Fachnews
Geänderte Spielregeln für die Gemeinnützigkeit durch das Jahressteuergesetz 2020

Neben den bereits bekannten Vorschlägen aus dem letzten Jahr hat der Bundesrat insbesondere auch eine Neureglung der Besteuerung bei Beendigung der Gemeinnützigkeit vorgelegt. Im Einzelnen dazu wie folgt.

03.12.2020
Zweiter Anlauf für die beim Jahressteuergesetz 2019 eingebrachten Änderungsvorschläge

Grundsatz der Unmittelbarkeit (§ 57 Absatz 3 und 4 AO – neu)

Der Bundesrat hatte bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2019 eine Ergänzung zum Grundsatz der Unmittelbarkeit gefordert (vgl. unser Newsbeitrag vom 19. September 2019). Dem ist die Bundesregierung damals nicht gefolgt.

Nun nimmt der Bundesrat einen erneuten Anlauf bezüglich dieser Änderungen. Danach könnten künftig beispielsweise auch Servicegesellschaften gemeinnützig sein, wenn sie satzungsgemäß und planmäßig mit einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft zusammenwirken und einen gemeinnützigen Zweck verfolgen.

Gleiches gilt in Bezug auf Holding-Gesellschaften, wenn diese ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet. Anders als im Vorjahr hat die Bundesregierung dieses Jahr dem Vorschlag des Bundesrates zugestimmt.

Mittelweitergabe (§ 58 Nummer 1 und 2 AO)

Der Bundesrat plant weiterhin die Zusammenfassung der beiden Tatbestände zur Mittelweitergabe an andere gemeinnützige Körperschaften in den Nummern 1 und 2 von § 58 AO zu einer einheitlichen Nummer 1. Zudem sollen die Regelungen zum Vertrauensschutz angepasst werden. Bezüglich dieser Regelung hat sich die Bundesregierung jedoch eine Prüfung vorbehalten.

Erhöhung der Freigrenzen in § 64 Absatz 3 AO

Die Freigrenze, bis zu der Einnahmen im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterworfen werden, soll von derzeit EUR 35.000,00 auf EUR 45.000,00 angehoben werden und damit Vereinfachungen für kleinere Körperschaften und Vereine bringen. Neben der Gleichsetzung der schon länger geltenden Freibeträge für sportliche Veranstaltungen soll der seit 13 Jahren fixe Freibetrag auch an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft angepasst werden. Diesem Vorschlag hat die Bundesregierung zugestimmt.

Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26, 26a EStG)

Ebenso sollen die Übungsleiterpauschale von EUR 2.400,00 auf EUR 3.000,00 sowie die Ehrenamtspauschale von EUR 720,00 auf EUR 840,00 angehoben werden. Auch hier gibt es eine Zustimmung seitens der Bundesregierung.

Weitere Änderungen

Neben den bereits im Vorjahr unterbreiteten Änderungen hat der Bundesrat folgende weitere Anpassungen vorgeschlagen:

 Vergünstigungen durch die „Ehrenamtskarte“ (§ 3 Nr. 26c EStG – neu)

In vielen Regionen werden seit einigen Jahren zur Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements so genannte Ehrenamtskarten ausgegeben. Vergünstigungen, die aufgrund einer solchen Ehrenamtskarte gewährt werden, sollen künftig nach der neuen Regelung in § 3 Nr. 26c EStG steuerfrei sein. Diesen Vorschlag will die Bundesregierung weiter prüfen und nach Möglichkeit bundeseinheitliche Regelungen treffen, um etwaige Steuergestaltungen über das Ehrenamt zu unterbinden.

Erleichterter Zuwendungsnachweis (§ 50 EStDV)

Bei Zuwendungen bis EUR 200,00 bedarf es keiner Zuwendungsbestätigung, in diesen Fällen genügt der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes mit dem Empfängerbeleg. Die betragsmäßige Grenze zur Anwendung des vereinfachten Nachweises soll zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes von EUR 200,00 auf EUR 300,00 angehoben werden. Auch diesen Vorschlag möchte die Bundesregierung prüfen, insbesondere soll ein modernes, digitales Spendenmitteilungsverfahren ausgearbeitet werden, welches das derzeitige papierbasierte Verfahren ablösen soll.

Ausstiegsbesteuerung (§ 23 Absatz 1 Satz 2 KStG – neu)

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung hat im schlimmsten Fall zur Folge, dass der Körperschaft die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt wird und Steuern für die letzten zehn Jahre nacherhoben werden. Dieses Verfahren ist für alle Beteiligten zeitaufwendig und ressourcenbindend.

Der nunmehr vom Bundesrat eingebrachte Vorschlag sieht eine einmalige Ausstiegsbesteuerung vor, die als Ausgleich für die bisher in Anspruch genommenen Steuerbegünstigungen zu zahlen ist. Die Ausstiegsabgabe beträgt 30 Prozent des maßgeblichen Vermögens zum Ausstiegszeitpunkt abzüglich Einlagen von Anteilseignern bzw. Mitgliedern. Das Vermögen ist dabei grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Der Buchwertansatz ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.

