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BMF veröffentlicht lang erwartetes Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen

Insbesondere im stationären- und Onlinehandel ebenso wie in der Reise-, Gastronomie- oder Freizeitbranche werden Gutscheine als Instrumente der Kundengewinnung, Kundenbindung und Erzielung von Umsätzen genutzt. Auch die Coronavirus-Pandemie sorgte für einen Boom der Gutscheine, da Kunden zum Beispiel geschlossene Cafés, Kinos oder Restaurants gern mit dem Kauf von Gutscheinen unterstützen bzw. Gutscheine für nicht durchführbare Leistungen akzeptiert haben.

02.12.2020

Fast zwei Jahre nach Umsetzung der EU-Gutschein-Richtlinie in nationales Recht am 1. Januar 2019 veröffentlichte nunmehr das Bundesministerium für Finanzen (BMF) das lang erwartete Anwendungsschreiben vom 2. November 2020 zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen.

Was ist ein Gutschein?

Der Gesetzgeber definiert Gutscheine im Sinne des § 3 Abs. 13 UStG als Instrumente, die vom Berechtigten ganz oder teilweise anstelle einer regulären Geldzahlung als Gegenleistung zur Einlösung gegen Gegenstände oder sonstige Leistungen verwendet werden können (Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Gutscheine können sowohl in körperlicher Art (z. B. Papierform) oder elektronischer Form bestehen. Nicht erfasst sind Preisnachlässe bzw. Preiserstattungen (z. B. Rabattcoupons aus dem Internet oder der Lokalzeitung ebenso wie Gutscheine für Warenproben oder Muster, Briefmarken, Fahrscheine und Eintrittskarten. Außerdem stellen bloße Zahlungsmittel,, wie Guthabenkarten oder Bitcoins, keine Gutscheine dar, da diese jederzeit wieder in den ursprünglichen oder noch nicht verwendeten Betrag zurückgetauscht werden können.

Liegt ein Gutschein im Sinne des UStG vor, ist zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen zu unterscheiden.

Einzweck-Gutschein

Ein Einzweck-Gutschein im Sinne des § 3 Abs. 14 UStG liegt vor, wenn der Ort der Lieferung oder Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, sowie die geschuldete Umsatzsteuer bereits bei Ausgabe des Gutscheins feststehen. Konkret müssen also bereits im Zeitpunkt der Ausgabe sämtliche Informationen vorliegen, die für die umsatzsteuerliche Behandlung erforderlich sind. Folglich sind folgende Angaben auf dem Gutschein erforderlich:

  • der leistende Unternehmer,
  • die Gattung des Leistungsgegenstands (z. B. Bücher, Möbel, Haarschnitt),
  • Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers, wenn die Bestimmung des Orts der Leistung davon abhängig ist (z. B. bei sonstigen Leistungen an einen nicht im Inland ansässigen Kunden).

Zeitpunkt der Besteuerung

Die Übertragung des Einzweck-Gutscheins im eigenen Namen gilt stets als die Lieferung des Gegenstands oder der Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Die Umsatzbesteuerung findet also bereits im Zeitpunkt der Ausgabe statt. Die tatsächliche Leistungserbringung gilt dagegen als nicht steuerbarer Umsatz und löst keine Umsatzsteuer aus. Dies gilt auch bei der Übertragung im Rahmen einer Vertriebskette. Denn in diesem Fall gilt auch der Weiterverkauf des Gutscheins durch den Gutscheinhändler als im eigenen Namen erbracht.

Die Bemessungsgrundlage bemisst sich gem. § 10 UStG nach dem Betrag, den der Kunde aufgewendet hat, um den Gutschein zu erwerben. Dies kann von dem Nennwert des Gutscheins abweichen, wenn dieser tatsächlich für einen anderen Betrag veräußert wurde.

Über die Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins hat der Unternehmer bereits im Zeitpunkt der Ausgabe eine ordnungsgemäße Rechnung auszustellen.

Verkauf im fremden Namen

Werden Einzweck-Gutscheine durch einen Vermittler im fremden Namen veräußert, wird der Vermittler nicht Teil der Leistungskette. Der Verkauf des Gutscheins ist durch den leistenden Unternehmer zu besteuern und zwar in Höhe des Verkaufspreises an den Kunden. Der Vermittler erbringt dagegen eine Vermittlungsleistung an den Gutscheinaussteller.

Nichteinlösung von Einzweck-Gutscheinen

Wird ein Einzweck-Gutschein nicht eingelöst und verfällt, ergeben sich hieraus keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen, da die Leistung bereits bei Ausgabe besteuert wurde. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage soll dann nur möglich sein, wenn das Entgelt (ausnahmsweise) zurückgezahlt wird. Nur in diesem Fall sei die Umsatzsteuer zu berichtigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des BFH bei Anzahlungen auf letztlich nicht ausgeführte Leistungen. Ob das Rückzahlungserfordernis analog auch für nichteingelöste Einzweckgutscheine gilt, bleibt abzuwarten.

Mehrzweck-Gutschein

Mehrzweck-Gutscheine sind Gutscheine im Sinne des UStG, die keine Einzweck-Gutscheine sind. Demnach liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor, bei dessen Ausgabe der Ort der Leistung, der leistende Unternehmer oder der Leistungsgegenstand noch nicht endgültig feststehen. Im Ergebnis ist die geschuldete Steuer im Zeitpunkt der Ausgabe also nicht eindeutig bestimmbar.

