Die Europäische Union (EU) hat mit der Richtlinie (EU) 2021/2101 beschlossen, dass multinationale Unternehmen künftig ihre Ertragsteuerinformationen offenzulegen haben. Die Richtlinie muss nunmehr in nationales Recht umgesetzt werden. Hierzu liegt mit der BT-Drs. 20/5653 bereits ein entsprechender Gesetzesentwurf vor, der am 15. März 2023 erstmals im Bundestag beraten wurde.
In der Zielstellung des Gesetzentwurfes wird festgehalten, dass durch die Offenlegung der Informationen eine informierte öffentliche Debatte darüber ermöglicht werden soll, ob die betroffenen multinationalen Unternehmen und Konzerne ihren Beitrag auch dort leisten, wo sie tätig sind. Die Richtlinie wurde daher auch vor dem Hintergrund der Vermeidung von Gewinnverschiebungen in Niedrigsteuerländer beschlossen. Richtlinien der EU entfalten, anders als EU-Verordnungen, keine originäre Bindungswirkung, sondern müssen in den nationalen Parlamenten entsprechend in nationales Recht umgesetzt werden.
Die zentrale Umsetzung soll im Rahmen des Handelsgesetzbuches (HGB) erfolgen. Die Jahresabschlussprüfung soll künftig auch die Prüfung erfassen, ob die zu prüfenden Gesellschaften zur Offenlegung eines Ertragsteuerinformationsberichtes verpflichtet waren und, bejahendenfalls, ob die Offenlegung tatsächlich erfolgte. Darüber hinaus soll auch das Aktiengesetz (AktG) sowie das SE-Ausführungsgesetz (SEAG) entsprechend geändert werden, sodass der Aufsichtsrat respektive das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan künftig auch den Ertragsteuerinformationsbericht prüfen muss.
Ausweislich des Gesetzesentwurfs soll der persönliche Anwendungsbereich eröffnet sein, wenn es sich um Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften mit Sitz in Deutschland handelt und diese
- unverbundene Unternehmen sind und eine Niederlassung, feste Geschäftseinrichtung oder eine dauerhafte Geschäftstätigkeit in mindestens einem anderen Staat haben oder
- oberste Mutterunternehmen sind und sie oder ein verbundenes Unternehmen eine Niederlassung, feste Geschäftseinrichtung oder eine dauerhafte Geschäftstätigkeit in mindestens einem anderen Staat haben oder
- Tochterunternehmen von obersten Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sind und mittelgroß oder groß im Sinne des HGB sind oder lediglich dem Zweck dienen, die Berichtspflichten im Zusammenhang mit der Offenlegung von Ertragsteuerinformationen zu umgehen.
Darüber hinaus soll der Anwendungsbereich für Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat eröffnet sein, die
- unverbundene Unternehmen oder verbundene Unternehmen sind, wenn das oberste Mutterunternehmen seinen Sitz in einem Drittstaat hat und
- eine Zweigniederlassung im Inland haben, deren Umsatzerlöse in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils EUR 12 Millionen übersteigen und diesen Betrag danach in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils nicht unterschreiten oder die ausschließlich dem Zweck dient, die Berichtspflichten zu umgehen.
Darüber hinaus sollen die Offenlegungspflichten nur bei Erreichen gewisser Größenklassen einzuhalten sein. Bei unverbundenen Unternehmen würde dies bedeuten, dass die Berichtspflicht greift, wenn die in den Jahresabschlüssen der Gesellschaft ausgewiesenen Umsatzerlöse in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils EUR 750 Millionen übersteigen. Sie soll erlöschen, wenn die in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen Umsatzerlöse in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils EUR 750 Millionen unterschreiten. Bei Konzernstrukturen sollen die Berichtspflichten greifen, wenn die in den Konzernabschlüssen der Gesellschaft ausgewiesenen Konzernumsatzerlöse in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren jeweils EUR 750 Millionen übersteigen. Bei einem Unterschreiten dieser Grenze in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren soll auch hier die Berichtspflicht erlöschen.
Tochterunternehmen im Inland sollen verpflichtet werden, die Berichtspflicht für das Mutterunternehmen mit Sitz im Drittland wahrzunehmen, wenn dieses keinen Ertragsteuerinformationsbericht zur Verfügung stellt oder er nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Gleiches soll für inländische Zweigniederlassungen unverbundener und verbundener Unternehmen mit Sitz im Drittland gelten.
Der Bericht soll auf einem von der EU-Kommission zu veröffentlichenden Formblatt erstellt und im Unternehmensregister veröffentlicht werden. Darüber hinaus soll die Veröffentlichung auf der Internetseite des Unternehmens in deutscher Sprache für eine begrenzte Zeit verfügbar gemacht werden.
Bei Missachtung sollen Bußgelder bis zu EUR 200.000,00 drohen. Gegen die Mitglieder des Führungsgremiums soll das Bundesamt für Justiz Ordnungsgelder verhängen dürfen, wenn die Offenlegungspflichten nicht eingehalten werden.
Federführend bei der Umsetzung ist das Bundesministerium der Justiz.
Einschätzung und Ausblick
Nach der ersten Beratung im Bundestag wurde der Entwurf an die Ausschüsse weitergeleitet, die nun zu diesem Stellung beziehen können. Da die Richtlinie bis zum 22. Juni 2023 in nationales Recht umzusetzen ist, ist damit zu rechnen, dass die Gesetzesänderung schon bald final auf den Weg gebracht wird.
Vor dem Hintergrund der teils exzessiven Gewinnverlagerungen und der damit verbundenen Erosion der steuerlichen Bemessungsgrundlage ist der Wille des europäischen und nationalen Gesetzgebers durchaus nachvollziehbar. Allerdings ist zu bemängeln, dass die Einhaltung dieser neuen Berichtspflichten zu erheblichen Mehraufwendungen seitens der Unternehmen führt. Unternehmen sehen sich aktuell einer Vielzahl von Mehrbelastungen im Compliance-Bereich ausgesetzt. Es stellt sich daher die Frage, ob entsprechende Berichtspflichten in Zukunft nicht zumindest effizienter gestaltet werden können.
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