Als Ausstiegszeitpunkt ist der Beginn des Veranlagungszeitraums anzusehen, in dem die Bestimmungen über die Vermögensbindung wirksam geändert werden bzw. mit der tatsächlichen Geschäftsführung gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstoßen wird.

Im Ergebnis bleibt der Körperschaft der Status der Gemeinnützigkeit für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, in denen sie ihre Zwecke satzungsgemäß erfüllt hat, erhalten. Mit der Ausstiegsabgabe soll der dauerhafte Übergang in die nichtprivilegierte Sphäre bürokratiearm und rechtssicher gestaltet werden.

Die Bundesregierung hat dem Entwurf zugestimmt.

Erweiterung des Gemeinnützigkeitskataloges (§ 52 Absatz 2 AO)

Der Bundesrat plant ferner, den Katalog der gemeinnützigen Zwecke wie folgt zu erweitern:

  • 8: „die Förderung des Naturschutzes…, einschließlich des Klimaschutzes“
  • 9a (neu): „die Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten“
  • 10:“ die Förderung der Hilfe…für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden“
  • 22: „die Förderung der Heimatpflege, der Heimatkunde und der Ortverschönerung“.

Des Weiteren soll der Gemeinnützigkeitskatalog um die Nummer 26 (neu) erweitert werden:

  • „die Förderung der Einrichtung und Unterhaltung von Kommunikationsnetzwerken, die der Allgemeinheit ohne Gegenleistung offenstehen (Freifunk-Netze). Als Gegenleistung in diesem Sinne gilt insbesondere die Erlaubnis zur Verwendung oder Weitergabe der Nutzungsdaten für gewerbliche Zwecke“.

Die Vorschrift soll den nichtkommerziellen Netzausbau fördern. Die Bundesregierung hat den vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen grundsätzlich zugestimmt, möchte aber die Platzierung der Vorschriften prüfen.

Keine Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für Körperschaften mit geringen Einnahmen (§ 55 Absatz 1 Nummer 5 Satz 4 AO – neu)

Körperschaften, deren jährliche Einnahmen weniger als EUR 45.000,00 betragen, sollen künftig nicht mehr dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen. Diese Vereinfachungsregelung soll zur Entlastung der Finanzämter als auch der gemeinnützigen Körperschaften beitragen. Die Bundesregierung hat dem zugestimmt.

Keine Begünstigung extremistischer Gruppierungen (§ 60a Absatz 6 AO – neu)

Eine gesonderte Feststellung nach § 60a AO ist erstmals vorzunehmen, wenn die Körperschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Begünstigung erfüllt. Liegen jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse darüber vor, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Zwecke verstößt oder die Organisation als extremistisch einzustufen ist, ist die Feststellung nach § 60a AO abzulehnen oder aufzuheben. Dies enthebt solchen Organisationen des Privilegs mittels vorgeschobener Gemeinnützigkeit Zuwendungsbestätigungen ausstellen zu können.

Erweiterung des Kataloges für Zweckbetriebe (§ 68 AO)

Bürokratischer Abbau bei der Versorgung von Flüchtlingen (§ 68 Nummer 1 Buchstabe c AO – neu)

Einrichtungen zur Versorgung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern gelten mit Einführung des neuen § 68 Nr. 1 c) AO als Zweckbetrieb. Leistungen dieser Art waren schon bislang nach § 66 AO begünstigt. Jedoch war es in diesem Fall erforderlich, die Hilfsbedürftigkeit der Leistungsempfänger (§ 53 AO) nachzuweisen. Eine derartige Prüfung ist zukünftig entbehrlich.

Förderung psychischer und seelischer Erkrankungen

Neben der Fürsorge von blinden und körperbehinderten Menschen wird § 68 Nr. 4 AO dahingehend ergänzt, dass auch die „Durchführung der Fürsorge von psychischen und seelischen Erkrankungen bzw. Behinderungen“ einen begünstigten Zweckbetrieb darstellt. Die Anpassung der Vorschrift ist eine Reaktion auf die gesellschaftlichen und medizinischen Entwicklungen.

Die Bundesregierung hat den oben genannten Vorschlägen zugestimmt.

Praxishinweis

Im Sinne zukünftiger Vereinfachung wäre es sehr zu begrüßen, wenn die vom Bundesrat eingebrachten Vorschläge Eingang in die Abgabenordnung finden würden. Nach der gegenwärtigen Planung soll dazu zunächst am 9. Dezember 2020 der Finanzausschuss des Bundestages beraten, die 2./3. Lesung im Bundestag ist für Freitag, 11. Dezember 2020 oder gar erst am 16./17. Dezember 2020 vorgesehen. Der Bundesrat könnte dann am 18. Dezember 2020 seine Entscheidung treffen. Wir halten Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.

Aktueller Hinweis:

Der Bundesrat hat das Jahressteuergesetz am 21. Dezember 2020 mit wesentlichen Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht beschlossen: Jahressteuergesetz 2020, Bundesratsdrucksache 746/20, S. 44 ff., insbesondere S. 45 und 46.

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