Mit Urteil vom 5.12.2019 (Az.: 2 AZR 223/19) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten mit Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert des § 4f Abs. 1 Satz 4 BDSG (alte Fassung) endet. Gleichzeitig beginnt der nachwirkende Kündigungsschutz des § 4 Abs. 3 S. 6 BDSG a.F.
1. Der Fall
Der Kläger war bei der beklagten Bank in einer Niederlassung in Frankfurt am Main tätig. Zum Zeitpunkt seiner Einstellung waren dort neun Personen beschäftigt, die ständig automatisiert personenbezogene Daten verarbeiteten. Mit Schreiben vom 1. Juni 2010 bestellte die Beklagte den Kläger gemäß § 4f BDSG a.F. zum Datenschutzbeauftragten. In den Jahren 2010 bis 2015 beschäftigte die Beklagte zwischen zehn und dreizehn, im Jahr 2016 neun Mitarbeiter in der Niederlassung.
Im April 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Beklagte in der Niederlassung insgesamt acht Arbeitnehmer.
Der Kläger war der Ansicht, ihm habe aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 Satz 5 BDSG a.F. nur außerordentlich gekündigt werden können.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und das Landesarbeitsgericht Hessen gaben dem Kläger Recht. Er sei zu einem Zeitpunkt zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden, als die Beschäftigtenanzahl von neun überschritten war, ein späteres Absinken dieses Schwellenwertes sei unerheblich.
2. Die Entscheidung
Dem folgte das BAG nicht. Das Gesetz ordne an, dass der Datenschutzbeauftragte nur in solchen Unternehmen besonders vor Kündigungen geschützt sein soll, in denen in einem bestimmten Umfang personenbezogene Daten verarbeitet werden. Hierfür hat der Gesetzgeber als Kriterium die Anzahl der Personen festgelegt (nach damaliger Rechtslage neun), die in der Regel ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind; dann sei die Bestellung des Datenschutzbeauftragten verpflichtend. Die Vorinstanzen gingen noch davon aus, dass ein ursprünglich verpflichtend bestellter Datenschutzbeauftragter nach Absinken dieses Schwellenwertes nicht zum „freiwilligen“ Datenschutzbeauftragten wird; er verliere seinen Sonderkündigungsschutz erst, wenn er abberufen wird. Das BAG teilte diese Auffassung nicht und stellte auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ab.
Das BAG verwies die Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht. Dieses muss nun ermitteln, wann die Beschäftigtenanzahl zurückgegangen ist; dem Kläger stehe gegebenenfalls der einjährige nachwirkende Sonderkündigungsschutz nach § 4 Abs. 3 S. 6 BDSG a.F. zur Seite.
3. Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung erging zur alten Rechtslage nach § 4f BDSG a. F. Die Wertungen des Urteils sind aber auf die seit dem 25. Mai 2018 geltende aktuelle Rechtslage übertragbar.
Gemäß §§ 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG n.F. genießen Datenschutzbeauftragte bei privaten Arbeitgebern Sonderkündigungsschutz, wenn im Unternehmen in der Regel mindestens 20 (früher: neun) Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Dies soll der Stärkung der Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten dienen.
Das Arbeitsverhältnis mit dem Datenschutzbeauftragten kann daher nur aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB gekündigt werden. Nach Beendigung der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter endet auch der Sonderkündigungsschutz; er ist jedoch noch für ein weiteres Jahr vor ordentlichen Kündigungen geschützt (nachwirkender Kündigungsschutz). Sinkt die Zahl der relevanten Beschäftigten unterhalb des Schwellenwertes von 20 Beschäftigten, ist dies nach dem neuen Urteil des BAG mit der Abberufung des Datenschutzbeauftragten gleichzusetzen, und es greift von diesem Zeitpunkt an der einjährige nachwirkende Kündigungsschutz ein.
Vor dem 26. November 2019 lag dieser gesetzliche Schwellenwert bei zehn Beschäftigten. Datenschutzbeauftragte in Unternehmen mit mindestens zehn und höchstens 19 Beschäftigten haben mit diesem Stichtag ihren Sonderkündigungsschutz verloren und es greift auch hier der einjährige nachwirkende Kündigungsschutz ein, der am 26. November 2020 enden wird.
Steigt die Beschäftigtenzahl (wieder) auf 20 oder mehr an, dürften einmal bestellte, noch nicht abberufene Datenschutzbeauftragte den Kündigungsschutz (wieder) erlangen. Da es darauf ankommt, wie viele Personen „in der Regel“ ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, kann die Bestimmung des Schwellenwertes gegebenenfalls schwierig sein. Es muss stets eine Prüfung im Einzelfall erfolgen.
Den Volltext des BAG-Urteils finden Sie hier.
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