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KG Berlin: Treuwidrige Zwangsabtretung eines Geschäftsanteils bei Pfändung

Besteht nach der Satzung einer Gesellschaft die Möglichkeit der Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung eines Gesellschaftsanteils für den Fall der Pfändung, kann dies gleichwohl gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen, wenn die Gesellschaft die Pfändung der Gesellschaftsanteile vorgenommen und damit selbst den Grund für die Zwangseinziehung beziehungsweise Zwangsabtretung geschaffen hat.

12.06.2020

1. Der Fall

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien – eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und ein Gesellschafter – um die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah vor, dass der Geschäftsanteil eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung eingezogen oder an die Gesellschaft abgetreten werden kann (Zwangseinziehung beziehungsweise Zwangsabtretung), wenn der Geschäftsanteil von „einem Gläubiger des Gesellschafters“ gepfändet wird. Zweck einer solchen Regelung ist, das Gesellschaftsvermögen vor dem Zugriff Dritter und damit den Gesellschafterkreis zu schützen.

Der Gesellschafter erwarb Geschäftsanteile an der GmbH zu einem Nominalwert von jeweils EUR 1,00 und verpflichtete sich darüber hinaus zu einer Zahlung eines „unechten“ Agios in Höhe von EUR 125.000,00. Bei einem Agio handelt es sich um ein Aufgeld, welches der Gesellschafter im vorliegenden Fall als Differenz zwischen dem Verkehrswert und dem Nominalwert der Geschäftsanteile zu zahlen hatte. Die Einlageverpflichtung auf die Geschäftsanteile sowie einen Teilbetrag des Agios in Höhe von EUR 75.000,00 erfüllte der Gesellschafter durch Zahlung. In Höhe des Restbetrages von EUR 50.000,00 rechnete der Gesellschafter gegenüber der GmbH mit einer anwaltlichen Honorarforderung in gleicher Höhe auf. Die Honorarforderung des Gesellschafters war streitig.

Die GmbH machte den Anspruch auf Zahlungen des (Rest-)Agios in Höhe von EUR 50.000,00 gegen den Gesellschafter klageweise geltend und erstritt ein vorläufig vollstreckbares Zahlungsurteil. Im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO pfändete die GmbH daraufhin die Geschäftsanteile des Gesellschafters. Kurze Zeit später beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile des Gesellschafters an die GmbH selbst und reichte eine Gesellschafterliste bei dem zuständigen Registergericht ein, welche den Gesellschafter nicht mehr aufführte.

Der Gesellschafter erhob Klage gegen den Gesellschafterbeschluss zur Zwangsabtretung seiner Geschäftsanteile und begehrte im Wege der einstweiligen Verfügung, der geänderten Gesellschafterliste einen Widerspruch zuzuordnen. Erstinstanzlich unterlag der Gesellschafter, hatte jedoch vor dem Kammergericht Erfolg.

2. Die Entscheidung

Das Kammergericht hatte sich im Kern mit der Frage zu beschäftigen, ob die geänderte Gesellschafterliste materiell unrichtig ist, § 16 Abs. 2 Satz 4 GmbHG.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung zur Zwangsabtretung des Geschäftsanteils des Gesellschafters anfechtbar ist, da der Beschluss gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten verstößt. Zwar schließe die Formulierung der Einziehungsklausel der GmbH-Satzung „von einem Gläubiger gepfändet“ die Pfändung durch die GmbH selbst nicht aus, die Pfändung müsse jedoch stets ultima ratio bleiben.

Ein entsprechender Beschluss zur Einziehung eines Geschäftsanteils könne auch bei Vorliegen der statutarischen Voraussetzungen gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen und allein deshalb anfechtbar sein. Dies gelte insbesondere dann, wenn der in der Satzung geregelte Grund nur als Vorwand dient, sich eines unliebsamen Gesellschafters zu entledigen.

Nach ganz herrschender Auffassung bestünde die sachliche Rechtfertigung für eine Satzungsregelung zur Zwangseinziehung in erster Linie darin, die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises zu schützen. Schließlich könne durch Verwertung eines Geschäftsanteils im Zuge der Zwangsvollstreckung gemäß § 857 Abs. 5 ZPO ein Dritter ohne Zutun der Altgesellschafter zum Gesellschafter werden.

Der Schutz des bestehenden Gesellschafterkreises sei hier aber gerade nicht das Ziel der Zwangsabtretung gewesen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die GmbH selbst den Geschäftsanteil des Gesellschafters nach § 720a ZPO pfändete, allerdings ohne die für die Befriedigung notwendige Sicherheit zu leisten. Die Gefahr des Erwerbs durch einen gesellschaftsfremden Dritten sei damit ausgeschlossen gewesen.

Zwar werde vereinzelt die Auffassung vertreten, die Zwangseinziehung diene bei Pfändung von Geschäftsanteilen auch dem Schutz vor Rufschädigungen der Gesellschaft, es lägen jedoch keine Umstände in Person des Gesellschafters vor, die eine Rufschädigung der GmbH zur Folge haben könnten. Die Zwangsabtretung basiere offenkundig nicht auf Zahlungsschwierigkeiten des Gesellschafters, sondern tatsächlich auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern.

Werde eine Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung eines Geschäftsanteils auf ein, durch den betroffenen Gesellschafter hervorgerufenes, tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern gestützt, müsse der entsprechende Gesellschafterbeschluss auf diesen wichtigen Grund in der Person des Auszuschließenden gestützt werden.

Die weitere Frage, ob sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im vorliegenden Fall für die GmbH eine Verpflichtung ergeben habe, vor Verwertung des Geschäftsanteils des Gesellschafters die Zwangsvollstreckung in dessen übriges Vermögen zu versuchen, ließ das Gericht offen.

3. Anmerkungen und Praxishinweis

Die Entscheidung des Kammergerichts unterstreicht die restriktive Auslegung von Einziehungsklauseln in Gesellschaftsverträgen. Der unfreiwillige Verlust der Gesellschafterstellung betrifft den Kernbereich der Mitgliedschaft und ist überhaupt nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig.

Satzungsregelungen zur Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung dienen – wenn auch nicht ausschließlich – in erster Linie dem Zweck, die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises zu gewährleisten und die Gesellschaft vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Sie dienen nicht der Befriedigung der Gesellschaft, auch und erst recht nicht gegenüber einem Gesellschafter.

Ergreift eine Gesellschaft selbst Maßnahmen, um die Tatbestandsvoraussetzungen ihrer statutarischen Einziehungs- beziehungsweise Zwangsabtretungsklausel herbeizuführen, kann der daraufhin folgende Ausschluss des betroffenen Gesellschafters gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten verstoßen.

Vor diesem Hintergrund sollte bei der Zwangseinziehung beziehungsweise Zwangsabtretung sowohl die Gesellschaft als auch der betroffene Gesellschafter besonders sorgfältig auf die Auslegung der Satzung sowie die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung achten.

Das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 9. März 2020, Az: 2 U 80/19 finden Sie hier.

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