Lang diskutiert, im Gesetzgebungsverfahren gescheitert, kommt sie nun doch – und zwar früher als erwartet: die flächendeckende Homeoffice-Pflicht für Arbeitgeber. Der Bundesarbeitsminister unterzeichnete am vergangenen Freitag die „SARS- CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“, die bereits an diesem Mittwoch, den 27. Januar 2021, in Kraft treten wird. Zentrales Instrument im Kampf gegen die Pandemie in den Betrieben soll nun das verpflichtende Homeoffice-Angebot an alle Büro-Beschäftigten darstellen. Wie verbindlich und bis wann gelten die Neuerungen? Welche Arbeitsplätze sind betroffen? Welche Ausnahmen gibt es? Wir beantworten Ihnen in aller Kürze die wichtigsten Fragen.
Die „SARS-CoV-2-Arbeitschutzverordnung“ finden Sie hier.
1. Was ist die „SARS- CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“?
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann zur befristeten Einführung von Maßnahmen auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes Rechtsverordnungen erlassen (§ 18 Abs. 3 ArbSchG). Eine Rechtsverordnung ist eine verbindliche, unmittelbar zwingend geltende Norm; sie gilt wie ein Gesetz. Auf dieser Grundlage wurde die zunächst bis zum 15. März 2021 geltende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) geschaffen. Diese bestimmt u.a. anderem:
Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.
2. Für wen gilt die Corona-ArbSchV?
Von der Verordnung erfasst sind alle Beschäftigten im Sinne des ArbSchG. Dies betrifft insbesondere:
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
- Auszubildende,
- Beschäftigte in Werkstätten für Behinderte,
- Beamtinnen und Beamte
Nicht erfasst sind beispielsweise Geschäftsführer und freie Mitarbeiter.
Die Verordnung gilt für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Betriebs- oder Unternehmensgröße bzw. der Anzahl der Beschäftigten.
3. Was müssen Arbeitgeber jetzt tun?
Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten mit Bürotätigkeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten, vom Homeoffice aus zu arbeiten. Bei Annahme dieses Angebotes muss die Entsendung ins Homeoffice erfolgen. Sowohl das Angebot als auch die Reaktion des Beschäftigten sollte gut dokumentiert werden.
Wie bisher bleibt es aber dabei, dass
- es keinen durchsetzbaren Anspruch der Beschäftigten auf Arbeit im Homeoffice gibt, auch nicht durch die Corona-ArbSchV
- Beschäftigte nicht gegen ihren Willen angewiesen werden können, im Homeoffice zu arbeiten. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers endet an der „Haustür“ des Beschäftigten.
Hinweise dazu, was Arbeitgeber grundsätzlich bei der Einführung von Homeoffice zu beachten haben, finden Sie hier.
4. Welche Ausnahmen gibt es?
Arbeitgeber müssen Arbeitsplätze nicht berücksichtigen, bei denen zwingende betriebsbedingte Gründe einer Arbeit im Homeoffice entgegenstehen. Was konkret solche zwingenden betriebsbedingten Gründe sind, lässt die Verordnung offen. Hier muss im Einzelfall geprüft und abgewogen werden. Z.B. können sich Arbeitgeber auf folgende Umstände berufen:
- die Anwesenheit von Beschäftigten im Büro ist unverzichtbar (z.B., weil nur sie bestimmte Geräte/Anlagen bedienen können/dürfen, der Empfang besetzt bleiben muss),
- bei technischer und/oder organisatorischer bzw. wirtschaftlicher Unzumutbarkeit (z.B. Anschaffung von neuen Laptops für eine Vielzahl von Beschäftigten),
- wenn in der Wohnung des Beschäftigten die daten- und arbeitsschutzrechtlichen Grundanforderungen und/ oder IT- Sicherheit nicht gewährleistet werden können (z.B. Räumlichkeiten sind ungeeignet, unzureichender W-Lan-Zugang, nur der private Laptop ist nutzbar)
Näheres zum Thema Arbeitsschutz im Homeoffice finden Sie hier.
5. Was ist zu tun, wenn Beschäftigte nicht ins Homeoffice wollen?
Arbeitgeber sollten in diesem Falle den Beschäftigten in regelmäßigen Abständen wieder anbieten, im Homeoffice zu arbeiten. Bleibt der Beschäftigte weiter im Betrieb, sind selbstverständlich die Vorschriften der Corona-ArbSchV umzusetzen. Arbeitgeber müssen ggf. umorganisieren und die Beschäftigten z.B. anweisen, zeitversetzt zu arbeiten.
6. Ist der Betriebsrat/Personalrat zu beteiligen?
Die Entsendung von Beschäftigten in das Homeoffice für einen Zeitraum von mindestens einem Monat ist eine Versetzung im Sinne des BetrVG und damit von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig (§ 99 Abs.1 BetrVG); die Personalvertretungsgesetze der Länder sehen für Personalräte ähnliche Beteiligungsrechte vor. Darüber hinaus sind die Tatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 1, 6, 7 BetrVG betroffen. Es empfiehlt sich mit den Arbeitnehmervertretungen kurzfristig eine Regelung über die wichtigsten Fragen zu treffen.
7. Welche Konsequenzen drohen bei Nicht-Einhaltung der neuen Verordnung?
Anlasslose Kontrollen durch die zuständigen Landesbehörden für Arbeitsschutz dürften aktuell nicht zu erwarten sein. Gleichwohl sind Beschwerden von Mitarbeitern bei den Behörden nicht auszuschließen, sollte der Arbeitgeber Homeoffice systematisch verweigern.
Die zuständige Behörde kann Anordnungen zur Durchsetzung der Verordnung gegen Unternehmen erlassen. Die Verhängung eines Bußgeldes droht, wenn das Unternehmen einer solchen Anordnung innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist nicht Folge leistet.
Wie mit Beschäftigten umzugehen ist, die ohne Absprache und Prüfung durch den Arbeitgeber schlicht zu Hause bleiben und dort „arbeiten“, muss gesondert geprüft werden. Im Einzelfall könnte sogar eine Kündigung in Betracht kommen.
Update vom 10. März 2021 – Homeoffice-Pflicht wird bis Ende April verlängert
Die Bundesregierung hat heute die ursprünglich zum 15. März 2021 auslaufende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung bis einschließlich 30. April 2021 verlängert. Damit sind Arbeitgeber auch weiterhin verpflichtet, ihren Büro-Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice anzubieten, sofern wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.
Gern beraten wir Sie zu allen Fragen rund um das Homeoffice und zur neuen Verordnung.
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