Beispiele:

  • Gutscheine, die zum Bezug von Gegenständen zum Regelsteuersatz und ermäßigten Steuersatz berechtigen.
  • Gutscheine einer Modekette, die in jeder Filiale Europas eingelöst werden können.

Die Ausgabe des Gutscheins und alle bis zur tatsächlichen Leistungserbringung erfolgten Übertragungen, sind umsatzsteuerlich unbeachtlich. Erst mit Einlösen des Gutscheins wird die Lieferung oder Leistung erbracht und Umsatzsteuer fällig. Entsprechend darf bei Ausgabe keine Rechnung mit Umsatzsteuer ausgestellt werden.

Vertrieb von Mehrzweck-Gutscheinen

Werden Mehrzweck-Gutscheine im eigenen Namen innerhalb einer Betriebskette übertragen, liegt lediglich ein Tausch von Zahlungsmitteln vor, der umsatzsteuerlich nicht relevant ist. Unternehmer die Mehrzweck-Gutscheine weiterübertragen (im eigenen und fremden Namen), erbringen gegenüber dem Aussteller jedoch eine Vermittlungsleistung. Die Bemessungsgrundlage für die Vermittlungsleistung bemisst sich nach der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis des Gutscheins.

Nichteinlösung von Mehrzweck-Gutscheinen

Aus der Nichteinlösung von Mehrzweck-Gutscheinen ergeben sich keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen für den Aussteller, da die Leistungserbringung erst mit Einlösen des Gutscheins erfolgt. Der vereinnahmte Betrag bleibt somit unversteuert. Auch die Rückgabe des Gutscheins und Erstattung des Gutscheinwerts hat keine umsatzsteuerlichen Auswirkungen.

Die Nichteinlösung kann sich allerdings auf die Bemessungsgrundlage einer Vermittlungsleistung auswirken, wenn das Entgelt für den Gutschein bei Nichteinlösung beim Vermittler verbleibt.

BMF fordert ausdrückliche Kennzeichnung

Über den konkreten Gesetzeswortlaut hinaus „soll“ nach Auffassung des BMF ausdrücklich gekennzeichnet werden, ob es sich um einen Einzweck- bzw. Mehrzweck-Gutschein handelt.

Gutscheinausgabe im Zeitraum der temporären Umsatzsteuersatzsenkung

Das BMF-Schreiben vom 2. November 2020 enthält keine Regelung zur Behandlung von Gutscheinen, die in dem Zeitraum der temporären Umsatzsteuersatzsenkung ausgegeben werden. Allerdings enthält das BMF-Schreiben vom 4. November 2020 zur befristeten Absenkung des Umsatzsteuersatzes eine Klarstellung, dass auch in diesem Zeitraum Einzweck-Gutscheine ausgestellt werden können.

Eine Ausnahme bilden hier jedoch Gutscheine für Restaurationsleistungen vom 1. Juli 2020 bis 31. Juni 2021. Aufgrund der temporären Steuersatzsenkung und der unterschiedlichen Steuersätze für Speisen und Getränke ist nicht ersichtlich, welcher Steuersatz für die Einlösung des Gutscheins gilt. Aus diesem Grund sind Gutscheine für Restaurationsleistungen, die in diesem Zeitraum ausgegeben werden, als Mehrzweck-Gutscheine anzusehen. In diesem Zeitraum ist ein Gutschein nur dann als Einzweck-Gutschein anzusehen, wenn er explizit für die Ausgabe von Speisen oder Getränken beschränkt wird.

Bei Gutscheinen, die vor dem 1. Juli 2020 ausgegeben wurden, bleibt es bei der Versteuerung als Einzweck-Gutschein mit 19 Prozent, auch wenn die Einlösung im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 erfolgt. Denn für die Behandlung als Einzweck-Gutschein ist ausschließlich auf die Gesetzeslage im Zeitpunkt der Ausgabe abzustellen.

Für die Ausstellung ab dem 1. Juli 2021 gelten Gutscheine für Restaurationsleistungen, einschließlich Getränkeausgaben wie bisher als Einzweck-Gutschein.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben ist zu begrüßen, da es eine Vielzahl von praktischen Anwendungsfragen insbesondere auch bei Vertriebsketten klärt und damit mehr Sicherheit schafft. Mehrzweckgutscheine bieten Vorteile: zum einem einen realen Liquiditätsvorteil, da die Umsatzsteuer erst bei Einlösung des Gutscheins anfällt; zum anderen unterliegen die Einnahmen aus der Gutscheinausgabe bei Nichteinlösung keiner Umsatzsteuer.

Die Ausgabe von Einzweck-Gutscheinen noch bis zum 31. Dezember 2020 bzw. in Bezug auf die Abgabe von Speisen bis zum 30. Juni 2020 kann genutzt werden, um von der temporären Umsatzsteuersatzsenkung zu profitieren.

Die Grundsätze des Schreibens sind – rückwirkend – auf alle Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgestellt werden. Jedoch wird nicht beanstandet, wenn Gutscheine, die vor dem 2. Februar 2021 ausgestellt wurden, nicht den Vorgaben des Schreibens entsprechen.

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