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Obligatorische Angabe von „Herr“ oder „Frau“ verletzt allgemeines Persönlichkeitsrecht von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität

Die Pflicht einer Person, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, sich selbst im Rahmen einer Online-Bestellung als „Herr" oder „Frau" einzuordnen, verletzt diese Person in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das hat das Landgericht Frankfurt a. M. durch Urteil vom 3. Dezember 2020 (Aktenzeichen 2-13 O 131/20) entschieden.

08.06.2021
Gesetzesänderung als Grundstein für differenzierte Anreden

Weiblich, männlich, divers – bereits im Jahr 2018 hat der Gesetzgeber durch sein Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben Abstand vom binären Geschlechtermodell genommen und intersexuellen Personen die Möglichkeit gegeben, sich offiziell als solche behördlich erfassen zu lassen. Dem Grundgedanken dieser parlamentarischen Wertung folgt nun auch zunehmend die Rechtsprechung.

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt a. M.

In dem der aktuellen Entscheidung zugrunde liegenden Fall wollte die klagende Person über eine Online-Plattform Fahrkarten auf ihren Namen erwerben. Bei der Angabe ihrer persönlichen Informationen musste sie sich zwischen der Anrede „Herr“ oder „Frau“ entscheiden. Weil sich die betroffene Person keinem der binären Geschlechter zugehörig fühlte, erhob sie Klage gegen die für den Bestellvorgang zwingend notwendige Kategorisierung. Das Landgericht Frankfurt a. M. hat der Klage stattgegeben. Die obligatorische Einordnung einer Person intersexuellen Geschlechts als „Herr“ oder „Frau“ verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf sexuelle Identität dieser Person. Gerade in Fällen, in denen das Geschlecht für das angebotene Produkt ohne Belang sei, könne auf eine geschlechtsspezifische Einordnung der bestellenden Person verzichtet werden, ohne den Anbieter hierbei wesentlich in seinem Betriebsablauf einzuschränken. Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig und kann mit der Berufung beim Oberlandesgericht angefochten werden.

Welche Folgen hat die Entscheidung für Onlineshops?

Sofern Sie über Ihre Internetplattform Online-Bestellungen über ein Formular anbieten, sollten Sie erwägen, künftig auf die klassische Auswahlmöglichkeit der Anredeform „Herr“/ „Frau“ zu verzichten. Mit Blick auf die aktuelle Entscheidung könnte sich auch in der Bestellbestätigung eine geschlechtsneutrale Ansprache empfehlen („Guten Tag…“).

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