Die Pläne für die Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung (eRechnungen) werden konkret: Der Regierungsentwurf des sog. Wachstumschancengesetzes sieht vor, dass eRechnungen über Leistungen zwischen in Deutschland ansässigen Unternehmern stufenweise ab 2026 verpflichtend werden. „Sonstige Rechnungen“ (insbesondere Papierrechnungen, PDF-Rechnungen) sind dann nur noch für wenige Ausnahmen (Kleinbetragsrechnungen, Fahrscheine) zulässig.
I. Hintergrund
Ende 2022 hat die EU-Kommission den Richtlinienentwurf zur Einführung eines EU-weiten, grenzüberschreitenden transaktionsbezogenen Meldesystems ab voraussichtlich 2028 veröffentlicht (Richtlinienentwurf zu „VAT in the Digital Age – ViDA“). Ziel ist es, die Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems zu senken, um so den Problemen der Steuerhinterziehung und dem Steuerbetrug in Europa entgegenzuwirken.
Voraussetzung für dieses später einzuführende „Echtzeit-Meldesystem“ von Rechnungsdaten ist die Einführung der verpflichtenden elektronischen Rechnung (eRechnung) in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Derzeit hat die Papierrechnung sowohl im Unionsrecht als auch im nationalen Recht – wegen der erforderlichen Zustimmung des Empfängers bei Verwendung einer eRechnung – noch Vorrang vor der eRechnung. Die Einführung einer eRechnungspflicht setzt daher Änderungen sowohl in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie als auch im Umsatzsteuergesetz voraus. Aufgrund einer von der EU-Kommission empfohlenen und vom EU-Rat auch erteilten Ausnahmegenehmigung, ist Deutschland – wie zuvor bereits Italien, Frankreich und Polen – jedoch inzwischen zur Einführung einer verpflichtenden eRechnung ohne Zustimmungserfordernis durch den Empfänger – noch vor Änderungen der entsprechenden unionsrechtlichen Regelungen – ermächtigt worden. Von dieser Ermächtigung hat Deutschland im Rahmen des sog. Wachstumschancengesetzes Gebrauch gemacht.
II. eRechnungspflicht für inländische B2B-Umsätze
Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht eine eRechnungspflicht vor bei (vgl. § 14 Abs. 2 UStG-E):
- steuerbaren und nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerfreien Leistungen eines in Deutschland ansässigen Unternehmers, der die Leistungen im Rahmen seines Unternehmens ausführt, an einen in Deutschland ansässigen Unternehmer für dessen Unternehmen oder
- an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, oder bei
- steuerpflichtigen Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 S. 1 UStG) oder sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück an einen Nichtunternehmer.
III. „sonstige Rechnungen“ in bestimmten Fällen weiterhin zulässig
Andere Rechnungsformate (sog. „sonstige Rechnungen“), insbesondere Papierrechnungen oder per E-Mail versendete PDF-Rechnungen), sind demnach nur in folgenden Fällen auch weiterhin zulässig:
- Rechnungen an (in- und ausländische) Nichtunternehmer,
- Rechnungen an ausländische Unternehmer (auch wenn diese im Inland registriert sind) sowie
- von im Ausland ansässigen Unternehmern ausgestellte Rechnungen, selbst wenn der Rechnungsaussteller im Inland umsatzsteuerlich registriert ist.
Für steuerfreie B2B-Umsätze ohne Vorsteuerabzug, wie z. B. für Finanzdienstleistungen, steuerfreie Grundstücksgeschäfte sowie Leistungen im Bereich Gesundheits-, Bildungs- und Wohlfahrtswesen (§ 4 Nr. 8 bis 29 UStG) soll ebenfalls keine Pflicht zur Verwendung der eRechnung bestehen.
Auch für Kleinbetragsrechnungen und bei Fahrscheinen sind Ausnahmeregelungen von der obligatorischen Verwendung einer eRechnung im B2B-Bereich vorgesehen (§§ 33 Satz 4, 34 Satz 2 UStDV-E).
