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Keine Anwendung des § 13b UStG bei Bezug von Reisevorleistungen aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU

Ein inländischer Reiseveranstalter kann sich nach Auffassung des BFH hinsichtlich bezogener Reisevorleistungen eines in einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Unternehmers unmittelbar auf die Sonderregelung für Reisebüros gemäß Art. 306 ff. MwStSystRL berufen. Dies gilt auch, wenn entgegen den Regelungen des deutschen Umsatzsteuerrechts auf die erbrachte Leistung keine deutsche Umsatzsteuer entsteht und § 13b UStG damit keine Anwendung findet, da die Leistung nach dem Unionsrecht im Inland nicht steuerbar ist.

04.05.2018

Mit seinem Urteil vom 13. Dezember 2017 (XI R 4/16, veröffentlicht am 2. Mai 2018) weist der BFH die Revision gegen das Urteil des FG Niedersachsen vom 11. Juni 2015 (16 K 53/15) als unbegründet zurück.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine als Reiseveranstalter tätige GmbH, bezog Reisevorleistungen für in Deutschland ausgeführte Radtouren von einem österreichischen Unternehmer. Die Leistungen wurden ohne Ausweis österreichischer Umsatzsatzsteuer abgerechnet. Entsprechende Ausgangsumsätze besteuerte die Klägerin unter Anwendung der Margenbesteuerung gemäß § 25 UStG.

Das Finanzamt ging bei den bezogenen Reisevorleistungen von in Deutschland zu besteuernden Umsätzen und damit davon aus, dass die Klägerin die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schulde (Reverse-Charge-Verfahren).

Entscheidungsgründe

Der BFH stellte fest, dass sich der Leistungsempfänger unmittelbar auf die unionsrechtlichen Bestimmungen der Art. 306 ff. MwStSystRL berufen kann, auch wenn dieser nach den Vorschriften des nationalen Rechts die Steuer gemäß § 13b UStG schulde. Der Ort der Leistung bestimmt sich demnach nach dem Ort, an dem der Leistende seinen Sitz hat (Art. 307 MwStSystRL). Folglich sind die bezogenen Reisevorleistungen in Deutschland nicht steuerbar und allein in Österreich zu besteuern. Die unionsrechtliche Sonderregelung für Reisebüros ist auch für Reiseleistungen anzuwenden, die für einen Steuerpflichtigen erbracht werden, der diese für sein Unternehmen nutzt (B2B-Fälle). Über das Vertragsverletzungsverfahren berichteten wir bereits ausführlich auf unserer Homepage.

Damit bestätigte der BFH die Anwendbarkeit der Margenbesteuerung nun auch seitens des Leistungsempfängers in B2B Fällen noch vor dem Urteil des EuGHs vom 8. Februar 2018 zu dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Der Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Vorschriften und daraus folgend ein faktisches Wahlrecht zwischen der Anwendung EU-rechtlicher und nationaler Vorschriften, steht auch dem Empfänger von Reisevorleistungen zu und dies unabhängig davon, ob beim Leistenden tatsächlich die Margenbesteuerung stattgefunden hat. Eine daraus resultierende tatsächliche Nichtbesteuerung von Umsätzen sieht der BFH dabei als notwendige Folge an, da es sich nicht zu Lasten des Leistungsempfängers auswirken darf, wenn sich der Leistende auf eine für ihn günstigere nationale Regelung beruft.

Auch dass die ausgestellten Rechnungen keinen Hinweis auf die Anwendung der Sonderreglungen für Reisebüros nach § 14a Abs. 6 Satz 1 UStG enthalten, stehe überdies der Anwendung des Unionsrecht nicht entgegen.

Praxishinweis

Mit diesem bemerkenswerten Urteil des BFH wird dem Leistungsempfänger ein vom Leistenden unabhängiges Wahlrecht für Eingangsreiseleistungen zuerkannt, bei denen davon auszugehen ist, dass sie für Umsätze, die der Margenbesteuerung unterliegen, verwendet werden. Dieses Wahlrecht kann transaktionsbezogen ausgeübt werden; das heißt es muss nicht für alle Leistungen einheitlich ausgeübt werden. Auch eine Ermittlung der Marge gemäß Art. 308 MwStSystRL (Einzelmarge) für die mit den entsprechenden Reisevorleistungen in Verbindung stehenden (Ausgangs-)Umsätzen ist nicht notwendig.

Damit haben die deutschen Reiseveranstalter, die Reisevorleistungen aus dem EU-Ausland beziehen, die Chance § 13b UStG nicht anzuwenden, wenn der Leistende selbst Reiseleistungen im eigenen Namen entsprechend Art. 306 ff. MwStSystRL erbringt, also selbst Reisevorleistungen einkauft. Der bedeutendste Fall ist sicher der Einkauf von deutschen Hotelübernachtungen über ausländische Händler (Bettenbanken). Bei diesen kann nun unter Bezug auf das Unionsrecht die Besteuerung nach § 13b UStG unterbleiben.

Da die Steuer nach § 13b UStG auf Reisevorleistungen bei Anwendung der Margensteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf, stellt sie einen erheblichen Kostenfaktor bei den betreffenden inländischen Reiseveranstaltern dar.

Zwar dürfte das Urteil der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge sein, da es Steuerausfälle in Deutschland bedeutet; nach der inzwischen ergangenen Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren (zum Newsbeitrag 08.02.2018) gehen wir jedoch davon aus, dass es keinen Nichtanwendungserlass geben wird.

Zu beachten ist jedoch, dass die Berufung auf das Urteil nur in den Fällen die Anwendung des § 13b UStG verhindert, in denen der Leistungsempfänger tatsächlich unter die EU-Regelung der Margensteuer fällt, also insbesondere selbst Reisevorleistungen bezieht. Dies sollte bei Berufung aus diesem Urteil geprüft und dokumentiert werden.

Das neue Urteil bietet große Chancen auf Kostenersparnisse für deutsche Reiseveranstalter. Sprechen Sie uns an, wir unterstützen Sie gerne!

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