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Hinzurechnungsbesteuerung im Drittstaatenfall

Nach § 7 Abs.1 AStG sind Einkünfte sogenannter Zwischengesellschaften (Gesellschaften mit Einkünften im Sinne des § 8 AStG mit Sitz oder Geschäftsleistung außerhalb Deutschlands, an der inländische unbeschränkt Steuerpflichtige zu mehr als 50 % beteiligt sind) entsprechend der Höhe der (inländischen) Beteiligung an dieser Zwischengesellschaft in Deutschland steuerpflichtig. Die Zwischengesellschaft wird für diesen Teil der Einkünfte negiert (Hinzurechnungsbesteuerung).

09.10.2020

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit Urteil vom 18. Dezember 2019 (Az. I R 59/17) zur Anwendung des § 7 Abs. 6 AStG im Verhältnis zu Abs. 1 geäußert. Demnach kommt der in § 7 Abs. 6 AStG enthaltenen Regelung über die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagencharakter keine selbstständige Bedeutung mehr zu, wenn bereits die Voraussetzungen der (allgemeinen) Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG erfüllt sind. Darüber hinaus stellte der BFH klar, dass wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten im Sinne der funktionalen Betrachtungsweise einheitlich unter § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren seien; Ausnahmen hiervon seien nur für Einzeltätigkeiten mit einem erheblichen wirtschaftlichen Eigengewicht möglich.

Der Urteilsfall beschäftigte sich mit der Beteiligung von zwei inländischen GmbHs an einer ungarischen Holding-Kft, wobei GmbH1 zu lediglich 0,0037 % und GmbH2 zu 99,9963 % beteiligt waren. Die ungarische Holding war wiederum Ende 2004 an insgesamt 13 in Ungarn operativ tätigen Märkten beteiligt, die jeweils ebenfalls inder Rechtsform der Kft organisiert waren. Die Holding erbrachte gegenüber ihren Tochtergesellschaften zentrale Dienstleistungen (beispielsweise Hilfe bei der Eröffnung und Expansion des ungarischen Unternehmens, Einkaufs-und Vertriebsberatung, Buchhaltung, Marketing). In den Jahren 2000 bis 2003 erwirtschaftete die ungarische Holdinggesellschaft überwiegend Einkünfte aus der Vergabe von Darlehen an die ungarischen Tochtergesellschaften. Die Darlehen wurden aus Eigenkapital und aus bei der GmbH2 aufgenommenen Krediten refinanziert.

Einkommen von Körperschaften wurden in Ungarn bis 2003 mit 18 % besteuert; ab 2004 wurde der Steuersatz auf 16 % reduziert (Niedrigbesteuerung im Sinne des AStG). Der EU-Beitritt Ungarns erfolgtezum 1. Mai 2004.

Nach Ansicht des Finanzamtes handelte es sich bei den Zinseinkünften der ungarischen Holding-Kft um sogenannte passive Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG, die der Hinzurechnungsbesteuerung Hinzurechnungsbesteuerung im Drittstaatenfall zu unterwerfenwaren. Die Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften seien hingegen als aktive Tätigkeiten unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG zu subsumieren.

Demnach stellte es für die Wirtschaftsjahre 2000 bis 2003 (Feststellungsjahre 2001 bis 2004) entsprechende Hinzurechnungsbeträge fest, die wiederum den inländischen Muttergesellschaften entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zugerechnet wurden.

Das vorinstanzliche Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung der Finanzverwaltung und wies die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Revision war in weiten Teilen erfolgreich; der BFH sah lediglich für das Wirtschaftsjahr 2000 (Feststellungsjahr 2001) die Revision als unbegründet an. Hier liege eine allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 AStG vor; § 7 Abs. 6 AStG komme daher keine selbstständige Bedeutung zu. Eine einheitliche Subsumtion der Kreditvergabe und der Dienstleistungstätigkeit unter demTatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG (aktive Tätigkeit durch funktionale Betrachtungsweise) komme nicht in Betracht, da zwischen der von der Holding ausgeübten Dienstleistungstätigkeit und der Kreditvergabe kein funktionaler wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden habe. Ein Gegenbeweis im Rahmen eines sogenannten Motivtests stand den inländischen GmbHs nicht zu, da dieser erst in 2008 eingeführtwurde undnicht für Drittstaaten anwendbar ist (Beitritt Ungarns zur EU erfolgte in 2004). Auch eine Freistellung nach dem DBA Ungarn komme nicht in Betracht. Der BFH kommt zu dem Schluss, dass die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung zwar zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit mit einem Drittstaat führe, die Grundfreiheit aber wegen der sogenannten Standstill-Klausel ohnehin nicht anwendbar war.

Für die übrigen Wirtschaftsjahre 2001 bis 2003 (Feststellungsjahre 2002 bis 2004) verstößt derAnsatz von Hinzurechnungsbeträgen nach Ansicht des BFH aufgrund der Beschränkung des Kapitalverkehrs mit einem Drittstaat gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit. Eine Rechtfertigung der Beschränkung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und insbesondere aufgrund der Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung komme nicht in Betracht. Mit Urteil vom 22. Mai 2019 (Az. I R 11/19) hatte der BFH im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) „X“ vom 26. Februar 2019 (Az. C-135/17) entschieden, dass die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagencharakter einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft zu einer unionsrechtswidrigen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit führt. Im vorliegenden Fall habe daher aufgrund des erst späteren Beitritts Ungarns zur EU Gleiches zu gelten. Die Standstill-Klausel sei wegen der zum 1. Januar 2001 eingetretenen Rechtsänderungen nicht anwendbar. Weiterhin ging der BFH aufgrund einer für ihn bindenden Feststellung des vorinstanzlichen FG davon aus, dass die Beteiligungen der inländischen GmbHs an der ungarischen Holdinggesellschaft nicht auf einer künstlichen Gestaltung beruhten. Einer Bestätigung durch die ungarischen Behörden bedurftees in diesem Fall nicht.

Aufgrund der wachsenden internationalen Verflechtung von Unternehmens-und Konzernstrukturen kommt den Regelungen des AStG eine wachsende Bedeutung zu. Im Hinblick auf denHinzurechnungstatbestand muss, insbesondere vor dem Hintergrund der Verschärfung der außensteuerrechtlichen Regelungen (Newsbeitrag vom 20. Dezember 2019), beachtet werden, dass gegebenenfalls als passiv einzustufende Einkünfte im Wege der funktionalen Betrachtungsweise wirtschaftlich eine funktionale Einheit mit aktiven Tätigkeiten im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 AStG bildenkönnen und dann einer einheitlichen Beurteilung unterliegen.

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