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Bedeutung einer Patientenverfügung für die Behandlung und die Abrechnung von Krankenhausleistungen

Das Kammergericht hatte in einem Urteil vom 20. Februar 2023 - 10 U 105/22 - darüber zu entscheiden, ob das behandelnde Krankenaus eine Patientenverfügung missachtet hatte und daher auch seinen Vergütungsanspruch verlor. Das Urteil trifft zugleich Aussagen über den Aussagewert einer Patientenverfügung und über das Spannungsverhältnis zwischen mutmaßlichem Patientenwillen und ärztlicher Behandlungspflicht.

20.02.2024
Medizin- und Gesundheitsrecht
I. Sachverhalt

Das Krankenhaus verlangte von der Alleinerbin einer verstorbenen Patientin Behandlungskosten in Höhe von EUR 26.990,05.

Die Patientin war als Notfall in das Krankenhaus eingeliefert worden. Sie wurde mehrfach reanimiert und künstlich beatmet. Dem Krankenhaus lag eine Patientenverfügung der Patientin vor, der zufolge sie im Falle des Komas ohne Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins nicht künstlich beatmet werden wollte.

Die Beklagte sah in der Tatsache, dass gleichwohl eine künstliche Beatmung durchgeführt wurde, eine grobe Pflichtverletzung und eine unbrauchbare ärztliche Leistung. Sie war der Meinung, jeder dieser Umstände berechtige sie, die Bezahlung der Rechnung zu verweigern.

II. Die Entscheidung des Kammergerichts

Das Landgericht hatte der Klage des Krankenhauses stattgegeben, das Kammergericht bestätigte die Entscheidung.

1. Keine grobe Pflichtverletzung

Das Kammergericht stellt zunächst fest, dass die intensivmedizinische Behandlung eines schwerstkranken Menschen schon begrifflich nicht als grobe Pflichtverletzung gesehen werden könne. Die Behandlung sei auch nicht unbrauchbar gewesen, denn sie habe zur Verlängerung des Lebens der Patienten geführt und die Bewertung eines Lebens, auch eines leidensbehafteten Lebens, als unbrauchbar, verbiete sich.

2. Die Reichweite des Vorsorgevollmacht

Die Beklagte war von der Patientin notariell bevollmächtigt worden, für diese Erklärungen im Namen der Patientin abzugeben, insbesondere in Operationen oder sonstige Maßnahmen einzuwilligen.

Dies schließe, so das Kammergericht, aber nicht die Befugnis ein, den Abbruch der Behandlung anzuordnen, denn dies hätte die Gefahr des Todes der Patientin herbeigeführt. Deshalb wäre gemäß § 1904 Abs. 2 BGB (jetzt § 1829 Abs. 1 BGB) die Zustimmung des Betreuungsgerichts nötig gewesen.

3. Keine Wirkung der Patientenverfügung

Die Patientenverfügung stand der ärztlichen Maßnahme ebenfalls nicht entgegen.

Erstens entfalte eine Patientenverfügung nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden könnten. Ferner erfordere der Bestimmtheitsgrundsatz, dass eindeutig sein müsse, in welcher konkreten Behandlungssituation sie angewendet werden soll.

Hier war es so, dass die Patientin verfügt hatte, dass bestimmte ärztliche Maßnahmen unterbleiben sollten, im Falle des Komas ohne Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins. Diese Voraussetzungen lagen aber nicht vor. Die Reanimationen wurden durchgeführt, als sich die Patientin nicht im Koma befand und erst recht fehlte es an der Voraussetzung „ohne Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“, denn die Maßnahmen dienten ja gerade der Wiedererlangung des Bewusstseins und waren dabei auch erfolgreich. Für diesen Fall war die Pateientenverfügung nach Auffassung des Gerichts nicht formuliert.

Zudem weist das Gericht darauf hin, dass bei einer Notfallbehandlung, die sofortige Entscheidungen verlangt, der Arzt nicht verpflichtet ist, zunächst zu prüfen, ob eine entgegenstehende Patientenverfügung existiert.

III. Fazit

Der Arzt ist grundsätzlich verpflichtet, den Patienten nach den medizinischen Erfordernissen zu behandeln. Hiervon kann er möglicherweise durch eine Patientenverfügung befreit sein, die Patientenverfügung muss aber eindeutig sein, denn sonst trägt der Arzt das Risiko, das mit einer unterlassenen Behandlung einhergeht. Der Patient befindet sich in dem Dilemma, dass eine offen formulierte Patientenverfügung keine Wirkung entfaltet, eine eng formulierte Patientenverfügung aber nur eine begrenzte Anzahl von Situationen erfasst. Unabhängig davon stellen Maßnahmen zur Lebensrettung weder eine grobe Pflichtverletzung noch eine unbrauchbare Leistung dar. Hat aber der Arzt in den Fällen, in denen er sich an den genauen Wortlaut der Patientenverfügung gehalten hat, eine medizinische gebotene Behandlung erbracht, steht ihn hierfür auch das Honorar zu.

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Claus Ludwig Meyer-Wyk
Claus Ludwig Meyer-Wyk

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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