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Haftung des GmbH-Geschäftsführers für eigenmächtige Gehaltsänderung

Das OLG Brandenburg hatte in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2024 – 7 U 2/23 – über Schadensersatzansprüche einer GmbH gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer zu entscheiden, der eigenmächtig über mehrere Jahre hinweg Einmalzahlungen an sich anwies, weil er sein Geschäftsführergehalt für unangemessen niedrig empfand.

15.02.2024
Gesellschaftsrecht
I. Sachverhalt

Der Beklagte war der ehemalige Geschäftsführer der klagenden GmbH. Nach seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag aus dem Jahr 2000 erhielt er ein Jahresgehalt in Höhe von DM 60.000,00 und eine garantierte Tantieme in Höhe von DM 12.000, 00 pro Jahr.

Ende 2015 wies der Beklagte, ohne die Gesellschafterversammlung einzubeziehen, eine Mitarbeiterin an, ihm eine Einmalzahlung in Höhe von EUR 30.000,00 mit dem Gehalt für November abzurechnen und auszuzahlen. Im Jahr 2016 wies der Beklagte ebenfalls ohne Absprache an, eine Einmalzahlung in Höhe von EUR 35.000,00 mit dem Gehalt für November abzurechnen und an ihn auszuzahlen. In den Jahren 2017 bis 2019 erfolgten in gleicher Weise Einmalzahlungen in Höhe von jeweils EUR 35.000,00, so dass sich die Einmalzahlungen in Summe auf EUR 170.000,00 beliefen.

Der Beklagte verteidigte sich damit, dass das im Anstellungsvertrag vereinbarte Entgelt sittenwidrig niedrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig sei. Statt der im Vertrag vorgesehenen Vergütung von EUR 30.677,52 jährlich sei eigentlich ein Jahresgehalt von EUR 135.000,00 zuzüglich eines Tantiemenanspruchs in Höhe von EUR 39.780,00 angemessen gewesen. Darüber hinaus wären die Gesellschafter jedoch auch mit den Einmalzahlungen einverstanden gewesen. Schließlich waren diese aus den  Jahresabschlüssen ersichtlich und wurden somit durch die Feststellung der Jahresabschlüsse im Verhältnis zum Kläger gebilligt.

II. Die Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg hat der Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 70.000,00 aus § 43 Abs. 1 GmbHG zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

1. Kein Recht zur eigenmächtigen Änderung der Geschäftsführervergütung

Das Gericht hat zunächst festgehalten, dass die Veranlassung der Auszahlung einer nicht mit der Gesellschaft vereinbarten Vergütung eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers darstellt. Der Geschäftsführer habe u. a. die Pflicht, die eigenen Interessen von den Interessen des Unternehmens zu trennen. Die Frage, in welcher Höhe das zu zahlende Grundgehalt als angemessen anzusehen ist, unterliegt nicht der Berechtigung zur einseitigen Bestimmung des Leistungsinhaltes durch den Geschäftsführer.

Auf eine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung konnte sich der Beklagte nicht berufen. Ist ein vereinbartes Geschäftsführergehalt deutlich niedriger als branchenüblich führt dies für sich genommen nicht dazu, dass das vereinbarte Gehalt sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB und damit die Vergütungsvereinbarung nichtig ist. Denn neben einem objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung muss auch die Ausnutzung einer beim anderen Teil bestehenden Schwächesituation hinzukommen. Darüber hinaus ist für die Annahme der Nichtigkeit des Vertrages ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erforderlich. Verändert sich im Laufe der Zeit die Relation zwischen Unternehmensgröße und Geschäftsführergehalt durch ein Wachstum des Unternehmens rechtfertigt dies daher nicht die Annahme einer sittenwidrigen Vergütungsvereinbarung.

2. Entlastung schließt eine Haftung für einzelne Zeiträume aus

Das OLG hat eine Haftung des Beklagten für die Jahre 2015 bis 2017 abgelehnt,  weil ihm für diese Jahre Entlastung erteilt worden ist. Mit der Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus (sog. Präklusionswirkung).

3. Kein Haftungsausschluss durch Feststellung der Jahresabschlüsse

Für die Veranlassung der Zahlungen in den Jahren 2018 und 2019 hat das OLG den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von EUR 70.000,00 verurteilt. Die Haftung war dahingehend nicht ausgeschlossen, weil dem Beklagten für diese Jahre keine Entlastungen erteilt wurden und die bloße Feststellung der Jahresabschlüsse keinen Ausschluss von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer hat.

Nach Auffassung des OLG käme eine solche feststellende oder entlastende Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Parteien dies vereinbaren oder wenn ihnen schon vor der Feststellung des Jahresabschlusses bewusst ist, dass Uneinigkeit in Bezug auf eine Verbindlichkeit besteht. Fehle es aber an jeglicher Diskussion der Höhe des gezahlten Geschäftsführergehaltes, würden lediglich die geleisteten Zahlungen, nicht aber eine diesbezügliche „Entlastung“ des Gesellschafter-Geschäftsführers von der Rückforderung geleisteter Überzahlungen festgestellt.

III. Praxishinweis

Hält ein Geschäftsführer seine Vergütung für unangemessen niedrig, kann er diese grundsätzlich nicht eigenmächtig erhöhen. In Ausnahmefällen kann er aber gegenüber der GmbH einen Anspruch auf Anpassung seines Gehalts haben, wenn eine Anpassung der Vergütung an die veränderten Verhältnisse für eine verständige Weiterführung des Gesellschaftszwecks geboten erscheint.

Die Entlastung bezieht sich inhaltlich auf alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren, also auf Umstände, die die Gesellschafter durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten (z. B. erhöhte Spesenabrechnungen). Keine Entlastungswirkung tritt ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert. Die Beweislast für ein Entfallen der Präklusionswirkung aufgrund fehlender Erkennbarkeit liegt bei der Gesellschaft. Schließlich kann eine Entlastung ggf. auch im Falle einer späteren Insolvenz der Insolvenzanfechtung unterliegen.

Die Frage der Rechtswirkung der Feststellung des Jahresabschlusses außerhalb des Verhältnisses der Gesellschafter zur Gesellschaft ist strittig. Im Ergebnis ist dem OLG Brandenburg jedoch zuzustimmen, dass die Feststellung des Jahresabschlusses für Dritte keine Rechtswirkung entfaltet, wenn dies nicht gesondert vereinbart ist oder andere Umstände hinzutreten (vgl. zur Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses gegenüber Genussrechtsgläubigern: BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX ZR 247/19).

Gern beraten wir Sie zu den Themen Geschäftsführervergütung und Geschäftsführerhaftung sowie zur Feststellung des Jahresabschlusses und anderen Gesellschafterbeschlüssen.

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Dr. Gerrit Gös
Dr. Gerrit Gös

Senior Associate, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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