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EuGH-Vorlagen zur Dokumentation der Zuordnungsentscheidung

Der BFH hat dem EuGH in zwei Fällen (XI R 3/19 und XI R 7/19) Fragen zur Dokumentation der Zuordnungsentscheidung und deren Auswirkung auf den Vorsteuerabzug vorgelegt.

06.02.2020

Sinngemäß geht es um Folgendes:

1. Darf ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen?

2. Darf mangels rechtzeitiger ausdrücklicher Zuordnung zum Unternehmensvermögen eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt – und damit das Vorsteuerabzugsrecht endgültig versagt – werden?

 

I. Hintergrund: Zuordnungswahlrecht bei gemischter Nutzung

Bei Bezug einer Leistung, die gemischt, d.h. sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke, verwendet wird oder werden soll, steht nach der Rechtsprechung des BFH und des EuGH dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu: Er kann den Leistungsbezug

  • insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder
  • in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder
  • den Gegenstand nur entsprechend dem (geschätzten) unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen.

II. Wie erfolgt die Zuordnungsentscheidung?

Da es sich bei der Zuordnungsentscheidung um eine sog. „innere Tatsache“ handelt, bedarf es bestimmter Beweisanzeichen nach außen. Regelmäßig ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ein gewichtiges Indiz für, hingegen die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen. Auch die bilanzielle und ertragsteuerrechtliche Behandlung kann gegebenenfalls ein Indiz für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung sein.

III. Wann erfolgt die Zuordnungsentscheidung

Nach bisheriger Auffassung seitens Rechtsprechung und Finanzverwaltung muss die Zuordnung spätestens und mit endgültiger Wirkung in einer „zeitnah“ erstellten Umsatzsteuererklärung für das Jahr, in das der Leistungsbezug fällt, nach außen dokumentiert werden.

Demnach hat ein Unternehmer, der den Vorsteuerabzug für einen Leistungsbezug begehrt, diesen spätestens bis zum Ende der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung anzumelden. Die Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung endet – erstmalig für Besteuerungszeiträume ab 2018 – regelmäßig sieben Monate nach Ablauf des Besteuerungszeitraums (z.B. 31. Juli 2020 für die Veranlagung 2019). Soweit Angehörige steuerberatender Berufe die Erklärungen erstellen, verlängert sich diese Frist regelmäßig bis Ende Februar des übernächsten Jahres (z.B. 28. Februar 2021 für die Umsatzsteuererklärung für 2019).

Diese Fristen gelten – nach aktueller Rechtslage – auch in den Fällen, in denen dem Unternehmer bzw. seinem Berater für die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen eine Fristverlängerung (individuell oder allgemein) gewährt worden ist.

Demgemäß ist dem Unternehmer im zugrundeliegenden Vorlagefall der Vorsteuerabzug für eine im Jahr 2014 bezogene, gemischt genutzte Photovoltaikanlage, den er zwar innerhalb der seitens des Finanzamts verlängerten Abgabefrist, aber eben erst nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung geltend gemacht hat, versagt worden.

In Fällen der verlängerten Abgabefrist hat der Unternehmer dem Finanzamt die Zuordnung zum Unternehmensvermögen somit nach bisherigem Recht in anderer, hinreichender Weise bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist anzuzeigen. Als unzureichend sahen es die Vorinstanzen insofern an, dass ein „umsatzsteuerpflichtiger“ Stromeinspeisevertrag mit einem Dritten abgeschlossen worden ist bzw. in Planungsunterlagen eines Einfamilienhauses die Bezeichnung „Arbeiten 16,57 m2“ enthalten war, da diese Umstände weder dem Finanzamt innerhalb der Zuordnungsfrist mitgeteilt worden seien, noch aus der (teilweisen) unternehmerischen Nutzung gefolgert werden könne, dass und in welchem Umfang der Unternehmer sein Zuordnungswahlrecht ausgeübt habe. Denn selbst bei beabsichtigter oder tatsächlicher unternehmerischer Nutzung stehe es dem Unternehmer frei, den Gegenstand in vollem Umfang seinem privaten Bereich zuzuordnen und damit dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen.

IV. Praxishinweis

Der EuGH muss sich nun erstmals mit der Frage auseinandersetzen, welche Rechtsfolge eintritt, wenn ein Unternehmer zwar bei Leistungsbezug aufgrund seiner konkreten Verwendungsabsicht ein Zuordnungswahlrecht hat, dieses jedoch nicht (rechtzeitig) ausübt. Insofern bleibt abzuwarten, ob er dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität (vereinfacht: Umsatzsteuer als durchlaufender Posten) oder dem Grundsatz der Rechtssicherheit (vereinfacht: nicht bis „in alle Ewigkeit“) den Vorzug gibt.

Vorerst gilt daher weiterhin, spätestens bis zum 31. Juli des Folgejahres bzw. bei Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärungen durch einen Steuerberater bis zum 28./29. Februar des übernächsten Jahres dem Finanzamt die Zuordnung zum Unternehmen nachweisbar mitzuteilen. Sofern diese gesetzlichen Abgabefristen bereits abgelaufen waren, können etwaige Bescheide nunmehr mit Hinweis auf die anhängigen Verfahren offengehalten werden.

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