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BFH: Einheitlicher Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht

Mit Urteil vom 6. Juli 2016 (Az.: II R 5/15) hat der BFH entschieden, dass die Verpflichtung des Erwerbers, das im Zeitpunkt des Erwerbs noch unbebaute Grundstück alsbald nach den gestalterischen Vorgaben der Veräußererseite zu bebauen, für sich allein nicht ausreicht um anzunehmen, dass der Erwerber das Grundstück im bebauten Zustand erwirbt. Hinzukommen muss danach, dass das vom Erwerber mit der Bebauung beauftragte Bauunternehmen in diesem Zeitpunkt zur Veräußererseite gehörte.

22.09.2016

I. Hintergrund und Sachverhalt der Entscheidung

1. Rechtlicher Rahmen

Im Streitfall ging es um die grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätze zur Bemessungsgrundlage bei einem sog. einheitlichen Erwerbsgegenstand. Im Grundsatz ist insbesondere bei Erwerbsvorgängen in Form von Grundstückskaufverträgen nur die im Kaufvertrag bestimmte Gegenleistung die maßgebliche Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

Nur Ausnahmsweise sind für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage aber auch sonstige Vereinbarungen einzubeziehen, die mit dem Kaufvertrag über ein beim Abschluss des Kaufvertrags über ein Grundstück in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen (sog. einheitlicher Erwerbsgegenstand). Anderenfalls unterliegt eine etwaige vom Erwerber geschuldete (sonstige) Vergütung für (weitere) Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem vom Erwerber selbst herzustellenden Gebäude, die Lieferung beweglicher Gegenstände (z.B. Baumaterialien) oder die Bereitstellung von Planungsunterlagen nicht der Grunderwerbsteuer.

2. Sachverhalt

Der Kläger und seine Ehefrau wollten im Streitfall ein noch unbebautes Grundstück der Stadtwerke-AG (AG) kaufen. Aufgrund der Vorgaben der AG konnten die Eheleute das Grundstück aber zunächst nur reservieren und mussten vor Abschluss des Kaufvertrags einen Bauvorschlag erstellen lassen, der neben dem Bebauungsplan auch den Anforderungen eines Gestaltungshandbuchs entsprach. Erst im Nachgang der Genehmigung eines entsprechenden Bauvorschlags wurde der Kaufvertrag tatsächlich geschlossen. Die Eheleute verpflichteten sich dabei im Kaufvertrag, unverzüglich nach Besitzübergang und Erteilung der Baugenehmigung bzw. Freigabe des Bauvorhabens auf dem Grundstück mit der Errichtung der Bauwerke und Nebenanlagen entsprechend den genehmigten und mit Prüfvermerk versehenen Plänen nebst Flächenberechnungen zu beginnen und diese innerhalb von 24 Monaten in einem Zuge bezugsfertig zu erstellen. Die Baufirma beauftragten die Eheleute autonom ohne vertragliche Bindungen gegenüber der AG.

Das beklagte Finanzamt (FA) nahm an, dass das Grundstück nach den Grundsätzen über den einheitlichen Erwerbsgegenstand in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen sei, und bezog die Bauerrichtungskosten anteilig in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer mit ein, die das FA sodann in entsprechender Höhe festsetzte. Einspruch und Klage in erster Instanz beim Finanzgericht (FG) durch den Kläger, der die Herausrechnung der Baukosten aus der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer begehrte, weil ausschließlich die Eheleute als Erwerber vertraglich eine Bauverpflichtung übernommen hätten, blieben ohne Erfolg. Die Entscheidungsfreiheit der Eheleute hinsichtlich der Fortführung des bereits projektierten Bauvorhabens sei nach Auffassung des FG beim Abschluss des Kaufvertrags aufgrund rechtlicher und faktischer Zwänge so stark eingeschränkt gewesen, dass die Bebauung noch in der Sphäre der AG erfolgt sei, die die Herstellungsverpflichtung im Rahmen des umfangreichen Vertragsgefüges nur auf die Eheleute „delegiert“ habe.

