Fachnews
Gesetzesvorhaben zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwertes der Amtsgerichte

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) veröffentlichte am 6. März 2024 den Referentenentwurf (RefE) eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwertes der Amtsgerichte. Das Gesetz soll ab 2026 in Kraft treten.

14.05.2024
Rechtsberatung und Prozessführung
1. Zielstellungen

Ziele des Gesetzesentwurfes sind die Stärkung der Amtsgerichte in Zivilsachen und der Ausbau der Spezialisierung in der Justiz zur Förderung einer effizienten Verfahrensführung.

In Verfahren wegen bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreitigkeiten sind je nach Fallgestaltung die Amtsgerichte oder die Landgerichte als Eingangsinstanz zuständig. Für die Begründung der erstinstanzlichen Zuständigkeit ist vor allem der Zuständigkeitsstreitwert entscheidend. Dieser wird derzeit in § 23 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes auf Ansprüche festgelegt, deren Gegenstand an Geld oder Geldwert die Summe von EUR 5.000,00 nicht übersteigt. Diese Streitwertgrenze von EUR 5.000,00 für die Zuständigkeit der Amtsgerichte wurde seit mehr als 30 Jahren nicht mehr angehoben; sie wurde zuletzt im Jahr 1993 auf DM 10.000,00 festgesetzt.

Die Zahl der erstinstanzlich bei den Amtsgerichten eingegangenen Zivilverfahren geht allerdings in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurück – während 1993 noch rund 1.455.000 Neueingänge zu verzeichnen waren, ist diese Zahl um rund 48 % auf ca. 754.000 im Jahr 2021 gesunken. Unter Berücksichtigung der seit 1993 eingetretenen inflationsbedingten Geldwertentwicklung (die Teuerung im Zeitraum 1993 bis 2022 beträgt insgesamt ca. 62,3 %) soll eine Anhebung der Streitwertgrenze auf EUR 8.000,00 erfolgen, sodass die streitwertabhängigen Zuständigkeiten aus dem Jahr 1993 weitestgehend wiederhergestellt werden und sich die Anzahl der erstinstanzlich vor den Amtsgerichten zu verhandelnden zivilrechtlichen Verfahren wieder erhöht.

Zudem sollen streitwertunabhängige Zuweisungen in einzelnen, bestimmten Rechtsgebieten dazu beitragen, Verfahren effizient, spezialisiert und ressourcenschonend zu bearbeiten. Aktuell existieren derartige Zuweisungen bereits – z. B. liegt die Zuständigkeit für Streitigkeiten über Wohnraum-Mietverhältnisse unabhängig von der Höhe des Streitwertes bei den Amtsgerichten. Die Liste dieser Zuweisungen soll nun erweitert werden.

Dies ist sinnvoll, da die Streitigkeiten in vielen Sachgebieten immer komplexer und umfangreicher werden und daher eine besondere Fachkunde der Gerichte erfordern, wobei sich die Komplexität in diesen Sachgebieten in vielen Fällen unabhängig von der Höhe der Streitwerte ergibt. Es ist somit eine weitergehende Spezialisierung der Gerichte erforderlich.

In anderen Rechtsgebieten spielt dagegen eine besondere Ortsnähe eine wichtige Rolle. Bei Streitigkeiten im Nachbarrecht werden bspw. häufig Ortstermine nötig und die Parteien haben aufgrund der bestehenden Sozialbeziehung ein großes Interesse an der persönlichen Anwesenheit in der Verhandlung.

