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Aussetzung der Vollziehung für Nachzahlungszinsen wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe

Gemäß §§ 233a und 238 AO sind nachzuzahlende oder zu erstattende Steuern mit 0,5 Prozent für jeden Monat zu verzinsen. Dieser im Vergleich zum Marktzins übermäßig hohe Zinssatz steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Jetzt äußerte auch der Bundesfinanzhof mit seinem Beschluss vom 25. April 2018 (IX B 21/18) schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Nachzahlungszinsen und gewährte vorläufigen Rechtschutz.

15.05.2018

Nach Auffassung des BFH verstößt die realitätsferne Bemessung des Zinssatzes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreitet zumindest für den – vom Verfahren betroffenen – Zeitraum vom 1. April 2015 bis 16. November 2017 das bereits eingetretene und nicht mehr nur vorübergehende niedrige Marktzinsniveau in erheblichen Maße. Die Argumentation des Gesetzgebers, den Zinssatz aus Praktikabilitäts- und Vereinfachungsgründen unverändert beizubehalten, sei nicht mehr tragend. Weiterhin sei der Sinn und Zweck der Verzinsung, nämlich der Ausgleich des Nutzungsvorteils, den der Steuerpflichtige aus der Nichtentrichtung erzielt, bei einer realitätsfremden Zinshöhe kaum mehr erreichbar. Ebenso sieht der BFH jedoch Erstattungszinsen ebenfalls als nicht realitätsgerecht an.

Der Beschluss des BFH erging überraschend. So bestätigte beispielsweise noch kürzlich der BFH in seinem Urteil vom 9. November 2017 (Az. III R 10/16, Beitrag vom 6. März 2018) die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Nachforderungszinsen für das Jahr 2013.

Praxishinweis

Steuerpflichtige können für Zinsbescheide (Nachzahlungszinsen, Stundungszinsen, etc.) mit Berufung auf das Urteil des BFH bezüglich der Zinsen ab 2015 die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Auf alle Fälle empfehlen wir Bescheide über die Festsetzung von Nachforderungszinsen durch Rechtsbehelf offenzuhalten, bis das Hauptsacheverfahren sowie die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren für die Jahre ab 2010 bzw. 2012 (1 BvR 2237/14 bzw. 1 BvR 2422/17) entschieden wurden.

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