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Bestätigt durch das BMF: Abgabe von Fertigarzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke ist umsatzsteuerfrei

Mit Urteil vom 20. Oktober 2021 hatte das FG Sachsen-Anhalt entschieden, dass auch die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten (sog. Fertigarzneimittel) durch eine Krankenhausapotheke im Rahmen der ambulanten Behandlung umsatzsteuerfrei ist. Dieser Auffassung hat sich nun auch die Finanzverwaltung offiziell angeschlossen und mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 dazu Stellung bezogen.

15.12.2022

Unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 24. September 2014 (V R 19/11 – sog. Zytostatika-Urteil) und 18. Oktober 2017 (V R 46/16 – Abgabe von Faktorpräparaten) sieht nun auch das BMF die Abgabe von Fertigarzneimitteln als einen eng verbundenen und damit umsatzsteuerfreien Umsatz an, wenn die Medikamentenabgabe einen integralen Bestandteil der Therapie darstellt. Dies ist nach Ansicht des BMF dann der Fall, wenn die Verabreichung der Medikamente im Zeitpunkt der ärztlichen Behandlung zur Erreichung des therapeutischen Ziels unentbehrlich ist. Entscheidend dafür ist die ärztliche Entscheidung. Unter dieser Voraussetzung kann auch die Abgabe von Begleitmedikation umsatzsteuerfrei sein. An seiner bisherigen Regelung in Abschnitt 4.16.6 Abs. 3 Nr. 4 UStAE hält das BMF damit nicht länger fest.

Anwendung der neuen Grundsätze

Übergangsregelung bis 31. Dezember 2022

Die geänderte Auffassung des BMF gilt für alle noch offenen Fälle. Gleichwohl gibt es eine – angesichts der anstehenden Weihnachtsfeiertage – sehr kurze Übergangsregelung. Danach wird für Umsätze bis einschließlich 31. Dezember 2022 nicht beanstandet, wenn diese nach der bisherigen Verwaltungsauffassung noch als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden.

Ermäßigter Steuersatz bei Umsätzen aus dem Krankenhaus-Zweckbetrieb

Sind die Umsätze bei gemeinnützigen Krankenhäusern dem Zweckbetrieb zuzuordnen und beruft sich der Unternehmer auf die Übergangsregelung, ist für diese Umsätze der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % anzuwenden. Damit stellt das BMF erstmals verbindlich die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes klar.

Unrichtiger Steuerausweis

Wurde in der Vergangenheit in den Rechnungen die Umsatzsteuer zu hoch ausgewiesen – sei es, dass bei Abgaben aus dem Zweckbetrieb der Regelsteuersatz zur Anwendung kam oder sich das Krankenhaus rückwirkend auf die nunmehr mögliche Umsatzsteuerbefreiung beruft – wird der zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag nach § 14c UStG geschuldet. Für die Berichtigung eines solchen unrichtigen Steuerausweises gelten die allgemeinen Regelungen in Abschnitt 14c.1 Abs. 5 UStAE. Das BMF verweist insoweit auf das zum Zytostatika-Urteil ergangene BMF-Schreiben vom 28. September 2016.

Da spätestens ab dem 1. Juli 2017 auch in den Rechnungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen Umsatzsteuer offen ausgewiesen werden musste, wird eine bislang zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer durch das Finanzamt nur erstattet, wenn die Rechnungen berichtigt werden und ein sich ggf. ergebender Rückforderungsanspruch der Kassen zunächst beglichen wird. Das bedeutet, dass die Krankenhäuser insoweit in Vorkasse gegen müssen, was angesichts der derzeit angespannten finanziellen Lage vieler Häuser eine zusätzliche Herausforderung darstellt.

Vor dem Hintergrund, dass die gesetzlichen Krankenkassen mit diesen Leistungen hoheitlich tätig sind und ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Krankenhäuser nicht möglich ist, wäre eine Billigkeitsregelung hier wünschenswert gewesen.

Eine Billigkeitsregelung sieht das BMF-Schreiben aber bei Leistungen an PKV-Patienten vor. Für eine Berichtigung des unrichtigen Steuerausweises ist es hier nicht erforderlich, jede einzelne Rechnung gegenüber den privat versicherten Patienten zu berichtigen. Ausreichend ist hier ein zivilrechtlicher Vergleich mit der privaten Krankenkasse, aus dem die einzelnen Rechnungen (z. B. aus einer Anlage) hervorgehen.

Hinweise für die Praxis

Für das Rechtsverhältnis zu den Krankenkassen bedeutet das Schreiben, dass ab dem 1. Januar 2023 die Lieferung von Fertigarzneimitteln ohne Umsatzsteuer abzurechnen ist und folglich auch kein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden kann. Die Preise sind damit neu zu kalkulieren und die Vereinbarungen mit den Kassen entsprechend zu gestalten.

Rechnen Sie Ihre Leistungen durch ein Rechenzentrum ab, sollten Sie sich mit diesem in Verbindung setzen, um notwendige Anpassungen für die Abrechnung der Leistungen ab 2023 vorzunehmen.

Aber auch die Klarstellung, dass im Übergangszeitraum Leistungen im Zweckbetrieb zwingend mit 7 % Umsatzsteuer abzurechnen sind, wird Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zu den Krankenkassen haben, denen gegenüber die Abrechnung bislang mit 19 % Umsatzsteuer erfolgte.

Das Bundessozialgericht hatte mit seiner Entscheidung vom 10. November 2021 – Az. B 1 KR 5/21 B – Ansprüche der Krankenkassen noch abgelehnt. Zur Begründung bezog es sich allerdings darauf, dass ein Anspruch der Krankenkassen nur bestehe, wenn das Krankenhaus seinerseits die Ansprüche gegenüber dem Finanzamt einfach und risikolos durchsetzen könne. Das war bislang nicht der Fall, da eine verbindliche Äußerung des Bundesfinanzministeriums fehlte. Die Sachlage hat sich mit dem jetzt vorliegenden Schreiben geändert. Es ist zu erwarten, dass die Frage der Rückforderung gezahlter Umsatzsteuer neue Dynamik bekommt.

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Doreen Adam

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für das Gesundheitswesen (DStV e. V.)

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