Die im Entwurf vorgesehenen streitwertunabhängigen Zuweisungen sollen derartigen Umständen Rechnung tragen.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:

„Die Zahl der Zivilverfahren bei den Amtsgerichten ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen. Ein Grund dafür ist, dass gut 30 Jahre keine Anpassung mehr der Zuständigkeitsstreitwerte vorgenommen worden ist. Insbesondere für kleinere Amtsgerichtsstandorte folgt daraus die Gefahr, dass sie ganz geschlossen werden müssen. Dabei leisten insbesondere Amtsgerichte als Eingangsinstanz einen wichtigen Beitrag zur Bürgernähe der Justiz. Denn durch ihre Verteilung in der Fläche wird den Bürgerinnen und Bürgern ein ortsnaher Rechtsschutz und ein leichter Zugang zur Justiz gewährleistet. Durch die Anhebung der Streitwertgrenze sowie die streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete an die Amts- oder Landgerichte erreichen wir eine bessere und sinnvollere Verteilung der Verfahren. Hiervon profitiert nicht nur die Justiz, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger.“

2. Inhalt des Gesetzesentwurfes

Vorgesehene Änderungen sind u. a.:

  • Der Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte wird von bisher EUR 5.000,00 auf EUR 8.000,00 angehoben.
  • Streitigkeiten aus dem Bereich der Vergabesachen, der Heilbehandlungen (nicht für Ansprüche gegen Veterinärmediziner) sowie der Veröffentlichungsstreitigkeiten werden zur Erreichung einer weitergehenden Spezialisierung streitwertunabhängig den Landgerichten zugewiesen. Bei Vergabesachen wird dies nur den vergaberechtlichen Primärrechtsschutz im Unterschwellenbereich sowie den Sekundärrechtsschutz (v. a. Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Vergaben) betreffen. Hierfür wird ein spezialisierter Spruchkörper eingerichtet.
  • Streitigkeiten aus dem Bereich des Nachbarrechts werden streitwertunabhängig den Amtsgerichten zugewiesen.
3. Ausblick

Absehbar ist, dass es bei den Gerichten infolge der Änderungen der Zuständigkeitsregelungen zu einer Veränderung des Personalbedarfs kommen wird, da sich die Verfahrenseingangszahlen an den Gerichten verändern werden. Bei den Amtsgerichten wird erhöhter Personal- und Raumbedarf entstehen, bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten wird der Personalbedarf dagegen voraussichtlich sinken, sodass sich hier Einsparungen ergeben.

Auch für die Bürger werden sich voraussichtlich erhebliche Einsparungen ergeben. Dies einerseits im Hinblick auf Wegesachkosten und Wegezeiten für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen, denn die Amtsgerichte befinden sich meist in größerer räumlicher Nähe zu den Parteien. Andererseits auch im Hinblick auf Anwaltskosten, denn vor den Amtsgerichten herrscht – im Gegensatz zu landgerichtlichen Verfahren – kein Anwaltszwang, d. h. die Parteien müssen sich nicht zwingend anwaltlich vertreten lassen (derzeit lassen sich die Parteien lediglich in 68 % aller Fälle vor den Amtsgerichten anwaltlich vertreten). In vielen Fällen werden sich daher zukünftig Anwaltskosten einsparen lassen.

Der Referentenentwurf wurde am 6. März 2024 an Länder und Verbände verschickt und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Bis zum 17. April 2024 hatten die interessierten Kreise Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Referentenentwurf sieht vor, dass das Gesetz ab dem 1. Januar 2026 wirksam wird. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen sich zum RefE ggf. noch ergeben.

eureos wird über die Entwicklungen weiter berichten.

Wir beraten persönlich.

Ihre Ansprechpartner
Dr. Axel Böge
Dr. Axel Böge

Senior Associate, Rechtsanwalt

Andrea Kleinschnitz
Andrea Kleinschnitz

Associate, Rechtsanwältin

    Zur Beantwortung meiner Anfrage aus dem Kontaktformular werden meine Daten erfasst und gespeichert.

    eureos Infoservice

    Wir behalten den Überblick für Sie: Mit unserem multidisziplinären Newsletter informieren wir Sie einmal monatlich über aktuelle Fachthemen und senden Ihnen Einladungen zu unseren Fach- und Netzwerkveranstaltungen.

    Jetzt anmelden