II. Begründung der Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Die anteiligen Bauerrichtungskosten seien im Streitfall nicht nach den Grundsätzen des sog. einheitlichen Erwerbsgegenstandes in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, da vorliegend nicht auf der Veräußererseite handelnde Personen zur Veränderung des körperlichen Zustands des Grundstücks verpflichtet gewesen waren.

Ein sog. einheitlicher Erwerbsgegenstand erforderte bereits nach der bisherigen Rechtsprechung, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies soll regelmäßig anzunehmen sein, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen entweder

  • personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder
  • aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken.

Für das Vorliegen einer solchen – steuererhöhenden – Abrede auf der Veräußererseite trägt das FA die Feststellungslast (objektive Beweislast). Anhaltspunkte hierfür können sein

  • ein gemeinsamer Vermarktungsprospekt oder ein gemeinsamer Internetauftritt des Grundstücksveräußerers und des Bauunternehmens bzw. der für sie handelnden Personen oder
  • die konkrete Benennung in Betracht kommender Bauunternehmen, die an einer Bebauung bereits Interesse bekundet haben und/oder den baurechtlichen Vorschriften entsprechende Haustypen für das Grundstück anbieten können, durch den Veräußerer gegenüber dem Erwerber; nicht ausreichend aber der allgemeine Hinweis auf in der näheren Umgebung tätige Bauunternehmer, die noch nicht mit der möglichen Bebauung der zur Veräußerung bestimmten Grundstücke befasst waren.

Ein beim Abschluss des Kaufvertrags unbebautes Grundstück kann nach diesen Grundsätzen nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn der Veräußerer oder ein zur Veräußererseite gehörender Dritter zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist. Dafür soll eine im Grundstückskaufvertrag übernommene zivilrechtliche Bauverpflichtung des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer nicht ausreichend sein, da es sich insoweit nur um eine eigennützige Leistung des Erwerbers handelt, die keine Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt. Der Veräußerer könne eine ihm obliegende (Bau)-Verpflichtung schon zivilrechtlich nicht auf den Erwerber als dessen Vertragspartner „delegieren“, dem gegenüber er die Erfüllung der Verbindlichkeit ja gerade schuldet. Daran ändere auch ein Eigeninteresse der Veräußererseite an einer bestimmten Bebauung des erworbenen Grundstücks nichts.

Da im Streitfall die AG zivilrechtlich nicht zur Herstellung des Gebäudes verpflichtet war und Feststellung Feststellungen dahingehend, dass das Bauunternehmen zur „Sphäre“ der veräußernden AG gehörte, nicht getroffen wurde, konnte im Ergebnis kein sog. einheitlicher Erwerbsgegenstand angenommen werden. Das Finanzgericht wird die entsprechenden Feststellung nachzuholen haben und dabei die Feststellungslast des FA zu beachten haben.

III. Auswirkungen für die Praxis

Die Rechtsprechung zum sog. einheitlichen Erwerbsgegenstand ist namentlich bei Erwerben unbebauter Grundstücke zu beachten, hinsichtlich der im Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft auch Abreden zur Bebauung getroffen werden. Der BFH hat mit dem besprochen Urteil seine bisherige Rechtsprechung konkretisiert und betont, dass verpflichtende Vorgaben des Veräußerers betreffend die Bebauung insoweit allein nicht hinreichend sind, um einen sog. einheitlichen Erwerbsgegenstand anzunehmen.

Für die Praxis sind insbesondere die Kriterien für das Vorliegen einer Abrede zwischen Veräußerer und Bauträger („Veräußererseite“) zu beachten. Problematisch sind hierbei vor allem jene Fälle, in denen die Mitwirkung des Veräußerers bei der Auswahl des Bauträgers über allgemeine Hinweis hinausgeht.

Gern sind wir Ihnen bei der Gestaltung des Vertragswerks für den Erwerb unbebauter, zu bebauender Grundstücke sowie bei sonstigen Fragen des Grunderwerbsteuerrechts behilflich und stehen Ihnen für weitere Rückfragen und Informationen jederzeit zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartner:

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André Blischke, Rechtsanwalt

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