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BFH zur Normenkonkurrenz zwischen § 1 AStG und verdeckten Gewinnausschüttungen

Werden im Rahmen einer Betriebsprüfung von Unternehmen mit grenzüberschreitenden Konzernbeziehungen Korrekturen von Einkünften vorgenommen, stellt sich oftmals die Frage der Umsetzung der Korrektur. Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist eine Korrektur nach § 1 AStG zu präferieren, da entsprechende Korrekturen „lediglich“ zu einer Erhöhung der Einkünfte führen.

17.09.2020

Aus fiskalpolitischer Sicht wird das Finanzamt zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) tendieren, da auf diese zusätzlich zur außerbilanziellen Korrektur der Einkünfte Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % zu entrichten ist, sofern keine Freistellungsbescheinigung für Kapitaleinkünfte nach einem DBA vorliegt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich nun mit dem Verhältnis zwischen § 1 AStG und vGA beschäftigt und kommt zu dem Schluss, dass, anders als nach Auffassung der Finanzverwaltung (Tz 1.1.2. AEAStG), kein Vorrangverhältnis einer vGA gegenüber den Einkommenskorrekturvorschriften des § 1 AStG besteht (Urteil vom 27. November 2019, Az. I R 14/16). Weiterhin befasste sich der BFH mit der Anwendung der Hornbach-Baumarkt-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bei Zinsen im Fall von Konzerndarlehen. Das Urteil reiht sich in eine umfangreiche Rechtsprechung zu konzerninternen Finanzierungsbeziehungen ein, die zuletzt ergangen ist. Der aktuelle Fall betraf einen Verzicht auf Darlehenszinsen in grenzüberschreitenden Dreieckskonstellationen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war eine Kapitalgesellschaft Alleingesellschafterin einer inländischen GmbH sowie einer tschechischen Tochtergesellschaft. Sowohl die Mutter- als auch die deutsche Tochtergesellschaft gewährten der tschechischen Gesellschaft Darlehen, die mit 6,3 % verzinst wurden. Im Laufe des strittigen Jahres (2003) wurden die Darlehen rückwirkend zinsfrei gestellt.

Streitig war zunächst, ob eine Korrektur der Einkünfte nach § 1 AStG oder nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorzunehmen war. Der BFH war der Auffassung, dass auch eine unverzinsliche Darlehensbeziehung eine ausländische Geschäftsbeziehung nach § 1 Abs. 1 und 4 AStG i.d.F. 2003 darstellt. Eine Korrektur sei nach seiner Auffassung sowohl nach § 1 AStG als auch nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG möglich; beide Vorschriften würden parallel anwendbar sein. Eine Korrektur nach beiden Vorschriften entfiele, sofern bereits eine Korrektur nach einer der beiden Vorschriften erfolgt ist; der „zutreffende Inlandsgewinn“ solle nur einmal besteuert werden.

Bei einer vGA im Dreiecksverhältnis würde sich nach der Rechtsprechung des Großen Senats (Beschluss vom 26.Oktober 1987, GrS 2/86) aus einer vGA der inländischen Tochtergesellschaft (in Gestalt des Zinsverzichtes gegenüber der Schwestergesellschaft) an ihre Mutter grundsätzlich zunächst eine Einkommenserhöhung ergeben. Allerdings stellt dieser Zinsverzicht, im Verhältnis der Muttergesellschaft zur Auslandstochter keinen einlagefähigen Vermögensgegenstand dar. Daher führt der Vorgang bei der Muttergesellschaft nicht zu einer Erhöhung des Beteiligungsansatzes (nachträgliche Anschaffungskosten), sondern zu einem Aufwand aus sogenanntem Vorteilsverbrauch. Führt jedoch die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Vorschriften, sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen. Im Entscheidungsfall erfolgt die Einkommenskorrektur für den BFH deshalb über § 1 Abs. 1 AStG. Damit sind die Zinsverzichte der Mutter- und der Tochtergesellschaft bei diesen jeweils nach § 1 AStG außerbilanziell hinzuzurechnen.

Zur Begründung verweist der BFH auf ein Urteil vom 4. Dezember 1996 (Az. I R 54/95) im Zusammenhang mit dem Konkurrenzverhältnis einer Korrektur von Einkünften nach § 4 Abs. 5 EStG im Verhältnis zur Korrektur im Rahmen einer vGA. Der BFH kam in diesem Urteil jedoch zu dem Schluss, dass auf Ebene der Muttergesellschaft unabhängig von der Behandlung bei der Tochtergesellschaft die Rechtsfolgen einer vGA zu berücksichtigen seien (selbst wenn auf Ebene der Tochtergesellschaft lediglich eine Korrektur im Rahmen des § 4 Abs. 5 EStG erfolgt). Fraglich ist daher, inwiefern auch im aktuellen Urteilsfall auf Ebene der Muttergesellschaft bei einer Korrektur nach § 1 AStG auf Ebene der Tochter ein Vorteilsverbrauch nach den Grundsätzen einer vGA zu berücksichtigen wäre. Diese Frage hat der BFH aktuell offengelassen.

Der BFH hat in diesem Verfahren allerdings einige weitere Streitfragen zurück an das zuständige Sächsische Finanzgericht (FG Sachsen) verwiesen, da der klagenden Muttergesellschaft unter anderem nicht die Möglichkeit eingeräumt worden war, wirtschaftliche Gründe für den Zinsverzicht nachzuweisen. Diese Möglichkeit resultiere aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Hornbach-Baumarkt“ (EuGH vom 31. Mai 2018, Az. C-382/16).

Der BFH befasst sich seit geraumer Zeit mit der Korrektur von Einkünften im Zusammenhang mit Darlehensbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen. Dies zeigt den Trend einer zunehmenden Internationalisierung von Unternehmensbeziehungen. Sollte das Finanzamt in ähnlich gelagerten Fällen eine Korrektur der Einkünfte im Rahmen einer vGA vornehmen, sollten die Konstellation und die Auswirkungen geprüft und gegebenenfalls mit Verweis auf dieses aktuelle Urteil des BFH Einspruch eingelegt werden.

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