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Anfechtung von Steuerzahlungen aus der vorläufigen Eigenverwaltung (InsO)

Die Insolvenzanfechtung soll Vermögensverkürzungen vor der Insolvenzeröffnung verhindern, sie dient damit der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Der BGH stärkt diese Rechte durch ein neues Urteil. Während Steuerzahlungen in der Zeit der vorläufigen Verwaltung zurückgefordert werden können, können Forderungen von Lieferanten eine Unterstützung erfahren. Die Entscheidung ist interessant für alle Unternehmen, die eine Sanierung anstreben.

05.06.2019

Der Gesetzgeber wollte mit dem 1999 eingeführten, neuen Gesamtvollstreckungsrecht (Insolvenzordnung – InsO) verschiedene Ziele erreichen. Insbesondere sollte die Sanierung von insolventen Unternehmen einen neuen Stellenwert erhalten. Die dafür vorgesehenen Instrumente erzielten aber zunächst nicht die gewünschten Effekte. Erst nach einigen Nachbesserungen des Gesetzgebers hat das Thema „Sanierung im Insolvenzverfahren“ Fahrt aufgenommen. Bei der Sanierung wird zumeist eine Eigenverwaltung durch den Schuldner angestrebt. Unterstützung erhielt dieses Ziel nun aktuell zusätzlich durch ein Urteil des BGH (Urteil vom 22.11.2018 AZ IX ZR 167/16). Dieser entschied, dass Steuerzahlungen, die der eigenverwaltende Schuldner im Vorverfahren (also in der Zeit zwischen der Antragstellung durch den Schuldner und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) leistet, unter bestimmten Voraussetzung im eröffneten Verfahren durch die Finanzbehörden zu erstatten sind.

Der Fall des BGH:

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine GmbH beantragte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und zugleich die Anordnung der Eigenverwaltung. Das Insolvenzgericht ordnete daraufhin die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellte einen vorläufigen Sachwalter. Die GmbH informierte das Finanzamt über diesen Vorgang und führte im Eröffnungsverfahren ihren Betrieb fort. Sie leistete dabei Umsatzsteuerzahlungen an das Finanzamt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der vorläufige Sachwalter zum endgültigen Sachwalter bestellt. Er erklärte nunmehr die insolvenzrechtliche Anfechtung der während der vorläufigen Verwaltung geleisteten Steuerzahlungen. Das Finanzamt verweigerte die Zahlung.

Der BGH entschied für den Sachwalter. Er verwies darauf, dass die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vorlägen, so dass diese Zahlungen der insolvenzrechtlichen Anfechtung unterliegen. Im Zeitpunkt der Zahlungen habe der Antrag auf Insolvenzeröffnung dem Insolvenzgericht bereits vorgelegen. Zudem sei das Finanzamt über den Insolvenzantrag bereits vor den Zahlungen informiert gewesen. Schließlich wäre das Finanzamt, wären die Zahlungen nicht vorgenommen worden, Insolvenzgläubiger und nicht Massegläubiger gewesen. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz, dass persönliche Gläubiger, die einen vor der Insolvenzeröffnung begründeten Anspruch gegen den Schuldner haben, ihre Forderung nur als Insolvenzgläubiger verfolgen können. Nur ausnahmsweise ergebe sich etwas anderes. Nämlich, wenn diese Forderungen als Masseforderungen anzuerkennen sind.

Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn eine Masseverbindlichkeit sei nur anzunehmen, wenn auf Grundlage einer vom Insolvenzgericht erteilten Ermächtigung eine entsprechende Masseverbindlichkeit begründet werden konnte. Diese Ermächtigung sei im zu entscheidenden Fall nicht erfolgt.

Bewertung der Entscheidung:

Diese Entscheidung ist nicht nur konsequent und ergänzt die bisherige Rechtsprechung des BGH schlüssig. Sie dürfte auch zukünftige Sanierungsverfahren erleichtern.

Hinzuweisen bleibt darauf, dass Forderungen von Warenlieferanten bzw. Dienstleistern nicht entsprechend betroffen sein müssen, denn zur Eingehung dieser Verbindlichkeiten kann sich der vorläufige Eigenverwalter/vorläufige Sachwalter durch das Gericht berechtigen lassen. Der Warenlieferant/Dienstleister kann dann eine Masseverbindlichkeit geltend machen und ist damit bevorrechtigt vom Verwalter zu befriedigen.

Folgen für die Praxis:

In der Praxis wird diese Entscheidung indirekt eine große Bedeutung erlangen. Denn die Sanierungschancen eines Unternehmens werden zukünftig unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zu beurteilen sein. Die Finanzämter werden es hinnehmen müssen, dass sie aufgrund dieser Rechtsprechung erhaltene Zahlungen erstatten müssen, während Lieferanten des Schuldners davon profitieren können, dass der Schuldner sich in einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren im Voraus dazu ermächtigen lassen kann, bestimmte Verpflichtungen zulasten der späteren Insolvenzmasse eingehen zu können.

Den Gesamttext der Entscheidung können Sie hier abrufen.

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