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EuGH widerspricht BFH: im Grundsatz volles Vorsteuerabzugsrecht einer Führungsholding

Mit seinem jüngsten Urteil vom 16. Juli 2015 (in den verbundenen Rechtssachen C-108/14 und C-109/14) tritt der EuGH der Auffassung von BFH und deutscher Finanzverwaltung entgegen und bestätigt, dass eine Führungsholding zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn sie in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften eingreift und hierdurch steuerpflichtige Umsätze erbringt.

03.08.2015

I. Hintergrund

Das bloße Erwerben und Halten von Gesellschaftsanteilen ist keine wirtschaftliche Tätigkeit (sog. Finanzholding). Die Finanzholding ist kein Unternehmer und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Erst wenn eine Holding entgeltliche Dienstleistungen beispielsweise administrativer, finanzieller, kaufmännischer oder technischer Art an ihre Tochtergesellschaften erbringt, ist sie als sog. Führungs- und Funktionsholding unternehmerisch tätig und infolgedessen grundsätzlich uneingeschränkt zum Vorsteuerabzug berechtigt.

II. Die Entscheidung im Einzelnen

In seinen Vorlageentscheidungen ging der BFH hingegen von einer anderen Prämisse aus: Er lehnte bezogen auf die im Zusammenhang mit der Finanzierung und dem Erwerb der Beteiligungen stehenden Eingangsleistungen die diesbezügliche Vorsteuerabzugsberechtigung der Führungsholding ab und legte dem EuGH die Frage vor, welche Berechnungsmethode für den – von ihm angenommenen – anteiligen Vorsteuerabzug anzuwenden sei.

Dieser Prämisse widersprach der EuGH. Er stellte klar, dass

  • Kosten, die von einer Führungsholding im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften getragen werden, der wirtschaftlichen Tätigkeit derselben zuzuordnen sind, und
  • für vorsteuerbelastete Aufwendungen für das Erwerben, Halten und Verwalten der Beteiligung im Grundsatz ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug besteht.

Der EuGH bestätigt zudem ausdrücklich, dass es sich bei diesen Kosten um allgemeine Aufwendungen der Holding handelt, die direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammenhängen. Damit ist ein Nachweis, dass die Eingangsleistungen direkt und unmittelbar mit konkreten steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zusammenhängen, entbehrlich.

Ein anteiliger Vorsteuerabzug, so der EuGH weiter, komme somit nur für die Fälle in Betracht, in denen die Holding

  • oder deren umsatzsteuerliche Organgesellschaften nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerfreie Umsätze erbringen oder
  • neben ihrer wirtschaftlichen auch eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, weil sie zugleich Beteiligungen an weiteren Tochtergesellschaften hält, in deren Verwaltung sie nicht eingreift.

Es sei dabei allein Sache der nationalen Behörden oder des Unionsgesetzgebers, eine allgemeine Methode zur Berechnung des Verhältnisses zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten festzulegen. Damit lässt der EuGH die Fragen des BFH zum Aufteilungsschlüssel für den Vorsteuerabzug bei gemischten Holdings im Ergebnis unbeantwortet.

III. Auswirkungen auf die Praxis in Kürze

  • Eine Führungsholding ist grundsätzlich zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Da die Finanzverwaltung bei Holdinggesellschaften erfahrungsgemäß regelmäßig Vorsteuerkürzungen vornimmt, sollten noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzungen überprüft werden. Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
  • Ein Nachweis, dass die im Zusammenhang mit dem Erwerb, Halten und Verwalten einer Beteiligung stehenden Eingangsumsätze Kostenelemente der von der Holdinggesellschaft gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind, ist entbehrlich.
  • Mangels gesetzlicher Vorgaben darf bei gemischten Holdings für den Vorsteuerabzug ein Investitionsschlüssel, ein Umsatzschlüssel oder jeder andere geeignete Schlüssel verwendet werden. Dies gilt jedenfalls solange der BFH in seiner Anschlussentscheidung keine weiteren Einschränkungen zum geeigneten Aufteilungsschlüssel aufstellt.

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