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Green Finance-Ideen der EU verunsichern Investoren langfristiger Immobilienprojekte

Das am 19. Dezember 2019 angekündigte Klassifikationssystem für nachhaltige Investitionen in der EU ist ein ambitionierter Schritt in Richtung Umwelt- und Klimaschutz, verunsichert allerdings auch Investoren. Konkrete Schwellenwerte für Nachhaltigkeitskriterien für Immobilieninvestitionen werden erst ab Ende 2020 erwartet.

09.03.2020

Was ist das Ziel der Europäischen Institutionen?

Bereits im Jahr 2018 legte die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket und Gesetzesvorschläge für die EU-weite Förderung und Finanzierung nachhaltigen Wachstums vor. Dazu gehörten insbesondere Vorschläge für eine einheitliche Definition nachhaltiger Investitionen, Offenlegungspflichten institutioneller Anleger und die Verbesserung von Benchmark-Werten zum Vergleich der CO2-Fußabdrücke verschiedener Investitionsprojekte in den Sektoren Immobilienwirtschaft, Landwirtschaft, Energieversorgung, Transport u.a. Im Dezember 2019 einigten sich schließlich die politischen Partner auf ein einheitliches Klassifikationssystem, eine sog. Taxonomie.

Damit will die EU ein konkretes Regelwerk für die Förderung eines nachhaltigen Finanzmarktes schaffen und bisherige Schlupflöcher für „Greenwashing“ von Unternehmen und Investitionen vermeiden. Dadurch könnte ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz und die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens bis zum Jahr 2050 geleistet werden.

Geplante EU-Klassifizierung

Die Konzeption der Taxonomie beruht auf folgenden umweltpolitischen Zielen der EU:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung bzw. Verminderung von Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Als „nachhaltig“ definierte Investitionen sollen künftig zumindest einem der genannten Kriterien entsprechen bzw. zumindest keine wesentliche Beeinträchtigung der Ziele in anderen Bereichen darstellen (Do-no-harm-Prinzip). Weiterhin ist die Einhaltung sozialer Mindeststandards und spezifischer technischer Evaluierungskriterien zu prüfen. Investoren müssen dann zukünftig für jedes Finanzprodukt den individuellen Beitrag zu den Umweltzielen der EU nachweisen. Die Taxonomie lässt allerdings ausdrücklich Raum für Übergangslösungen, z.B. in Bezug auf Windkraftenergie, Gas- und Kernenergie.

Die endgültige Fassung der Klassifizierung soll bis Ende 2020 durch die Europäische Kommission erstellt werden. Mit Unterstützung von technischen Expertengruppen wird die Kommission einen detaillierten Kriterienkatalog für jedes einzelne der sechs Umweltziele und jeden einzelnen Sektor definieren, der ab Ende 2021 EU-weit Gültigkeit erlangen soll.

Nachhaltige Investitionen im Immobiliensektor

Der Immobiliensektor ist ein entscheidender Faktor bei Energieverbrauch und Emissionsbelastungen innerhalb der EU. Zukünftig wird im Rahmen der neuen Nachhaltigkeitsklassifizierung wohl vermehrt auf die Energieeffizienz und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen im Immobiliensektor als maßgebendes Kriterium geachtet werden.

Insbesondere die Finanzierungsfrage im Immobiliensektor wird sich auf das sog. Green Finance konzentrieren: Fremdkapitalgeber und Investoren werden Investitionsentscheidungen auch an den Nachhaltigkeitszielen der EU ausrichten müssen. Förderbanken wie KfW und EIB sowie die EZB haben angekündigt, den Entscheidungsprozess bezüglich Investitionen künftig an ökologischen Maßstäben auszurichten. Dies wird voraussichtlich zum Wachstum von Investitionen in entsprechende nachhaltige Technologien führen und die Renovierung von Immobilien anregen.

Kritiker sehen in der neuen Klimaschutzpolitik der EU jedoch auch die Gefahr eines hohen bürokratischen Aufwands und praxisferner Zielvorgaben. Bis zum Vorliegen des detaillierten Kriterienkataloges sind Neuinvestitionen in Immobilienprojekte für Investoren von Unsicherheiten geprägt. Aktuelle State-of-the-Art-Technologien im Bereich Umweltschutz und Energieeffizienz könnten zukünftig nicht unter den Nachhaltigkeitsbegriff der EU-Klassifizierung fallen, wodurch Finanzierung, Wettbewerbsfähigkeit und Image der Projekte gefährdet sein könnten.

Fazit

Der ambitionierte Gesetzgebungsplan der EU birgt zahlreiche Chancen für eine nachhaltige Ausrichtung von Investitionen und Wachstum in Europa, von der nicht zuletzt auch die Immobilienbranche profitieren kann.

Voraussetzung ist eine praxisnahe und realistische Ausgestaltung der konkreten Kriterienkataloge, die technologische und ökologische Umsetzbarkeit sowie Klima- und Umweltschutz verbindet.

Bis zur erwarteten Konkretisierung des Kriterienkataloges Ende 2020 unterliegen Investitionen noch dem Risiko einer sich zukünftig ändernden Nachhaltigkeitsbewertung, sodass Investoren die Konzeption und Finanzierungsstruktur bestehender Projekte an die Umweltziele der EU angleichen müssen.

Die Experten von eureos verfügen über langjährige Erfahrungen in der Finanzierungsberatung sowie der Immobilienbewertung. Egal, ob als unabhängiger Gutachter oder beratend, z.B. im Rahmen Ihres Investitionsvorhabens– wir sind gern für Sie da. Selbstverständlich halten wir Sie bezüglich der Entwicklungen im Gesetzgebungsprozess der EU auf dem Laufenden.

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