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Umsatzsteuerfreiheit Fertigarzneimittel – Finanzgericht sieht ambulante Abgabe als eng verbundenen Umsatz

Das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 21. Oktober 2021 (Az. 3 K 1024/17) entschieden, dass die ambulante Abgabe von Fertigarzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke gem. § 4 Nr. 14 b UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.

15.02.2022
Sachverhalt

Klägerin war eine Kommune, die ein Krankenhaus betrieb. Die zugehörige Krankenhausapotheke versorgte auch die ambulanten Patienten mit Medikamenten, u. a. auch mit Fertigarzneimitteln.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei der die Abgabe der Fertigarzneimittel – im Gegensatz zu den individuell hergestellten Zubereitungen – nicht um einen eng verbundenen Krankenhausumsatz handelt, sondern zwischen der ärztlichen Heilbehandlung einerseits und der Medikamentenlieferung andererseits zu differenzieren und somit die Medikamentenabgabe umsatzsteuerpflichtig sei.

Entscheidungsgründe des Finanzgerichts

Das FG Sachsen-Anhalt folgt der Ansicht der Klägerin und entschied, dass die Verabreichung der Fertigarzneimittel im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung einen steuerbaren, aber steuerfreien Umsatz darstellt.

Eine Absage hat das Gericht der Annahme des Finanzamtes erteilt, dass die Fertigarzneimittel steuerpflichtig zu behandeln seien, weil sie nicht individuell hergestellt werden. Explizit wird darauf hingewiesen, dass der Herstellungsprozess irrelevant sei und es ausschließlich auf den Einsatz des Medikamentes ankommt.

Zur Begründung der Steuerfreiheit führen die Richter des FG weiter aus:

  • Entscheidend für die Annahme eines eng verbundenen Umsatzes ist, dass die Verabreichung des Medikamentes im Zeitpunkt der Erbringung der ärztlichen Leistung „unentbehrlich“ ist.
  • Ein eng verbundener Umsatz liegt sowohl bei Abgabe durch den ermächtigten Arzt als auch bei Abgabe durch die Krankenhausapotheke vor.
  • Auch EU-Recht, insbesondere Art. 134 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, steht einer Steuerfreiheit nicht entgegen.

Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.

Praxishinweise und Handlungsbedarf

Die Urteilsbegründung des Finanzgerichts ist überzeugend. Sollte die Auffassung des Finanzgerichts vom BFH bestätigt werden, gehen wir davon aus, dass die Finanzverwaltung – ähnlich wie im BMF-Schreiben vom 28. September 2016 zu den patientenindividuellen Zubereitungen – eine Übergangsregelung zum Übergang auf die Steuerbefreiung einräumen wird. Dies ist schon deshalb geboten, da nach den aktuellen Regelungen im UStAE 4.14.6 Abs. 3 Nr. 4 die Abgabe von Fertigarzneimitteln im Rahmen der ambulanten Behandlung explizit nicht von der Umsatzsteuerbefreiung umfasst ist.

Bislang werden diese Leistungen durch die Krankenhäuser unterschiedlich gegenüber den Krankenkassen abgerechnet, entweder mit dem vollen (19 %) oder dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Seit dem Urteil des BFH zu den Faktorpräparaten vom 18. Oktober 2017 (Az. V R 46/16, BStBl. II 2018, 672) und der damit verbundenen ertragsteuerlichen Zuordnung zum Zweckbetrieb bestehen die Krankenkassen bei gemeinnützigen Krankenhausträgern auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und stellen Rückforderungsansprüche.

Aufgrund des nunmehr vorliegenden Urteils ist damit zu rechnen, dass die Krankenkassen möglicherweise erneut eine Korrektur der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (19 % oder 7 %) auf 0 % verlangen werden. Dies ist aber für die Krankenkassen nicht immer vorteilhaft. Da im Falle einer Korrektur auf 0 % keine umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätze vorliegen, entfällt der Vorsteuerabzug und führt zu einer Erhöhung des Abgabepreises. Die Krankenhäuser müssen in diesem Fall mindestens die Bruttoeinkaufspreise der Fertigarzneimittel abrechnen, um keine Verluste zu erzielen.

Das folgenden Zahlenbeispiel zeigt diese Auswirkungen:

19 % USt EUR 7 % USt EUR   0 % USt EUR
Wareneinsatz 80,00 80,00 95,20*
Aufschlag (Gemeinkosten, Gewinn) 20,00 20,00 20,00
Summe netto 100,00 100,00 115,20
Umsatzsteuer 19,00 7,00 0,00
Summe brutto 119,00 107,00 115,20

 

* Wareneinsatz (EUR 80,00) zzgl. 19 % Umsatzsteuer

Jedenfalls in den Fällen, in denen die Abgabe der Fertigarzneimittel mit 19 % Umsatzsteuer abgerechnet wurde, sollten die Festsetzungen durch Einlegung eines Rechtsbehelfs unbedingt offen gehalten werden.

Zu beachten ist außerdem, dass spätestens ab dem 1. Juli 2017 die Umsatzsteuer auch in den Abrechnungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen offen ausgewiesen werden musste. Dies erschwert eine Korrektur der bisherigen umsatzsteuerlichen Behandlung, da die Finanzverwaltung zu viel gezahlte Umsatzsteuer in diesen Fällen erst dann erstattet, wenn die Abrechnungen gegenüber den Krankenkassen korrigiert wurden und zu viel vereinnahmte Umsatzsteuer zurückgezahlt wurde.

Derzeit versuchen verschiedene Krankenkassen, mit den Krankenhäusern Vereinbarungen zur Rückzahlung der Umsatzsteuer zu schließen. Das Bundessozialgericht hat einen solchen Anspruch mit Beschluss vom 10. November 2021, Az. B 1 KR 5/21 B, verneint, verweist zur Begründung aber allein darauf, dass es für die Krankenhäuser derzeit noch nicht möglich sei, einfach und risikoarm überzahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzuerlangen. Dies kann sich ändern, wenn die Finanzbehörden sich hierzu verbindlich festlegen. Es kann daher trotz der Entscheidung des Bundessozialgerichts sinnvoll sind, Vereinbarungen mit den Krankenkassen zu treffen.

Weil die Rechtslage noch unsicher ist, müssen die Vereinbarungen aber Regelungen dazu enthalten, was jeweils gelten soll, wenn tatsächlich ein anderer als der zugrunde gelegte Steuersatz Anwendung findet. Außerdem muss geklärt sein, ob Rechtsmittel gegen Steuerbescheide eingelegt werden sollen oder dürfen, wer die Kosten trägt, oder ob das Krankenhaus eine Verwaltungskostenpauschale erhält, insbesondere dann, wenn eine Rechnungskorrektur wegen § 14c UStG erforderlich wird. Außerdem können erhebliche Zinsbeträge auflaufen, die ebenfalls eine vertragliche Vereinbarung erfordern.

Dasselbe gilt übrigens auch für Verträge, die für die Zukunft geschlossen werden und die künftige Verfahrensweise regeln sollen. Denn da die Rechtsprechung zur Umsatzsteuer noch nicht gefestigt ist, ist es auch hier denkbar, dass die Parteien von einem Steuersatz ausgehen, der später von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung nicht bestätigt wird.

Auch die eingangs besprochene Entscheidung des Finanzgerichts Dessau ist noch nicht bestandskräftig.

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