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Der Insolvenzantrag eines Gläubigers in der Corona-Krise

Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020 (Corona-Gesetz) wurden auf Anregung der Bundesregierung zeitlich begrenzte Sonderbedingungen vorgegeben, die die Insolvenzantragstellung für einen bestimmten Zeitraum modifizieren. Ab Inkrafttreten des Gesetzes soll zunächst für einen Zeitraum von drei Monaten der Insolvenzantrag eines Gläubigers nur zulässig sein, wenn der Eröffnungsgrund bereits am 1. März 2020 vorlag. Diese Vorschrift wird rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft gesetzt.

  1. Motivation des Gesetzgebers

Ziel des vorgeschlagenen Gesetzes ist es, die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, die infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Den betroffenen Unternehmen und ihren organschaftlichen Vertretern soll Zeit gegeben werden, um die notwendigen Vorkehrungen zur Beseitigung der Insolvenzreife zu treffen, insbesondere um zu diesem Zweck staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen oder Finanzierungs- oder Sanierungsarrangements mit Gläubigern und Kapitalgebern zu treffen.

  1. Eingriff in Gläubigerrechte, evtl. über drei Monate hinaus

Nach den Erläuterungen des Gesetzgebers ist die Einschränkung des Rechts der Gläubiger, einen Insolvenzantrag zu stellen, auf drei Monate befristet, um den damit verbundenen Eingriff in die Gläubigerrechte zu beschränken. Schon diese Argumentation macht deutlich, dass die neue Regelung den verfassungsmäßig geschützten Bereich der Gläubiger berührt. Ob das Corona-Gesetz seinen eigenen Ansprüchen dabei gerecht wird, bleibt aber offen. Denn in einem gewissen Widerspruch zu der obigen Aussage wird zugleich festgeschrieben (Art. 1 § 4 des Corona-Gesetzes), dass die Regelung im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden kann.

Angesichts der Erfahrungen mit anderen Katastrophen dürfte fraglich sein, ob die Bereitstellung staatlicher Mittel zur Bewältigung der Krise innerhalb weniger Monate erfolgen kann, sodass eine recht hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Verordnungsmöglichkeit in Anspruch genommen wird.

  1. Praktische Anwendung und Anwendungsbereich des Art. 1 § 3

Angesichts der Tatsache, dass das Corona-Gesetz die Durchführung von Insolvenzverfahren aufgrund eines Gläubigerantrages einschränken sollte und es auch wenig Sinn macht, ein Insolvenzverfahren durchzuführen, obgleich im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts gar kein Insolvenzgrund vorliegt, dürfte Art. 1 § 3 Corona-Gesetz als zusätzliches Kriterium bei der Zulässigkeitsprüfung des Insolvenzgerichts zu verstehen sein. Damit wäre das Insolvenzgericht gehalten, das Vorliegen des Insolvenzgrunds bezogen auf zwei Zeitpunkte zu ermitteln (Zeitpunkt 1. März 2020 und zudem der Zeitpunkt der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Antrag). Nur wenn zu beiden Zeitpunkten ein Insolvenzgrund vorliegt, ist ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Der Gesetzgeber geht zudem davon aus, dass alle Gläubigeranträge erfasst werden, über die am Tag nach der Verkündung dieses Gesetzes noch nicht entschieden worden ist. Damit unterfallen auch Gläubigeranträge, die vor dem 1. März 2020 gestellt wurden, dieser Regelung, wenn über sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Corona-Gesetzes noch nicht entschieden worden ist.

In Fallgestaltungen, in denen zwar vor dem 1. März 2020 ein Insolvenzverfahren eröffnet, diese Eröffnung aber mittels einer sofortigen Beschwerde angegriffen wurde und die Entscheidung über die Beschwerde noch aussteht, dürfte Art. 1 § 3 allerdings nicht zum Zuge kommen, da die Prüfung der Begründetheit der Beschwerde gegen die Insolvenzeröffnung bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Insolvenzgerichts zu erfolgen hat.

Das Corona-Gesetz finden Sie hier.

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