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BFH: Zum Begriff der „steuerlichen Schlussbilanz“ im Umwandlungssteuerrecht

Mit Urteil vom 15. Juni 2016 (Az.: I R 69/15) hat der BFH entschieden, dass mit dem Begriff der „steuerlichen Schlussbilanz“ im Umwandlungssteuerrecht die nächste auf den Einbringungszeitpunkt folgende steuerliche Jahresschlussbilanz (Steuerbilanz) der übernehmenden Gesellschaft gemeint ist, in der der Einbringungsgegenstand erstmals anzusetzen ist. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die eingereichte Steuerbilanz den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den steuerbilanzrechtlichen Sonderregeln entspricht.

15.11.2016

I. Hintergrund und Sachverhalt zur Entscheidung

1. Rechtlicher Rahmen

Das Umwandlungssteuerrecht sieht für verschiedene Umwandlungsfälle, so insbesondere für den sog. Anteilstausch (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) und für sog. Einbringungsfälle (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), den Grundsatz der Bewertung des Einbringungsgegenstandes mit dem gemeinen Wert vor. Abweichend hiervon ist auf Antrag (und unter weiteren Voraussetzungen) die Fortführung der Buchwerte oder eines Zwischenwertes zwischen Buch- und gemeinem Wert möglich (§ 20 Abs. 2 Satz 2, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Ein solcher Antrag ist jeweils durch die übernehmende Gesellschaft „spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der steuerlichen Schlussbilanz bei dem für die Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft zuständigen Finanzamt zu stellen“ (§ 20 Abs. 2 Satz 3, § 21 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Was genau unter der „steuerlichen Schlussbilanz“ im vorstehenden Sinn gemeint ist, war im Streitfall streitig.

2. Sachverhalt

Der Entscheidung des BFH lag ein Fall des sog. qualifizierten Anteilstausches zugrunde.

Die Klägerin war eine KG, an der ein Kommanditist (Beigeladener) beteiligt war. Der Beigeladene war außerdem als Alleingesellschafter Inhaber aller Aktien einer (amerikanischen) Kapitalgesellschaft, die dem Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin zugeordnet wurden. Die Klägerin war schließlich alleinige Gesellschafterin einer (deutschen) GmbH (ebenfalls beigeladen). Infolge einer Stammkapitalerhöhung bei der GmbH im Jahr 2008 übernahm der Beigeladene den dadurch neu geschaffenen Geschäftsanteil und brachte als Gegenleistung dafür alle Aktien der amerikanischen Kapitalgesellschaft in die GmbH ein. Die GmbH setzte die durch den Beigeladenen eingebrachte Beteiligung an der amerikanischen Kapitalgesellschaft (Sonderbetriebsvermögen der Klägerin) im handelsrechtlichen Jahresabschluss für 2008 mit den Anschaffungskosten an. Der die Stammeinlage übersteigende Differenzbetrag wurde die Kapitalrücklage der GmbH eingebracht. Dieser Jahresabschluss wurde nebst „Überleitungsrechnung“ und „Korrektur nach § 60 Abs. 2 EStDV“ im Jahr 2009 auch der Steuererklärung der GmbH für das Jahr 2008 beim beklagten Finanzamt eingereicht.

Im Rahmen einer anschließenden Außenprüfung war streitig, inwiefern die GmbH das Antragsrecht zur Buchwertfortführung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ausgeübt hat. Erst mit einem späteren Schreiben, das im Jahr 2010 beim Finanzamt einging, legte die GmbH dem Finanzamt eine (weitere) Steuerbilanz zum Ende des Jahres der Einbringung vor, aus der eine Fortführung des Buchwerts der Anteile an der amerikanischen Kapitalgesellschaft mit einem Betrag von EUR 1 hervorgeht. Die Klägerin, der Beigeladene und die GmbH waren der Meinung, die GmbH habe das Antragsrecht hinsichtlich der eingebrachten Anteile an der amerikanischen Kapitalgesellschaft mit Vorlage der Steuerbilanz im Jahr 2010 rechtzeitig zugunsten des Buchwertansatzes ausgeübt, da der mit der Steuererklärung zuvor im Jahr 2009 eingereichte Jahresabschluss für 2008 noch keine „steuerliche Schlussbilanz“ gewesen sei.

