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Referentenentwurf für ein Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 15. Februar 2021 einen Referentenentwurf zu einem Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze, kurz Steueroasenabwehrgesetz (StAbwG), veröffentlicht, welches es künftig erschweren soll, durch Geschäfte in sogenannten Steueroasen hierzulande Steuern einzusparen.

04.03.2021

Ziel des Entwurfs ist die nationale Einführung von verbindlichen Regelungen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerwettbewerb. Das Bestreben fußt auf den Schlussfolgerungen des Rates der EU zur „Schwarzen Liste“ sowie den durch die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ verhandelten und durch den Rat gebilligten Maßnahmen.

Der Kampf gegen Steuervermeidung in Steueroasen ist nicht neu: So gibt es bereits seit 2009 die Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung, die jedoch mangels nichtkooperativer Staaten, die unter diese Verordnung fallen sollten, wenig Durchschlagkraft zeigte (vgl. BMF-Schreiben vom 5. Januar 2010).

Nun soll – auch auf Ebene der Europäischen Union (EU) – nachgebessert werden. So bezieht sich das StAbwG konkret auf die sogenannte „Schwarze Liste“ der EU. Diese wurde bereits 2017 eingeführt, wird fortlaufend aktualisiert und benennt Staaten und Gebiete, die Steuerhinterziehung erleichtern, einen unfairen Steuerwettbewerb betreiben und keine Transparenz in Steuersachen zeigen. Derzeit beinhaltet die Liste Staaten wie die Seychellen, die Amerikanischen Jungferninseln, Panama und Barbados. Ziel ist insbesondere die Erhöhung des Reformdrucks auf die betroffenen Staaten. Die vollständige Liste ist auf der Homepage des Europäischen Rates und des Rates der Europäischen Union abgebildet.

Abwehrmechanismen gegen die Steuervermeidung

Um diese Ziele wirkungsvoll umzusetzen, hat eine Taskforce des EU-Rates, die Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“, Ende 2019 einen Bericht vorgestellt, in welchem konkrete Maßnahmen für die EU-Finanzministerien zusammengestellt wurden. Jedes EU-Mitglied hat mindestens eine der folgenden Maßnahmen in einem Gesetz zu verwirklichen:

  • Verbot eines Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs;
  • Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung;
  • Verbot des Quellensteuerabzugs;
  • die Versagung des Schachtelprivilegs für Dividenden aus Steueroasen.

Das BMF hat sich im nun veröffentlichten Entwurf dafür entschieden, alle vier Abwehrmechanismen gesetzlich umzusetzen.

Konkret heißt das, dass ein Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug nur bei Geschäftsvorfällen mit Geschäftspartnern aus „nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten“ zulässig ist, wenn die Erträge in Deutschland beschränkt oder unbeschränkt zu versteuern sind (§ 8 StAbwG-E).

Unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die an einer ausländischen Gesellschaft in einem nicht „kooperativen Steuerhoheitsgebiet“ beteiligt sind, unterfallen nach § 9 StAbwG-E der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung im Sinne der §§ 7 bis 21 AStG. Das heißt, dass die ausländische Gesellschaft mit sämtlichen Einkünften eine sogenannte Zwischengesellschaft darstellt. Ausgenommen sind jene Erträge, bei denen die korrespondierenden Aufwendungen bereits dem Abzugsverbot unterliegen und die aus den aktiven Tätigkeiten des § 8 Abs. 1 AStG stammen.

Ein Quellensteuerabzug im Sinne von § 50d Abs. 1 und 2 oder § 44a Abs. 9 EStG wird im Wesentlichen verwehrt, wenn natürliche Personen in einem „nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet“ zu mehr als 10 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind (§ 10 Abs. 1 StAbwG-E).

Hinzu tritt eine Quellensteuerpflicht in Höhe von 15 % der gesamten Einkünfte, die natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen mit Sitz in einem „nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet“ erzielen aus

  • Finanzierungsbeziehungen;
  • Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen;
  • der Erbringung von weiteren Dienstleistungen;
  • dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen

und sofern die Vergütungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten eines anderen Steuerpflichtigen bei dessen Veranlagung zur beschränkten oder unbeschränkten Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerpflicht berücksichtigt werden können (§ 10 Abs. 2 StAbwG-E). Letzteres gilt unabhängig vom Verbot des Betriebsausgabenabzugs nach § 8 Satz 1 StAbwG-E.

Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an Gesellschaften in „nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten“ werden nicht nach § 8b Abs. 1 S. 1 bzw. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG freigestellt. Diese Regelung entspricht den bereits bestehenden §§ 3 und 4 der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung.

Darüber hinaus schreibt der Entwurf gesteigerte Mitwirkungspflichten in den betroffenen Fällen vor. Demnach ist der Steuerpflichtige beispielsweise zur Erstellung von detaillierten Aufzeichnungen zu den konkreten Geschäftsbeziehungen, den eingesetzten Vermögenswerten sowie zu den unmittelbaren und mittelbaren Anteilseignern an Gesellschaften in einem „nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet“.

Betroffen sind alle Geschäftsbeziehungen, unabhängig von deren Ausgestaltung, die in oder mit Bezug zu den nicht kooperativen Steuerhoheiten der „Schwarzen Liste“ unterhalten werden. Dazu zählen schuldrechtliche, gesellschaftsrechtliche sowie Beteiligungsverhältnisse.

Einschätzung und Ausblick

Zwar soll laut Entwurf immer nur einer der Abwehrmechanismen zur Anwendung kommen. Dennoch ist absehbar, dass der Entwurf in seiner derzeitigen Fassung in einigen Fällen zu unangemessen hohen Bemessungsgrundlagen führen wird. Denn: Eine Exkulpationsmöglichkeit für seriöse Geschäftstreibende, die wirtschaftlich in den gelisteten Gebieten tätig sind, ist nicht vorgesehen. Das betrifft insbesondere Investoren oder Tourismusdienstleister. Besonders brisant erscheint vor diesem Hintergrund, dass derzeit diskutiert wird, die Türkei in die Liste der sogenannten nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiete aufzunehmen. Diese Unternehmer trifft zusätzlich eine weitreichende Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflicht über sämtliche Geschäftsvorfälle, wobei ein Verstoß gegen diese Pflichten hohe Zulagen durch die Finanzverwaltung zur Folge haben kann.

Problematisch ist insbesondere der weite persönliche Anwendungsbereich des Referentenentwurfs, der sämtliche Geschäftsbeziehungen pauschal unter Generalverdacht stellt.

Fraglich ist darüber hinaus auch, inwieweit auch andere EU-Mitgliedsstaaten ähnlich weitreichende und einschneidende Regelungen wie Deutschland implementieren.

Das BMF hat den Interessenverbänden bis Anfang März Zeit gegeben, sich zu dem vorliegenden Entwurf zu äußern. Es bleibt also abzuwarten, welche Änderungen der Entwurf bis zum verabschiedeten Gesetz noch erfahren wird. Die CDU/CSU hat bereits eine erste Stellungnahme zu dem Entwurf abgegeben und den Umfang der geplanten Maßnahmen heftig kritisiert. Es ist damit zu rechnen, dass auch von den Verbänden lautstarke Kritik an dem Entwurf geübt werden wird. Unklar ist derzeit, wie hoch das Wirtschaftsaufkommen zwischen der Bundesrepublik und möglicherweise betroffenen Staaten tatsächlich ist und wie hoch die zu verkraftenden Wirtschaftsschäden damit wären.

Die „Schwarze Liste“ der EU wird in den nächsten Wochen durch den EU-Rat Wirtschaft und Finanzen angepasst, wobei einzelne Gebiete hinzukommen sollen, während andere Gebiete, die den Standards nun entsprechen sollen, gestrichen werden.

Die Regelungen sollen ab dem 1. Januar 2022 ungeachtet möglicherweise entgegenstehender DBA-Vorschriften anwendbar sein. Für Steuerhoheitsgebiete, die zum 1. Januar 2021 noch nicht auf der „Schwarzen Liste“ genannt werden, soll das Gesetz ab dem 1. Januar 2023 angewendet werden.

Wir werden Sie an dieser Stelle über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens informieren.

Update vom 6. April 2021

Das Bundeskabinett hat am 31. März 2021 den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (Steueroasen-Abwehrgesetz) beschlossen. Nennenswerte Änderungen gab es keine. Der Bundesrat wird nun Gelegenheit haben, sich zu dem Entwurf zu äußern.

Beide Entwürfe (Referentenentwurf sowie Regierungsentwurf) wurden auf der Homepage des BMF veröffentlicht.

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