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Haftungsschulden dürfen den steuerlichen Gewinn der Organgesellschaft nicht mindern (Urteil des FG Münster vom 4. August 2016; Revision beim BFH anhängig – I R 78/16)

Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 4. August 2016 (Az: 9 K 3999/ 13 K) entschieden, dass eine Organgesellschaft für eine drohende Haftungsinanspruchnahme für Körperschaftsteuerschulden der Organträgerin nach § 73 AO in der Steuerbilanz Rückstellungen bilden kann. Allerdings liegt hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, so dass eine außerbilanzielle Gewinnerhöhung zu erfolgen hat.

05.04.2018

Im entschiedenen Urteilsfall sollte die Klägerin, eine GmbH, welche bis zum 31. Dezember 2000 Organgesellschaft einer AG war, für Körperschaftsteuerrückstände aus 1999 und 2000 der insolventen Organträgerin in Haftung genommen werden. Sie bildete im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009 wegen der gemäß § 73 AO drohenden Haftungsinanspruchnahme eine Rückstellung in Höhe von TEUR 220. Die Rückstellung wurde auch in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 2009 gebildet. Eine außerbilanzielle Korrektur dieses Betrages erfolgte nicht. Das Finanzamt veranlagte entsprechend der eingereichten Steuererklärung. In der nachfolgenden Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt abweichend davon allerdings die Auffassung, dass der zurückgestellte Betrag entsprechend § 10 Nr. 2 KStG außerbilanziell dem Gewinn hinzuzurechnen sei.

Das Finanzgericht Münster hat die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung wie folgt begründet:

Die Klägerin habe ernsthaft mit einer Haftungsinanspruchnahme rechnen müssen, so dass die Rückstellungsbildung dem Grunde nach nicht zu beanstanden sei. Aufgrund der Insolvenz der Organträgerin waren mögliche Ausgleichsansprüche der Organgesellschaft nicht werthaltig, so dass diese weder als Anspruch zu aktivieren noch rückstellungsmindernd zu berücksichtigen seien. Demzufolge sei auch die Rückstellungbildung der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Das Finanzamt habe aber zu Unrecht eine außerbilanzielle Gewinnerhöhung auf § 10 Nr. 2 KStG gestützt, da Haftungsschulden vom Wortlaut der entsprechenden Vorschrift nicht erfasst seien. Die von der AO vorgenommene Differenzierung zwischen Steuerschulden und Haftungsschulden sei auch für die Auslegung des § 10 Nr. 2 KStG heranzuziehen. Ob Haftungsschulden ausnahmsweise nach dem Sinn und Zweck des § 10 Nr. 2 KStG nicht abziehbar seien, wenn sich die Haftung auf die eigene Steuerschuld des Haftenden bezieht, könne im Streitfall dahingestellt bleiben. Die Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO für Körperschaftsteuerschulden ihrer Organträgerin betreffe gerade keine eigene Schuld der Organgesellschaft. Zudem sei die Haftungsschuld nach § 73 AO nicht zwingend mit der Steuerschuld identisch, die die Organschaft fiktiv unter Außerachtlassung der Organschaft zu entrichten hätte.

Nach Auffassung des Finanzgerichtes habe dennoch eine außerbilanzielle Gewinnkorrektur zu erfolgen, da die Aufwendungen der Organgesellschaft für die drohende Haftungsinanspruchnahme eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Organträgerin darstellen. Die hierfür erforderliche Vermögensminderung sei nach Meinung des Gerichtes durch die Rückstellungsbildung eingetreten. Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nach § 73 AO beruhe auf dem Versäumnis der Gesellschafterin, ihre Steuerschulden zu zahlen und sei dadurch gesellschaftsrechtlich veranlasst. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung scheitere auch nicht am Fehlen einer Rechtshandlung der Klägerin, die die Haftungsinanspruchnahme herbeigeführt habe. Ein Handeln der Klägerin sei nicht nötig, da sich diese durch den Abschluss des Gewinnabführungsvertrages erkennbar den Risiken des § 73 AO ausgesetzt habe und sich zudem das Verhalten des beherrschenden Gesellschafters zurechnen lassen müsse.

Die Revision gegen dieses Urteil ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 78/16 zu der Frage anhängig, ob Haftungsschulden im Sinne des § 73 AO den steuerlichen Gewinn der Organgesellschaft mindern dürfen.

Auch verdeckte Gewinnausschüttungen unterliegen der Kapitalertragsteuer. Sofern diese nicht von der Organträgerin getragen wird, liegt eine weitere verdeckte Gewinnausschüttung vor. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nicht vor, soweit werthaltige Ausgleichsansprüche gegenüber dem Organträger bestehen. Gegebenenfalls kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch durch eine entsprechende Sachverhaltsgestaltung vermieden werden. Sofern Sie hierzu eine Beratung wünschen, zögern Sie bitte nicht, uns anzusprechen.

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