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BFH - Feststellung des steuerlichen Einlagekontos ist nicht an die Gewinnermittlungsart und das Überschreiten der Grenzen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG gebunden (sachlich-abstrakte Betrachtung)

Das Urteil des BFH ist insbesondere relevant für Betriebe gewerblicher Art (BgA) in sogenannten Wechselfällen. Demnach ist auch in Zeiten, in denen die Umsatz- und Gewinngrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG nicht überschritten wurden, eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für den BgA verfahrensrechtlich möglich. Zwischenzeitlich unterlassene Feststellungen sind nachträglich zu treffen, wenn ein entsprechender Anlass (hier: Überschreiten der Umsatz- und Gewinngrenzen) besteht.

14.04.2021
Sachverhalt

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 30. September 2020 (I R 12/17) die Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 2. Februar 2017 (2 K 1059/16) aufgehoben. Im vorliegenden Sachverhalt beantragte eine Gemeinde die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für ihren nicht-bilanzierenden Trinkwasser-BgA zum 31. Dezember 2011. Das Einlagekonto wurde letztmalig im Veranlagungszeitraum 2006 mit Null festgestellt; die Bescheide bis 2006 sind bestandkräftig. In den dazwischenliegenden Veranlagungszeiträumen von 2007 bis 2010 unterschritt der BgA die maßgebenden Gewinn- und Umsatzgrenzen in Höhe von EUR 30.000 bzw. EUR 350.000. Das Finanzamt stellte das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2011 fest, indem es auf Grundlage des letzten Feststellungsbescheides für 2006 Einlagen aus Verlusten der Jahre 2007 bis 2010 hinzurechnete und den Gewinn des Jahres 2011 in Abzug brachte.

Betrachtungsweise des Finanzgerichts

Das Sächsische FG ging im vorangegangen Klageverfahren davon aus, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den 31. Dezember 2006 nur für den unmittelbar folgenden Veranlagungszeitraum Grundlagenbescheid ist. Eine Bindungswirkung für den streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 2011 scheidet daher aus, sofern die Lücke nicht durch entsprechende Feststellungsbescheide gefüllt werden könne. Dem widersprach der BFH im Grundsatz nicht. Jedoch lehnte das FG eine nachträgliche Feststellung des steuerlichen Einlagekontos für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 durch Erlass entsprechender Bescheide ab, da die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG nicht vorlägen und damit gemäß § 27 Abs. 2 KStG das steuerliche Einlagekonto nicht gesondert festzustellen ist.

Entscheidungsgründe des BFH

Der BFH stellte in dem Revisionsverfahren klar, dass die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 EStG weder davon abhinge, welche Gewinnermittlungsart der BgA anwende, noch ob er in den entsprechenden Jahren die Gewinn- und Umsatzgrenze überschreite (sachlich-abstrakte Betrachtung). Eine lückenhafte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos sei nicht Sinn und Zweck des § 27 EStG. Laut BFH können schließlich auch Einlagen durch die Trägerkörperschaft getätigt werden, wenn er die Betragsgrenzen nicht erreicht. Maßgebend ist lediglich, dass die Trägerkörperschaft des BgA grundsätzlich Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 und 10 EStG gewähren kann. Es ist nicht darauf abzustellen, ob diese Leistung in dem Jahr auch tatsächlich kapitalertragsteuerpflichtig war.

Die nachträgliche Feststellung der Bescheide für die Jahre 2007 bis 2010 sei auch schon deswegen möglich, da die Nichtfestsetzung und Fortschreibung des steuerlichen Einlagekontos in diesem Fall (erstmalige Erreichung der Betragsgrenzen in 2011) zu einer materiell unrichtigen Steuerfestsetzung in 2011 führen würde und damit die Festsetzungsverjährung gemäß § 181 Abs. 5 AO gehemmt wird. Somit können gesonderte Bescheide zur Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erlassen werden.

Die sachlich-abstrakte Sichtweise des BFH führt indes nicht zu einer generellen nachträglichen Feststellungspflicht. Nachträgliche Feststellungen sind nur anlassbezogen, wie bei Überschreiten der in § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG genannten Betragsgrenzen, durchzuführen.

Die Einwände der Finanzverwaltung zum zusätzlichen Verwaltungsaufwand seien dahingestellt. Derselbe Aufwand bestehe bereits, wenn das Finanzamt die Aufrechnung auf Basis der Gewinnermittlungen für die Jahre, in denen keine Bescheide erlassen wurden, vornimmt.

Praxistipp

Der BFH stellt mit dem Urteil klar, dass er auch für nicht-bilanzierende BgA, die regelmäßig die Umsatz- und Gewinngrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG nicht überschreiten, eine generelle Erklärungs- und Feststellungspflicht für das steuerliche Einlagekonto sieht. Die Finanzverwaltung hat bisher in diesen Fällen lediglich eine Feststellung auf Antrag des Steuerpflichtigen vorgesehen (BMF-Schreiben vom 28. Januar 2019, Rz. 46).

Die regelmäßige Erklärung des steuerlichen Einlagekontos für die oben genannten Fälle ist in jeder Hinsicht zu befürworten, um für die betreffenden BgA größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Darüber hinaus möchten wir auf eine weitere Aussage des BFH aufmerksam machen. Hatte das FG Sachsen in seinem Urteil – wenn auch einzelfallspezifisch – eine Möglichkeit eröffnet, eine falsche, bestandskräftige Nullfeststellung im steuerlichen Einlagekonto (hier 2006) ohne ergänzende Änderungsvorschrift zu korrigieren, so hat der BFH dem eine Absage erteilt.

Der BFH weist in den Urteilsgründen darauf hin, dass das FG unzutreffend davon ausgegangen war, dass im Streitfall das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2011 unabhängig von den bestandskräftigen Feststellungsbescheiden bis zum 31. Dezember 2006 zu ermitteln ist, weil für den Zeitraum 2007 bis 2010 keine Feststellungsbescheide mehr erlassen werden können.

Auch in den Konstellationen, in denen es zu einer Veranlagungslücke für mindestens einen Veranlagungszeitraum gekommen ist, ist diese Lücke zwischen den Feststellungsbescheiden und mithin deren Bindungswirkung für das Folgejahr durch die sachlich-abstrakte Betrachtung des BFH zu schließen. Für eine erneute Ermittlung des korrekten Anfangsbestands des steuerlichen Einlagekontos – wie es das FG Sachsen unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 9. Januar 2015, Rz. 46 getan habe – bliebe damit kein Raum.

Damit werden die Handlungsoptionen bei falscher Nullfeststellung im steuerlichen Einlagekonto von Betrieben gewerblicher Art weiter eingegrenzt. Wir verweisen insoweit auf unseren Beitrag vom 7. Februar 2018.

Bei Fragen in diesem Zusammenhang sprechen Sie uns gerne an.

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