IV. Formate, Übergangsregelungen und Übermittlungswege für eRechnungen ab 2025
Ab dem 1. Januar 2025 sollen grundsätzlich für inländische B2B-Umsätze nur noch eRechnungen zulässig sein, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden. Dieses elektronische Format muss nach § 14 Abs. 1 UStG-E den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 entsprechen, sog. CEN-Format EN 16931.
Allerdings bleiben andere Formate (sog. „sonstige Rechnungen“), insbesondere Papier- oder PDF-Rechnungen, zumindest bis zum 31. Dezember 2025 zulässig (§ 27 Abs. 39 UStG-E). Andere elektronische Formate bedürfen dabei der Zustimmung des Rechnungsempfängers Unklar ist insofern, ob eine konkludente Zustimmung durch Entgegennahme der sonstigen Rechnung ausreichend ist.
Für Unternehmen, deren Gesamtumsatz im Vorjahr weniger als EUR 800.000 betragen hat, soll diese Übergangsregelung – ebenfalls vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers – um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2026 verlängert werden.
Auch für die Abrechnung mittels EDI-Rechnung gilt – vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers – eine verlängerte Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2027.
FAZIT: stufenweise Einführung der eRechnungspflicht entsprechend der CEN-Norm 16931
- ab 2025 grundsätzlich Pflicht zum Empfang von eRechnungen,
- ab 2026 eRechnungspflicht für Unternehmer mit Gesamtumsatz im Vorjahr von mindestens EUR 800.000
- ab 2027 eRechnungspflicht für Unternehmer mit Gesamtumsatz im Vorjahr von weniger als EUR 800.000
- ab 2028 eRechnungspflicht auch für bisherige EDI-Rechnungen.
V. Praxishinweise
Die eRechnung kommt: Wenngleich es sich zunächst nur um einen Gesetzesentwurf handelt und daher noch Änderungen sowohl in Bezug auf die betroffenen Umsätze als auch in Bezug auf den konkreten Zeitplan möglich sind, sollten Unternehmer die Weichen für die Einführung einer eRechnung stellen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die ERP-Systeme auf- oder umgerüstet und Prozesse angepasst werden müssen, sollte frühzeitig damit begonnen werden, sich konzeptionell Gedanken zu machen und Ressourcen einzuplanen. Auch wenn die genauen Einzelheiten des geplanten Meldesystems noch nicht bekannt sind, dürften einige Unternehmen ihre Abrechnungsprozesse zunächst einmal ganz generell fit machen müssen für den Empfang und den Versand von eRechnungen. Das geplante elektronische Meldesystem bringt Anforderungen mit sich, die für viele Abrechnungsprozesse aktuell eine Herausforderung sein dürften.
Praktisch ist die eRechnungspflicht derzeit mangels fehlender verbindlicher Äußerungen der Gesetzgebung bzw. Finanzverwaltung zur konkreten technischen Umsetzung (Übermittlungswege, staatliche oder privatwirtschaftliche Softwarelösungen?) noch wenig greifbar. Verbandsseitig wird insofern gefordert, die technischen Rahmenbedingungen mindestens ein Jahr im Voraus (also spätestens 2024) zu veröffentlichen, um Unternehmen ausreichend Zeit für die systemseitigen Anpassungen zu geben.
Weiterhin bleibt zu hoffen, dass für Umsätze, deren Abrechnung mangels offenen Umsatzsteuerausweises und damit mangels Vorsteuerabzugsmöglichkeit nicht mit einer Gefährdung des Steueraufkommens verbunden ist, weitere Ausnahmen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen werden. So ist z. B. für Umsätze, die der Margenbesteuerung gem. § 25 UStG unterliegen, derzeit keine Ausnahme vorgesehen, obwohl die Steuer im Fall steuerpflichtiger EU-Reiseleistungen in der Rechnung nicht auszuweisen (§ 14a Abs. 6 UStG) bzw. die Marge im Fall von Drittlandsreisen gem. § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei ist. Gleiches gilt für Umsätze, die dem inländischen Reverse-Charge-Verfahren unterliegen (z. B. Verkauf von Grundstücken, wenn gem. § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optiert wird).
Für weitere Fragen hierzu stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.