Das Finanzamt war der abweichenden Auffassung, dass die Beteiligung an der amerikanischen Kapitalgesellschaft zum Einbringungszeitpunkt mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen ist. Das Finanzgericht hat die Klagen gegen den entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid für die GmbH in Gestalt der Einspruchsentscheidung im Ergebnis abgewiesen. Hiergegen richteten sich Revisionen der Klägerin und der GmbH.

II. Entscheidung des BFH

Die Revision hatte in der Sache keinen Erfolg. Der BFH bestätigte im Ergebnis das Finanzamt darin, dass im Rahmen der Festsetzung der Körperschaftsteuer der GmbH die Beteiligung an der amerikanischen Kapitalgesellschaft zum Einbringungszeitpunkt mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen ist. Im Streitfall habe ein sog. qualifizierter Anteilstausch stattgefunden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG), im Rahmen dessen die GmbH als übernehmende Gesellschaft Anteile an der amerikanischen Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuner Anteile an der GmbH erhalten habe. Demzufolge hätte die GmbH auch gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 UmwStG die Möglichkeit gehabt, die Beteiligung auf Antrag zum Buchwert oder Zwischenwert anzusetzen. Von diesem Antragsrecht habe die GmbH aber nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht. Das Antragsrecht wurde nicht innerhalb der Frist des § 21 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ausgeübt.

Unter der „steuerlichen Schlussbilanz“ sei die nächste auf den Einbringungszeitpunkt folgende steuerliche Jahresschlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG), in der das Wirtschaftsgut erstmals anzusetzen ist zu verstehen. § 21 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG meinten also keine davon zu unterscheidende eigenständige „Schlussbilanz“. Für die Aufstellung einer solchen zusätzlichen „Schlussbilanz“ bestehe – anders als etwa bei einer durch Einbringung endenden übertragenden Gesellschaft – kein sachliches Bedürfnis, da für die übernehmende Gesellschaft lediglich laufende Geschäftsvorfälle vorlägen. Bei dem im Streitfall von der GmbH im Jahr 2009 beim Finanzamt abgegebenen handelsrechtlichen Jahresabschluss für 2008 nebst „Überleitungsrechnung“ und „Korrektur nach § 60 Abs. 2 EStDV“ habe es sich um ihre Steuerbilanz und damit um die „steuerliche Schlussbilanz“ im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG gehandelt. Der erst danach, im Jahr 2010, gestellte Buchwertantrag wurde folglich zu spät gestellt.

Ob die Steuerbilanz den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV entsprochen hat, sei im Übrigen ohne Belang, da für § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG im Ergebnis auch eine nicht ordnungsgemäße Steuerbilanz ausreichend sei. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und steuerbilanzrechtliche Sonderregeln seien insoweit ohne Belang.

III. Auswirkungen für die Praxis

Mit seiner Entscheidung schließt sich der BFH einer weit verbreiteten, wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum (Nachweise in der Entscheidung) sowie der Finanzverwaltung (vgl. BMF, Umwandlungssteuererlass vom 11. November 2011, BStBl. I 2011, 1314, Rz 20.20 und 20.21; Bayerisches Landesamts für Steuern vom 11. November 2014 S 1978d.2.1-17/10 St32, juris) an und setzt seine Rechtsprechung zur Wahlrechtsausübung nach der entsprechenden Regelung des alten § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 (BFH vom 28. Mai 2008 – I R 98/06, BStBl. II 2008, 916) fort.

Die zu begrüßende Entscheidung des BFH führt einerseits zu der insoweit praxisgerechten Erleichterung, dass die übernehmende Gesellschaft in Einbringungs- und Anteilstauschfällen nicht neben ihrer herkömmlichen Steuerbilanz eine weitere „Schlussbilanz“ aufzustellen hat. Dadurch ist allerdings auch zu beachten, dass bis zur Abgabe der nächsten auf den Einbringungszeitpunkt folgenden Steuerbilanz der übernehmenden Gesellschaft ein beabsichtigter Buchwertantrag tatsächlich gestellt wird.

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