negativen) Buchwert des einzubringenden Betriebsvermögens nicht hinzugerechnet werden müsste. Zwar war der Buchwert des einzubringenden Betriebsvermögens nach § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2002 zu korrigieren. Die aufnehmende Gesellschaft hatte daher zutreffend eine Forderung gegen ihren Alleingesellschafter in Höhe von EUR 57.750,70 (Ausgleich negatives Eigenkapital in Höhe von EUR 56.750,70 zzgl. Erhöhung des Stammkapitals um EUR 1.000). Die Erhöhung des Stammkapitals ist zu berücksichtigen, da sich der Einbringende verpflichtet hatte, Kapitaldifferenzen auszugleichen. Der BFH weist jedoch darauf hin, dass der Regelungszusammenhang zwischen § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2002 und § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 nicht bedeute, dass § 20 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 2002 über seinen Wortlaut hinaus im Wege der teleologischen Extension auch dann anzuwenden wäre, sofern der negative Buchwert des eingebrachten Vermögens durch Entnahmen weiter gemindert wird. Somit ist nach Ansicht des BFH lediglich der negative Buchwert des eingebrachten Vermögens, nicht jedoch der negative Saldo aus Einlagen und Entnahmen auszugleichen. Dem Hessischen Finanzgericht sei aufgrund des dahingehend eindeutigen Wortlautes des § 20 Abs. 7 Sätze 2 und 3 UmwStG 2002 nicht zuzustimmen. Weiterhin sei dem Wortlaut des § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 nicht zu entnehmen, dass das Ergebnis der Einbringung nicht negativ sein könne. Der BFH sah auch nach wörtlicher und historischer Auslegung der Norm des § 20 Abs. 7 UmwStG 2002 davon ab, der Auffassung des Hessischen Finanzgerichts zu folgen. Insbesondere sei das durch den Gesetzgeber verfolgte Ziel, dass sich die im Rückwirkungszeitraum vorgenommenen Entnahmen und Einlagen bei einer späteren Veräußerung der Gesellschaftsanteile nicht erfolgswirksam auswirken sollen, auch bei Anerkennung negativer Anteilsanschaffungskosten nicht verfehlt.
3. Auswirkungen auf die Praxis
Mit dem Urteil wendet sich der Bundesfinanzhof gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, denn im so genannten Umwandlungssteuererlass (Rz. 20.19 des BMF-Schreibens vom 11. November 2011) ist die zwingende Gewinnrealisierung / Aufstockung eines negativen Saldos von Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum vorgesehen.
Auch wenn das Urteil zum UmwStG 2002 ergangen ist, dürfte das Urteil auch für das neue UmwStR gelten, da sich die Vorschriften insoweit entsprechen.
Durch dieses Urteil werden Umstrukturierungen vereinfacht. Bislang musste man bei derartigen Einbringungen im Vorfeld darauf hinweisen, dass die Entnahmen im Rückwirkungszeitraum einen bestimmten Betrag nicht übersteigen dürfen, um eine Aufstockung und damit eine Gewinnrealisierung zu vermeiden.
Sofern ein negativer Saldo aus Entnahmen und Einlagen im Rückwirkungszeitraum vorliegt, entstehen nunmehr negative Anschaffungskosten der im Rahmen der Einbringung neu gewährten Geschäftsanteile. Die „Überentnahmen“ werden dann im Falle einer Veräußerung der Anteile nachversteuert, da sie als negative Anschaffungskosten den Veräußerungsgewinn erhöhen. Man sollte daher diesen Umstand in der Gestaltungsberatung berücksichtigen und diese Anteile ggf. als letztes verkaufen.
Den Volltext des Urteils vom 7. März 2018 finden Sie hier.
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